Erntedankgottesdienst 30.10.2022

Durch Christinas Lehrtätigkeit kommt sie unweigerlich mit etlichen Studenten der Theologie in Kontakt. Mittlerweile umfassen ihre Klassen Stärken zwischen 9 bis 15 Studenten pro Vorlesung.

Es geht an die ersten Hausarbeiten – Themenbesprechung und Themensuche – alles zum ersten Mal und sehr aufregend, aber erfüllend.

Es kommt auch vor, dass mancher Student das Gespräch mit der Dozentin sucht – einer davon ist D. Schon von Beginn an hat er Christina um Rat gefragt, auch Zuhause – wir leben ja auf dem Campus, wo das möglich ist. Manchmal wollte er einfach Hallo sagen, manchmal bat er um etwas zu trinken, oder eben auch um ein Gespräch.

Mittlerweile hat sie ein Büro, welches die wunderbare Gelegenheit bietet, solchen Besprechungen einen besseren Rahmen zu geben.

D. kam mit vielen Dingen. Vor ein paar Wochen kam er mit der Frage, ob Christina wohl in seiner Kirchengemeinde predigen würde. Sie hätten dort eine Jugendevangelisationswoche zu Erntedank und würden mit einem Gottesdienst am Sonntag 30.10.2022 enden. Sie sollte gerade die jungen Frauen in den Blick nehmen und mit ihrer Predigt ermutigen.

Christina meinte, sie müsste da erstmal Ralf fragen. Und der war nicht wenig verwundert, da er bisher noch nie um Erlaubnis gebeten wurde, ob er einem Predigtdienst von Christina zustimmt? Aber nun gut, wir leben hier in einem doch eher patriarchalisch geprägten Land, da ist das dann wohl angemessen …. oder es ging eher um den Fahrdienst, da Christina hier immer noch nicht allein Auto fährt? Wie auch immer – nach dem sie ihren Mann gefragt hatte und der seine Zustimmung dazu gab, stand ihrem ersten Predigtdienst in Sierra Leone nichts mehr im Weg.

Bis dahin waren es noch knappe drei Wochen Zeit, um sich auf das ihr vorgegebene Thema „Whose child is that?“ (Aus welcher Familie kommst Du? – 1.Sam17, 58) vorzubereiten.

Von da ab kam D. fast jeden Tag mit etwas Neuem. Er brauchte ein Portraitfoto von Christina – sieht das Plakat so in Ordnung aus – kann es so in Druck gehen. Er nahm seine Aufgabe sehr ernst.

Das hat was oder? Auch wenn wir keine Plakate gesehen haben, so müssen Flyer erstellt worden sein.

Allerdings erzählte er in den Treffen immer wieder davon, wie wenig Geld er hat – dass er die Studiengebühren kaum zahlen kann – dass Dozenten nicht gut auf ihn zu sprechen sind – er Hunger hat – sein Laptop kaputt ist etc. Im Grunde sind diese Themen nicht selten – sie begegnen uns an fast jedem Ort.

Es ist herausfordernd, einen ausgewogenen Weg von Hilfe – Zuwendung und gesunder Abgrenzung zu finden. Jedes Helfen muss überdacht sein, denn es führt zwangsläufig zu folgenden Fragen: Warum hilfst du dem anderen, aber nicht mir? Du hast einmal gegeben, jetzt musst du immer was geben! Man hilft nie nur einem einzelnen, sondern immer dem Kollektiv.

Wenn also hier jemand zu uns sagt, „wir sind Freunde“, dann heißt das ganz oft: du sorgst für mich! Immer mal wieder kommen Jugendliche und sagen, adoptiere mich als deinen Sohn oder Tochter – was bedeutet, ab jetzt trägst du die Verantwortung für mich und meine Versorgung in allen Lebensbereichen.

Also small small – „Überlege gut, ob du das, was du einmal tust, auch auf Dauer tun kannst!“ Ein weiser Rat, der uns hier gegeben wurde. Es fällt schwer, sich daran zu halten. Aber wir spüren, dass er sehr wichtig ist.

Die Bitten von D. nach Essen, Versorgung und Geld nahmen zu. Zu guter Letzt kam er mit dem Gedanken, dass Christina auch die Veranstaltung, auf der sie predigen sollte, finanziell unterstützt. Die Gespräche mit ihm nahmen immer mehr Raum ein, so dass sogar einmal unser Sohn schauen kam, mit wem ich da so lange vor der Tür stehe und warum der gar nicht mehr geht.

Das war dann doch irgendwann suspekt, so dass sie den Rektor darauf ansprach. Die Einladung zur Predigt – was für eine Gemeinde das ist und wie sich so manche Aussagen und Verhalten von D. einordnen lassen.

Christina sollte aufgrund der Begleitumstände die Predigtanfrage ablehnen und ihre bereits gegebene Zusage zurücknehmen, meinte dieser. So ein Verhalten ginge gar nicht. Wir sollten außerdem bitte darauf achten, ob die Gemeinden, die uns anfragen, bekannt sind und mit anderen Christen zusammenarbeiten – oder eher sektiererisch sein könnten. Die Eltern von D. kennt der Rektor jedoch gut und der Vater hat mit ihm zusammen studiert – er weiß also: die Eltern können die Studiengebühren zahlen. Er wird mit D. persönlich das Gespräch suchen und Christina sollte absagen.

Nach dem Gespräch sagte sie den Predigtdienst ab und teilte D. mit, dass sie das in Empfehlung vom Rektor tut, der ein Gespräch mit D. wünscht. Daraufhin kamen noch ein paar Nachrichten von D., der das gar nicht verstehen konnte. Einige Tage später, nach dem Gespräch von D. mit dem Rektor, meinte dieser zu Christina, sie könne den Predigtdienst nun doch gerne zusagen – es habe sich etliches positiv geklärt. Für manche Studenten ist es eben herausfordernd, jemanden aus Europa hier zu haben, sehr verlockend, einen persönlichen Vorteil zu suchen. Da muss dann ein Gespräch mit dem Rektor helfen.

Also nun doch ein erster Predigtdienst – Christina sagte nun wieder zu. Dann fragte sie, wo die Gemeinde denn ist und um welche Uhrzeit der Gottesdienst stattfinden würde. D. wollte uns abholen, weil es etwas versteckt liegt und er so auch besser für unsere Sicherheit sorgen kann – Sicherheit???

Der Gottesdienst beginnt um 12 Uhr, aber es reicht, wenn sie um 13.30 Uhr kommt! Doch Christina wollte gerne schon von Anfang an mit dabei sein, um die Gemeinde kennenzulernen, und so wollten wir uns rechtzeitig auf den Weg machen.

Dann teilte D. uns mit, dass er uns doch nicht abholen kann. So fragten wir den Fahrer des Rektors, ob er uns fährt und weiß wo das ist. Wir schickten verschiedene Studenten zu ihm, um ihm den Weg genau zu erklären. Doch kurz vorher musste auch er absagen, weil der Rektor ihn brauchte. So fuhren wir letztendlich alleine mit einem Stadtplan auf dem Handy und der vagen Vorstellung, wo in etwa die Gemeinde zu finden ist. Wir hatten ja auch noch D.s Telefonnummer – falls wir die Gemeinde gar nicht finden würden, die im Grunde nicht weit von Jui entfernt liegt.

Vorne rechts kam die Musik her – war die Gemeinde – davor sollten wir parken und links ging es den Abhang runter – aber die Aussicht war toll!

Am Sonntag machten wir uns also um 11.30 Uhr auf den Weg und fanden tatsächlich mit Stadtplan  die erste Abzweigung und dann auch die zweite. Aber dann wurden die Wege immer löchriger – holpriger – enger und steiler – so dass wir zu guter Letzt doch das Handy zu Hilfe nahmen – nur war D. gar nicht erreichbar. Aber dann klopfte ein schüchternes junges Mädchen an der Autotür – sie sagte, dass sie D. holen würde. Siehe da, wir standen kurz der Gemeinde – der Lärm von lauter Musik hatte uns doch die richtige Richtung gewiesen! Wir waren pünktlich da.

Der Ausblick! Auf der anderen Seite vom Fluss, liegt rechts JUI

Wir wurden von D. in Empfang genommen und gleich zu seinem Vater, den Leiter und Gründer der Gemeinde geführt. Wir durften bei ihm ins Haus und dort Platz nehmen – das ist wirklich selten, weil sich die meisten Menschen davor scheuen, uns „reiche weiße Europäer“ rein zu lassen. Eine Ehre für uns.

Dort saßen wir dann erstmal eine halbe Stunde, unterhielten uns mit dem Pastor, nahmen noch unverhofft an einem Traugespräch teil, das gerade dort stattfand, und auf die Frage, ob wir nicht zum Gottesdienst sollten, hieß es, wir haben noch Zeit. Neben uns schliefen zwei Kleinkinder auf dem Teppich, so friedlich, dass wir sie erst nach einer Weile bemerkten. Um uns herum war ein Kommen und Gehen. Alle im Haus zogen sich um, frisierten sich die Haare und machten sich zum Gottesdienst fertig.

Da saßen wir nun

Gegen 12.30 Uhr machten wir uns dann über das Grundstück auf den Weg zur Gemeinde und betraten den Gottesdienstraum. Die Musik und Gesang waren schon voll im Gange – Besucher waren jedoch zunächst spärlich anwesend, vielleicht 30 Personen in einem großen Raum. Wir sollten oben auf der Bühne Platz nehmen – da wir Nathanael zu Hause gelassen hatten, haben wir das guten Gewissens getan.

So standen wir dann dort auf der Bühne beim Singen allein – der Pastor war dann mal woanders hin verschwunden. Vor uns die Kanzel, neben uns ein geschmückter Weihnachtsbaum – und uns zu Füßen die paar Leute, die in Lobpreis vertieft war – wie immer sehr laut und so sind wir für Ohrenstöpsel dankbar.  

Das waren zum Zeitpunkt unseres Eintreffens fast schon alle

Gegen 13.30 Uhr kamen dann doch ein paar mehr Menschen – so dass der Raum am Ende gut gefüllt war (ca. 80-100 Leute). Wir haben sie herbeigesungen!

Christina bei der Vorstellung und rechts Pastor und dahinter Jugendpastor

Jetzt war es Zeit für die Begrüßung durch den Jugendpastor – es war ja eine Jugendveranstaltung. Dann sang der Jugendchor noch ein paar Lieder. Als nächstes kam der Jugendpastor mit einer Schüssel nach vorne und hielt diese hoch. Darin waren unzählige Lutscher und diese sollten zunächst für 20 Leones / Stück versteigert werden (ca. 1,70 Euro). Darauf ging niemand ein. Dann für 10 – 5 – 2 Leones – (die Geschichte kenne ich, frei nach 1. Mose 18). Interessante Art des Fundraisings. Nur wofür das Geld war, das blieb uns unklar. Nach 20 Minuten wurden die restlichen Lutscher wieder eingepackt und das nächste Lied wurde gesungen. Dann wieder Auftritt des Jugendpastors. Diesmal sollten sich die Jugendlichen vorne aufreihen und die Gemeinde konnte sie mit Geld auslösen. Nach weiteren 15 Minuten war der letzte Jugendliche ausgelöst und die Jugendgruppe einer Nachbargemeinde beteiligte sich mit einem Lied. Das teilte uns der Pastor mit, der zwischenzeitlich wieder erschienen ist … kurz bevor er wieder verschwand. Überhaupt war während des Gottesdienstes viel Bewegung im Raum, Menschen kamen und gingen permanent.

Die Jugendlichen die ausgelöst werden sollten

Dann kam die offizielle Kollekte – dreimal hatten wir die Gelegenheit, für Anliegen der Gemeinde zu geben. Sie wollen das neue Gebäude fertigstellen und den nackten Lehmboden mit Bodenfliesen verkleiden.

Schließlich, gegen 14.15 Uhr wurde Christina vorgestellt und nach einer Textlesung und einem Sketch der Jugendlichen, den wir leider auch nicht verstanden, zur Predigt eingeladen. Sie machte ihre Aufgabe sehr gut. Es ist ja nie einfach, in einer fremden Sprache und einer so anderen Kultur zu predigen. Sie schaffte es sogar auf 40 Minuten, was für sie sehr lang doch für hier eher zu kurz ist.

Während der Predigt

Danach gab es eine Gebetszeit und die Möglichkeit eine Entscheidung für Jesus zu treffen.

Dann übernahm wieder der Jugendpastor und es wurde erzählt und gesungen und …. wir machten uns dann noch vor Ende der Veranstaltung gegen 15.45 Uhr auf den Weg nach Hause, wo Nathanael uns kaum vermisst hatte – aber Hunger hatte er und wir auch.

Auf dem Weg

Wir hatten schon im Vorfeld gehört, dass manche Gemeinden Erntedank zum Fundraising nutzen und dies war der Erntedanksonntag der Gemeinde. Ralf hat dabei gemerkt, dass Jugendarbeit auch ganz anders aussehen kann als er es gewöhnt ist – hat aber nicht wirklich empfunden, vorher etwas verpasst zu haben.

Verwundert waren wir über die Abwesenheit des Leiters in der meisten Zeit des Gottesdienstes. Auch D., der Jugendpräsident, war oft außerhalb des Gebäudes – einfach so busy, die Leute.

Nach einem lecker Essen zu Hause – Reis mit Hühnchen, einer Tasse Kaffee und etwas Pause machten wir uns dann auf den Weg zum Campus-Abendgottesdienst. Damit ging dann wieder ein schöner und gefüllter Tag zur Neige – Danke Gott, für solche Erfahrungen und Bewahrungen!

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