Märkte gibt es ja überall auf der Welt. In Deutschland an manchen Wochentagen oder mitunter auch in der ganzen Woche. Stände, an denen man in der Regel Lebensmittel oder Blumen kaufen kann. Gelegentlich finden sich Verkaufswagen, in welchen andere Dinge angeboten werden.
Auch in Sierra Leone gibt es viele Möglichkeiten einzukaufen. Es gibt Supermärkte, in welchen man wirklich fast alles bekommt – allerdings auch zu deutlich teureren Preisen und man findet hier kaum Einheimische. Bisher haben wir fast überwiegend dort eingekauft. Zum einen der Hygiene wegen und zum anderen, weil man hier auch eher die Dinge bekommt, die wir kennen und mögen. Wobei manches einfach viel zu teuer ist und wir verzichten.

Wenn Einheimische einkaufen, gehen sie zum „Markt“. Jeder Ortsteil hat einen solchen – je größer der Ortsteil desto größer der Markt und die Möglichkeiten. Die Märkte sind oder befinden sich fast immer an verkehrstechnischen Knotenpunkten. Also dort wo Kreuzungen sind – sich die Haltestellen aller Taxis (Busse – Autos – Mopeds – Kekes) befinden und dadurch kann man einen Markt schon von weiter Ferne gut erkennen. Hohes Verkehrsaufkommen und unglaublich viele Menschen – ein absolutes Gewusel – hier gilt es höchst achtsam zu fahren und zu navigieren!
An diesen Orten findet man auch Verkehrspolizisten, die gewährleisten, dass die Taxis nicht genau auf der Kreuzung oder in zweiter Reihe ihr Be- und Entladen vornehmen – manchmal gelingt das auch. Allerdings hat man teilweise auch den Eindruck, dass diese Damen und Herren das Chaos noch unterstützen.

Die Märkte sind das Herzstück des Sierra Leonischen Lebens – hier trifft man sich – quatscht – handelt und verbringt Zeit, um seine Alltagsbesorgungen zu machen.
Uns wurde abgeraten, den Markt alleine zu besuchen und das war uns zu Beginn auch nur recht. Wer weiß, was dort passiert? Wie die Menschen auf den einzigen Weißen reagieren und bekommen wir überhaupt vergleichbare Preise angeboten? Werden wir ständig belagert und überhaupt? Uns wurde im Vorfeld so viel erzählt und geraten. Wir hatten nur unsere bisherigen Erfahrungen aus Kenia, Marokko, Novosibirsk oder Ägypten – was interessant war.

Mittlerweile war Christina mit einer Freundin vom Campus schon auf einem der Märkte, um Stoff für Hosen für Nathanels Schuluniform zu kaufen. „Die starren sie alle an! Als ob die noch nie einen Weißen gesehen haben!“
Ja das ist so! Egal wo wir unterwegs sind, wir werden wahrgenommen – fallen auf – die Blicke richten sich automatisch auf uns und gehen mit uns mit – wie ein Scheinwerfer. Ob wir in der Kirche – auf dem Campus (gut das ist jetzt ein bisserl normaler) oder mit dem Auto unterwegs sind – es ist halt so!

Als Ralf zum ersten Mal in der „Werkstatt“ (oder Schrottplatz) wegen der Reparatur des Turboladers war, ist er über den Markt nach Hause gelaufen und fand das äußerst klasse. Klar wird man angesprochen – ist vieles befremdlich und der beständige Lärmpegel macht es schwierig, die Leute zu verstehen – sofern sie sich überhaupt trauen mit dir zu reden bzw. Englisch können. Aber sie sind durchweg höflich – laden zum Schauen ein und sind äußerst hilfsbereit. Noch kein einziges Mal haben wir hier die Situation gehabt, die uns aus Marokko äußerst negativ in Erinnerung geblieben ist, dass uns Waren aufgedrängt und unser „Nein!“ nicht akzeptiert würde. Hier geht es respektvoller und vorsichtiger zu. Wer uns Waren anbietet, stellt sich einfach neben uns, schaut oft sogar in eine andere Richtung und wartet, bis wir ihn/sie wahrgenommen haben. Gehen wir darauf ein – super. Wenn nicht, zieht die Person mit ihren Waren weiter.
Als Ralf nun zum wiederholten Mal – diesmal wegen der Klimaanlage des Autos – in der „Werkstatt“ war, hat er die Zeit der Reparatur genutzt, um sich etwas umzuschauen. Dabei hat er einen „Laden“ gefunden, wo er einen Feuerlöscher, ein Warndreieck und einen Spanngurt kaufen konnte – mit freundlicher Hilfe eines der jungen Männer, die beim Autoreparieren herum standen.

Ja bei manchen muss man handeln, damit man einen ähnlichen Preis wie die Einheimischen erhält. Doch zum einen gehört Handeln ein wenig zum Lebensalltag und zum anderen sehen sie einem an, das man kein Einheimischer ist und damit mehr bezahlen soll. Aber inzwischen haben wir folgenden Eindruck: In der Regel erhalten wir, vor allem auf den Märkten, dieselben Preise wie alle anderen auch.
In diesen Läden sind die Preise im Vergleich zum Westen ohnehin deutlich geringer. Ob Motoröl – Fußhocker – Einfüllstutzen – Kanister oder Feuerlöscher und Warndreieck etc.: deutlich geringere Preise.
Was wir als Problem wahrnehmen sind nicht die niedrigen Materialkosten, sondern dass sie hier kaum ein Verhältnis zur eigenen Leistung und Arbeit haben. Welcher Handwerker in Deutschland würde etwas reparieren und anschließend nur die Materialkosten in Rechnung stellen?? Hier haben wir das schon öfters erlebt. Das Bewusstsein des Wertes der eigenen Arbeit scheint astronomisch gering. Sicher weil ansonsten kaum einer sie bezahlen könnte oder zu ihnen käme und sie somit keinerlei Einkommen hätten. Aber weil es uns sonst oft beschämen würde, geben wir, wenn es um die Lohnkosten geht, mehr als verlangt wird. Selbst das ist noch immer unendlich weniger als in D – aber das kann man eh nicht vergleichen. Menschen hier leben zwangsläufig von der Hand in den Mund, dankbar für ihre Arbeit und dankbar, einen weiteren Tag bestanden zu haben.
Also Ralf hat nun für das Fahrzeug, das uns von der BCSL zur Verfügung gestellt wurde, einen Feuerlöscher und ein Warndreieck gekauft. Nun ist dem Gesetz genüge getan und die nächste Kontrolle kann kommen, ohne dass Gefahr bestünde, in Schwierigkeiten zu gelangen.

Nach vier Stunden Wartung der Klimaanlage war der Wagen wieder hergestellt und sie lief erstmals ordentlich. Jetzt kühlte sie so stark wie wir es noch nie in der ganzen Zeit hier erlebt hatten – schnell ausmachen, denn das sind wir nicht gewohnt. Dabei wurden Flüssigkeiten aufgefüllt – der Filter für die Klimaanlage erneuert (so einen dreckigen hat Ralf noch nie gesehen) – Sicherungen und Kabel wurden ausgetauscht und mal sehen, wann der nächste Aufenthalt in der „Werkstatt“ ansteht. Es ist schon interessant, dass bei dem Fahrzeug, seit Ralf es nutzt, sehr viele größere und kleinere Reparaturen anfallen. So kommt wahrhaftig die Frage auf, was Ralf bloß für ein Fahrer ist, dass bei einem so wunderbaren und guten Fahrzeug, das sich in einem sehr guten Zustand befand und gerade fünf Jahre alt ist, nach drei Monaten des Fahrens so viele Probleme anfallen …

Aber auch hier ist Hilfe unterwegs und wird geholfen – also small small.
Während also Ralf sich mit Amadu (CampusKFZler) am frühen Abend wieder auf den Weg nach Hause machte, wollte er noch Brot kaufen. Er wollte das an einem der Stände auf dem Markt tun, was er auch bereits vorher mehrfach gemacht hatte. Amado meinte, er wüsste wo und steuerte einen kleinen lokalen Supermarkt an. Ralf meinte darauf, ob Amadu auch dort für seine Familie einkaufen gehen würde? Verunsichert lächelnd verneinte er – weil es einfach zu teuer ist und er wenn überhaupt, dann auf dem Markt einkaufen gehen würde.
Genau das mache ich auch, meinte Ralf. So sind wir dann zum Markt in Jui gefahren, haben an der nächstmöglichen Stelle den Wagen abgestellt und Ralf hat Brot („Baguette“) gekauft – vier kleine für Familie Döhring und vier große für die Familie von Amadu. Es ist unglaublich: wenn man einem Sierra Leoner etwas schenkt, freuen sie sich wie die Schneekönige – ein Strahlen geht über das ganze Gesicht und überschwänglicher Dank verfolgt einen. Auch wenn wir sie loben und wertschätzen, ist es genauso – das erstaunt uns immer wieder.
Aber nun zurück zum Markt. Die Märkte hier sind sehr unterschiedlich aufgebaut – ganz oft befinden sie sich entlang den Straßen. Dicht bei Dicht stehen die Buden – manche feststehend – viele Händler aber auch davor, daneben und drum herum freistehend und bieten ihre Waren auf dem Boden, in Körben oder auf kleinen Tischen feil. Alles offen ausgelegt, damit sich der Kunde das Beste heraussuchen oder ertasten kann! Ob Obst – Gemüse – Gewürze – Stoffe – Kleidung – Technik – Fleisch oder Fisch – Schulhefte – Haushaltsutensilien – alles für das Auto. Manche Bude hat sich auf etwas spezialisiert, andere sind voll von den unterschiedlichsten Dingen. Daneben gibt es auch die „fliegenden“ Händler, die ihre Ware mit sich rumtragen – auf dem Kopf oder am Körper und diese anbieten – v.a. bei den im Stau stehenden Autos oder anhaltenden Taxis: Duschgel, Taschentücher, Brot, Ersatzteile, Flipflops etc.

Der Markt in Jui ist ein echtes Erlebnis. Wir hatten bisher immer nur die Buden bei der Einfahrt nach Jui wahrgenommen. Davon abgehend fiel unser Blick im Vorbeifahren auf eine kleine Gasse (dunkel – dreckig – eng), an der sich die „Läden“ zu beiden Seiten aneinanderreihen. Durch diese hohle Gasse …
Als Ralf vor einiger Zeit mit einem Studenten unterwegs war, um einen Einfüllstutzen zu kaufen, wollte der Student am Markt herausgelassen werden. Er würde das Teil für uns suchen. Ralf solle schon nach Hause fahren.
Nein! Da will ich mit! Solch eine Gelegenheit lässt man sich nicht entgehen. Und damit auf gehts und ab in die Gasse, auf zum „wahren“ Jui Markt. Was dann kam, hat Ralf noch nie gesehen – selbst nicht auf den Märkten in Novosibirsk oder Ägypten.
Das erinnerte ihn kolossal an Szenen aus den James Bond Filmen – überfüllt – chaotisch – dunkel – schmutzig und doch ein total interessantes Flair. So gingen wir erstmal in diese enge, dunkle Gasse hinein. Dann erfuhren wir, wonach wir suchen, soll es in einem anderen Teil des Marktes geben. Also ging es kurzerhand rechts in einen Seitengang. Dieser war so eng, dass neben Ralf kaum eine weitere Person entgegenkommen durfte – naja ein bisschen Übertreibung schadet nicht – es war eng! Dieser „Gang“ erinnerte mehr an einen Abflusskanal, über den sie zum nächsten Teil des Marktes gingen. Alles war mit Tüchern oder Decken von oben abgedeckt, so dass kaum Sonne hereinfiel. Die Stände dicht an dicht – die Gerüche extrem unterschiedlich (Fisch, Meerestiere, Fleisch. Gewürze .. offen ausgelegt) und in aller Enge überall Menschen, die verkaufen, kaufen, handeln oder einen Schnack halten. Doch auch hier fanden wir nicht, was wir suchten. Aber da drüben, da sollte es zu finden sein. Also weiter zum nächsten Teil des Marktes, wieder durch einen dunklen, engen Gang – mit einem Auge nahm Ralf im Vorbeigehen einen Raum wahr, in welchem Spielkonsolen und Bildschirme aufgebaut waren – eine Spielhölle oder wie sagt man?

Am Ende erreichten wir wieder die Hauptstraße. Dort fanden wir dann das gesuchte Teil und sind zum parkenden Auto um die Ecke zurückgegangen. Das war richtig klasse – so spannend und tatsächlich überhaupt nicht bedrohlich oder beängstigend. Die Menschen sind hier eher scheu und wissen nicht so recht, wie sie mit einem Weißen umgehen sollen. Aber wenn man fragt und lächelt, dann hellt sich meist das ernste Gesicht auf und wird ebenfalls freundlich.
In den Tagen darauf sind Christina und Ralf allein zu einem Markt nach Wellington gefahren. Wir benötigen zwei neue Hosen für Nathanael – Hilfe, der wächst so schnell! So brauchten wir für den Schneider den notwendigen Stoff dazu. Christina hatte sich den Laden gemerkt und so machten wir uns auf ins Abenteuer.

Auch hier das Auto irgendwo parken und dann ab ins Getümmel. Je dichter man an die Hauptschlagader kommt, desto mehr Menschen. Das krasse ist immer wieder, dass auch Autos und LKWs in den eh schon engen Gassen fahren, die mit Waren und Menschen zugestellt sind. So wird es schon mal eng und brenzlig, auch weil die Bikes (Motorräder) immer noch schnell an allem vorbei sausen. Aber dadurch darf man sich nicht schocken lassen – es geht immer irgendwie.

Auch hier erlebten wir wie fair wir behandelt wurden – offen und freundlich und wir bekommen die gleichen Preise wie die Einheimischen auch (hatten uns vorher erkundigt, wie viel z.B. eine Limette kostet), das bringt uns zum Umdenken. Wir stellen fest, wir gehen gerne auf den Markt!
Klar wir sind Attraktion, aber mal ehrlich, wer liebt nicht ein bisschen Aufmerksamkeit … Und sicher, hinterher sind wir gestresst und erschöpft. Das ist halt so bei vielen Menschen – viel Lautstärke und Verkehr – viel Konzentration – das kostet eben Kraft – aber macht auch ordentlich Spaß!
