Dieses Jahr ist Weihnachten wirklich ganz anders. Auch wenn wir teilweise schon Weihnachten in anderen Ländern verbracht haben, ist es völlig neu.
Während in good old Germany gerade Kälte – Schnee und Nässe vorherrschen – haben wir hier durchgehend 30 – 33 Grad und immer noch hohe Luftfeuchtigkeit. Allerdings kühlt es nun tatsächlich nachts deutlich ab – so dass wir beim Schlafen ein Bettlaken zum Zudecken verwenden, damit wir nicht frösteln (wenn es runter auf 19 Grad geht und eine Brise weht).

Die Einheimischen rennen deshalb morgens mit dicken Parka und Wollmützen rum – also es ist morgens frisch! Der Harmattan hat eingesetzt – möge er lange, lange, lange anhalten …
Nachdem nun die Vorlesungen rum und die letzten Klausuren geschrieben sind, kommt auch der Campus zu Ruhe – es ist deutlich ruhiger geworden, fast wie zu unserer Anfangszeit im August, was sehr angenehm ist. Nur die vermaledeiten Discos (mittlerweile aus zwei verschiedenen Richtungen) leisten sich nachts noch ein Lautstärke-Kräftemessen. Wir hoffen darauf, dass auch diese ihre Tore schließen oder wenigstens nur zweimal in der Woche lärmen, wenn erst die Festival Season vorüber ist. Mittlerweile wummern sie teils ab Nachmittag bis in die frühen Morgenstunden!
Christina ist wohlbehalten aus Lunsar vom Blockunterricht zurückgekommen (an anderer Stelle mehr) und so können auch für Familie Döhring die letzten Weihnachtsvorbereitungen erledigt werden. Denn auch wir erwarten Gäste – nun zumindest einen, der sich her getraut hat – Richard, ein Freund der Familie aus der Christusgemeinde Siegburg.
Es gibt verschiedene Airlines, mit welchen man nach Sierra Leone reisen kann. Von Europa aus überwiegend AirFrance – AirBrüssel – AirMaroc oder Turkish Airlines.

Ralf hatte sich für seine eigenen Flüge im Vorfeld über die verschiedenen Fluggesellschaften informiert und Kritiken gelesen. Dabei kam heraus – wir würden am liebsten immer mit AirFrance reisen, die uns letzten August gut hierher gebracht haben. Leider wird das beim ersten Heimataufenthalt nicht so sein – wir müssen nun AirBrüssel testen.
Wie auch immer, auf gar keinen Fall werden wir mit AirMaroc fliegen – die Bewertungen sind einfach unterirdisch – unpünktlich – abgesagte Flüge ohne Alternative– abgängiges Gepäck und und und.
Das alles haben wir unserem Gast im Vorfeld mitgeteilt und dezent auf AirFrance hingewiesen. Leider ist AirMaroc doch deutlich günstiger und bietet zudem die Möglichkeit, ohne Aufpreis zwei Gepäckstücke mitzubringen. So fiel die Wahl auf AirMaroc.
So hofften und beteten wir, dass alles gut werden würde. Denn der zweite Koffer war mit vielen, vielen Sachen aus der Heimat für Familie Döhring bestückt – bestellte Sachen, Geschenke und süße Grüße – ein ganzer Koffer voller Kostbarkeiten – was ein Weihnachtsgeschenk!
Der günstigere Preis von AirMaroc lässt sich auch mit den Flugzeiten erklären – erstens dauert die gesamt Reisezeit länger und zum anderen sind Abflug und Ankunftszeiten sehr früh morgens bzw. mitten in der Nacht – aber gut – das ist halt so.
Richard flog also nachmittags vom Frankfurter Flughafen nach Casablanca und von dort mitten in der Nacht nach Sierra Leone, um dort gegen 4.30 Uhr am Flughafen in Lungi/Freetown zu landen.
Da der Flughafen auf einer Landzunge gegenüber von Freetown liegt, gibt es drei Möglichkeiten des Abholens. Die erste wäre per Auto über Landstraße – was ein sehr langer und weiter Weg um die Landzunge herum wäre und dann wieder zurück – ca. 6 Stunden Fahrt für eine Tour.
Die zweite Möglichkeit ist die öffentliche Fähre für Personen und Fahrzeuge. Dazu muss man vom Flughafen ca. 30-40 Minuten zur Fähre fahren, einen Platz auf der Fähre buchen (ergattern) und der Transport mit all dem, was dann darauf fährt, ist echt interessant. Das haben wir bei unserer Einreise erlebt. Das Ausparken am Ende war ein imposantes Schauspiel – Kino tauglich – Adrenalin pur!

Oder die dritte Möglichkeit, die Ralf durch Hinweise von Internationalen beim Kurztrip nach Deutschland im Oktober ausprobiert hat – „Seacoach“.
Das ist eine private Personenfähre, die gezielt Fluggäste hin und zurück vom Flughafen nach Freetown Festland bringt.
Das ist zwar teurer, aber eine richtig gute – ja die beste und sicherste Möglichkeit. Das war nun die Möglichkeit, mit der Richard vom Flughafen nach Freetown reisen sollte.

Kommt man aus dem Flughafenterminal, sind es zwanzig Meter zum Büro von Seacoach. Dort wird das Gepäck angenommen, man steigt in einen Bus, wird zum Seacoach Terminal ans Meer gefahren und dann geht es übers Meer in ca. 45 Minuten nach Freetown. Dort wollten wir ihn dann erwarten und abholen.
Da der Flieger um 4.30 Uhr am Mittwochmorgen in Lungi landete, sollten wir gegen 6 – 6.30 Uhr bei Seacoach in Freetown sein, um ihn in Empfang nehmen zu können – so wurde es uns gesagt. Nun ja afrikanische Zeit ….

Wir also um 5.15 Uhr mit dem Auto zu Seacoach los. Gegen 9 Uhr verließ Richard schließlich das Boot von Seacoach, betrat das Gebäude in Freetown, wo wir ihn voller Freude und Dankbarkeit in Empfang nahmen – alles hat gut geklappt!! Alles – nein – statt zwei seiner Koffer war nur einer mit nach Freetown gekommen …. Und nun ratet welcher mitgekommen ist? Zur Freude von Döhrings war es der mit all den heiß erwarteten Sachen und Mitgebseln, u.a. mit Käse. Aber leider eben nur dieser. Der Koffer mit allen persönlichen Sachen von Richard war …. wahrscheinlich in Casablanca geblieben.
In diesen Tagen ist uns ein offizielles Schreiben in die Hände gefallen, in dem festgehalten wird, dass AirMaroc und Turkish Airline pro Fluggast grundsätzlich zunächst nur ein Gepäckstück befördern (trotz dass alle Reisende zwei Gepäckstücke mitnehmen dürfen) und somit nur eines ankommt. Der freigebliebene Platz wird für teures Geld an andere Gesellschaften verkauft, um Frachtgut zu transportieren – unglaublich, aber wahr. Nun ja, Richard war da und ansonsten hat alles gut geklappt.

Am nächsten Tag mussten Christina und Ralf ohnehin nach Freetown zu einer Besprechung und wollten dabei noch ein paar Erledigungen in eigener Sache machen – unter anderem eine neue Matratze für Nathanaels Bett kaufen.
Das wollten wir von Anfang an tun. Alle unsere Matratzen sind gebraucht und die Spuren der Jahre und Nutzer sind nicht zu übersehen – das ist hier völlig normal. Zumal ohnehin die wenigsten Leute in Sierra Leone Betten und mitunter nicht einmal Matratzen haben.
Die von Christina & Ralf haben wir gereinigt und dann war sie ganz ok. Doch die von Nathanael war ein so dünnes Teil, das er eigentlich direkt auf den Brettern darunter lag. Wir waren dankbar, dass er das als nicht so schlimm empfunden hat – wir waren da mehr in Sorge, denn er braucht seinen Rücken noch eine Weile, denken wir. Doch wo sollten wir auf die Schnelle eine neue Matratze herbekommen??

In unseren wochenlangen Erkundigungen stellten wir fest, dass man hier Matratzen an vielen Orten erhalten kann. Auf den Märkten werden sie in allen Farben oder Lebenszeiten angeboten. Wie oft sie bereits benutzt wurden, weiß man dabei nicht. Was so alles in ihnen steckt, auch nicht. Nicht alle liegen oder stehen in Plastik eingehüllt, sondern oft liegen sie einfach auf dem Boden an der Straßenseite vorm Laden zum Verkauf. Hier konnten wir uns nur schwer durchringen, damit einen Versuch zu starten.
So waren wir dankbar, vor ein paar Wochen in Freetown im Vorbeifahren einen Matratzenladen gesehen zu haben, der original verpackte Neuware anbietet. Nicht am Straßenrand, sondern in einem sauberen Geschäft! Da fuhren wir also vor der Besprechung hin, um uns umzuschauen. Es war wirklich ein ordentlicher Laden. Klar, die Preise würden deutlich höher sein als im Store am Straßenrand. Aber die Matratzen sahen gut aus. Wahrscheinlich sind es Modelle aus den vergangenen Jahren – aber neu und eingeschweißt – das ist doch ausreichend!
Bevor wir allerdings eine kauften, wollten wir uns bei Einheimischen erkundigen, ob der Preis ok ist. So verließen wir den Laden, um zur Besprechung zu fahren, um dann dort diese Frage zu eruieren.
Kurz bevor wir losfuhren, sahen wir aus den Augenwinkeln, dass direkt nebenan das Büro von AirMaroc war. Wir voller Dankbarkeit rein, um zu schauen, ob der Koffer von Richard dort ist oder was wir für Auskünfte erhalten können.
Die Angestellte war sehr freundlich, schaute nach und meinte, der Koffer – es standen in diesem Büro gut und gerne 50-60 Koffer rum – von Richard ist noch nicht dabei. Wir sollten am Samstag (24.12.) gegen 12 Uhr wiederkommen – sie würden extra dafür (also für alle Kunden die Koffer vermissten) aufmachen und dann müsste auch dieser dabei sein. Na gut, das waren doch vielversprechende Nachrichten – hoffentlich würden die auch stimmen. Denn Ralfs Konfektionsgröße ist nicht wirklich kompatibel zu Richards. So waren die beiden am Freitag auf dem lokalen Markt, um ein paar Anziehsachen für Richard zu kaufen.

Nach dieser Auskunft ging es zu unserer Besprechung. Dort fragten wir auch nach, ob der uns genannte Preis von 6.000 Leones für eine neue Queensize Bettmatratze angemessen ist – oder ein typisches „Weißenschnäppchen“ darstellt?!
Ein Einheimischer fuhr schnell in den Laden, um sich den Preis nennen zu lassen. Witzig war, dass man ihm, dem Präsidenten des Baptistenbundes Sierra Leone, für die gleiche Matratze einen Preis von 7.000 Leones nannte!?!

Wir also nach der Besprechung wieder zum Matratzenladen und uns vergewissern, ob der uns genannte Preis von 6.000 Leones noch stimmt. Als das so war, kauften wir sie. Sie ist sehr dick und hat Memory Foam sowie Taschenfederkerne. Sie wurde uns auf den Dachgepäckträger unseres Wagens geschnallt – wir hatten extra vorher Transportgurte besorgt – und dann ging es ab nach Hause.
Was Ralf schon geahnt hat, wurde dann zur Gewissheit. Ein Auto mit was drauf ist eine große Verlockung für jeden Straßenpolizisten, um ein bisschen Weihnachtsgeld zu machen.
An der nächsten Kreuzung standen dann auch zwei Polizistinnen, die uns direkt rauswinkten. Als sie uns Weiße sahen, war erstmal Erschrecken, doch schnell fing sich die eine, um uns dann zu belehren.
Ob wir denn nicht wüssten, dass diese Art des Transportierens nicht erlaubt ist? Die Matratze sei viel zu hoch – übersteigt das Auto!! Klar, sie liegt ja auch gut befestigt auf dem Dach auf den dafür vorgesehenen Dachgepäckträgern des Autos … Ja, aber es soll eine Vorschrift geben, die das verbietet und wir müssten nun mit einer Strafe rechnen.

Es ist schon dreist, wie ernst sie das sagten, ohne sich Gedanken über die Absurdität ihrer Aussagen zu machen. Wir haben ja genug Bilder gepostet, wie das mit Transportieren und Beladen aussieht – also echt jetzt??
Nun, diesmal sind sie an den falschen geraten – Ralf gab nicht klein bei. Auch die Androhung, zur Wache zu fahren und dort zu verweilen, entlockte ihm nur ein: „Ja, dann lassen Sie uns das mal machen!“
Als wir dann sagten, ok, wir zahlen Strafe, benötigen dafür aber eine Quittung – gaben sie schließlich auf. Keiner wird dir in so einem Fall eine Quittung geben, weil das bedeutet, du hast einen Beweis seines Machtmissbrauches.
Dann änderte sich das Gespräch – es ist doch Weihnachten und wir sind doch alle Christen. Wir fragten, sie ob sie Kinder haben. Als sie das bejahten, gaben wir jeder von ihnen ein paar kleine Päckchen Haribo für selbige. Die haben wir immer im Auto, um einfach etwas zur Entspannung geben zu können.
Und so durften wir dann fröhlich unseres Weges ziehen und haben eine süße Spur hinterlassen, auch wenn eine der Polizistinnen sichtlich enttäuscht war.
Ralf hat zwar gedacht, das wird uns jetzt mind. noch ein oder zweimal passieren, dem war aber nicht so. Unbehelligt kamen wir am T.E.C.T. an und Nathanael konnte in der Nacht das gute Stück einweihen! Was für ein Unterschied!
Doch nun zurück zum Koffer! Am 24.12. gegen 10.30 Uhr machten sich Richard und Ralf auf den Weg zum Büro von AirMaroc und wollten vorher noch in derselben Straße in einem Supermarkt einkaufen. Auf dem Rückweg wollten sie gegen 12 Uhr im Office reinschauen und hoffentlich den Koffer erhalten.
Als sie jedoch in diese vierspurige Straße einbogen, wurden sie durch Polizei so gelenkt, dass sie auf der linken Fahrspur der Gegenseite fahren sollten. Die reguläre Fahrspur war wegen Bauarbeiten für zwei Kilometer gesperrt. Da es sich um eine der wichtigsten Hauptstraßen Freetowns handelt (Wilkinson Road), war das Chaos vorprogrammiert. Es war eine Kilometer lange Autoschlange, um auf der Gegenseite nach Freetown reinzukommen.
Wenn wir also nach dem Einkaufsladen umdrehen und wieder Richtung Freetown zum Office von AirMaroc zu 12 Uhr wollten, mussten wir in diesen kilometerlangen Stau – keine Ahnung, wie lange das dauern würde und ob wir das pünktlich schaffen würden?!

Es war inzwischen 11 Uhr und Ralf hatte die verzweifelte Idee, wir halten jetzt einfach mal rechts auf der Spur raus aus Freetown in Höhe von AirMaroc und schauen, ob das Büro schon offen hat. Dem Herrn sei´s getrommelt und gepfiffen, der Laden war bereits auf, der Koffer stand neben 80 anderen dort und wir konnten ihn mitnehmen – Praise God! Das war Richards schönstes Weihnachtsgeschenk.
Nur noch die vierspurige Straße überqueren – was bei dem Stau kein Problem war – dann den Koffer rein ins Auto – ab zum Einkaufsladen und weiter bis zum nächsten Kreisverkehr, um dort eine andere Route aus der Stadt raus zu nehmen.
Nun hat Richard also seinen Koffer wieder und wir alle sind dankbar und glücklich – dass nun alles wirklich gut angekommen ist – das wird doch ein super Weihnachtsfest, oder?
Ach so… Eine Woche vorher haben wir erfahren, dass auf dem Campus wieder Hochzeitsfeiern stattfinden – also direkt vorm Haus. Eine am 24.12. ab 16 Uhr und zwei weitere am 30. und 31.12. – das bedeutet von morgens bis abends eine Dauerberieselung, die nicht zumutbar ist. So haben wir uns entschieden, die Hochzeit am 24.12. zu ertragen und für die anderen Tage ein Hotel aufzusuchen – Strom – Klimaanlage – Ruhe!
Am Heiligabend wurde mittags alles für die Hochzeitsfeier vorbereitet – Gott sei´s gedankt, die Musik wurde erst am Nachmittag aufgedreht.
Hier feiert man nicht den 24. sondern den 25. als Weihnachtstag.
So feierten wir ihn ein wenig mit einem leckeren europäischen Essen (Spaghetti Bolognese), machten eine kleine Runde über den Campus. Anschließend versammelten wir uns um den Laptop, um die Christvesper in Siegburg online zu verfolgen. Es war schön, vertraute Gesichter zu sehen. Dort war es dunkel und kalt (den Klamotten der Beteiligten nach). Hier war noch helllichter Tag und heiß. Verrückt!
Dann lasen wir für uns selbst noch mal die Weihnachtsgeschichte nach Lukas, sangen miteinander „O du fröhliche“ und beendeten es mit einer Gebetsgemeinschaft – das war „unsere“ Weihnachtsfeier.
Inzwischen war zwar halb fünf, aber irgendwie fühlte es sich komisch an, in der hellen Hitze schon Bescherung zu machen. So warteten wir für einige Stunden, bis es dunkel wurde. Inzwischen fiel wieder einmal der Strom aus, deshalb machten wir unseren Generator an, um die Lichter des Weihnachtsbaums zum Strahlen zu bringen, bis der Strom schließlich zurückkam.
Dann saßen wir zusammen, packten Geschenke aus und lasen die Weihnachtskarten, die uns gesendet wurden. Anschließend kam spontan eine Freundin vom Campus vorbei, worüber wir uns sehr freuten.
Am Ende klang der Tag ganz entspannt aus – mit originalen Butterspekulatius aus Deutschland (Danke, Beate!). Heilig Abend einmal neu begangen!
