Immatrikulation 10/2022

Gut Ding braucht Weile, oder „slow slow“, wie man hier sagt. Nachdem nun das neue Semester seit sechs Wochen den Betrieb aufgenommen hat, fand in dieser Woche die Immatrikulation, öffentliche Einschreibung, am T.E.C.T statt.

Zum Vergleich: wer an der Theologischen Hochschule Elstal sein Studium beginnt, für den findet in der Regel die Eröffnungsfeier noch vor Semesterbeginn statt.

So sah der Veranstaltungsort aus, als wir auf dem T.E.C.T. ankamen

Hier nun also sechs Wochen später, mitten im Studienbetrieb. Das liegt daran, dass sich bislang noch immer neue StudentInnen bewerben konnten. Denn die staatliche Zulassungsbehörde (WASSC) braucht sehr lange, um die Genehmigungen zu erteilen. Und ohne eine Genehmigung durch die WASSC ist ein Studium nicht möglich.

So am Tag der Immatrikulation

Deshalb also jetzt erst die Immatrikulationsfeier – ein wichtiger und bedeutender Tag, der gebührend gefeiert werden wollte. Knapp 100 neue Studierende schrieben sich feierlich ein – nicht alle studieren Theologie. Hier kann man auch Peace and Development Studies, Christian Ministry und Business/ Anministration studieren. Ab heute dann, wurde niemand mehr aufgenommen, trotz das nach der Veranstaltung sich noch mancher anmelden wollte – rien ne va plus!

Zur Immatrikulation, die Open Air stattfand, waren Angehörige eingeladen, Vertreter der Kirchenbünde, die das T.E.C.T. gemeinsam verantworten, und natürlich Dozenten – Studenten – de Fambul (die TECT Familie) und auch Alumnis (ehemalige Studenten). Besonders war, dass ein Kameramann für das Fernsehen die Veranstaltung aufnahm. Wir denken, an diesem Tag waren so um die 300 – 400 Personen anwesend.

Schon in den Tagen davor waren die Anzeichen für diesen bedeutsamen Tag wahrzunehmen: Rasen gemäht – Gebäude gereinigt – TECT-Schlipse wurden gekauft – der Platz vorbereitet und es wurde fleißig geübt. Ein Chor der Studentenschaft hatte sich gebildet. Wer wo sitzen würde, Abläufe etc.

20 Minuten vor Beginn – es mußten noch etliche Stühle nach geholt werden!

Zwei Tage vorher erfuhr Christina, dass sie für die Eingangshymne eingeteilt worden war.

Einschub: Als die Dozenten spitz bekommen hatten, dass Christina Klavier spielen kann, wurde sie fester Bestandteil der Gottesdienste auf dem Campus. Jeden Sonntag- und Mittwochabend, Di und Do Vormittag hat sie Keyboard-Hymnendienst. Auch, wenn es zusätzliche Veranstaltungen gibt.

Allerdings hat sie darauf bestanden, dass sie nur die Lieder spielt, von denen Noten vorhanden sind und die sie vorher üben konnte! Also, wer möchte, dass sie die Musikbegleitung macht, muss ihr die Lieder vorher zukommen lassen! Sie blickt regelmäßig in erstaunte Augen, weil manch einer nicht verstehen kann, dass Klavierspielen anders ist als Lesen. Das geht doch auch spontan? Christina weigert sich, unbekannte Lieder vor Publikum vom Blatt zu spielen – zumal viele Hymnen 5-6 Vorzeichen haben. Manche sind uns schon aus Deutschland bekannt, wobei es immer mal wieder vorkommt, dass die Gottesdienstbesucher eine andere Melodie singen als im Buch steht.

Ein Platz an der Sonne – allerdings „nur“ beim Spielen

Warum? Nun ja, die meisten – oder alle die wir hier kennen – können keine Noten und so spielen sie einfach nach Gehör und Gefühl, oder in Nutzung von ein-zwei Tonarten parallel. Und so haben sich manche Lieder von alters her so überliefert und wurden bis auf den heutigen Tag mit dieser Melodie gesungen.

Wurden? Eben bis auf den heutigen Tag. Denn nun ändert sich das. Jetzt ist Reverend Missis Christina Döhring, eine professionelle Klavierspielerin da und lehrt die Lieder richtig zu spielen und zu singen. Das wurde tatsächlich so von vorne gesagt und Respekt und Umlernen eingefordert – Chuzpe.

Man kann sich gar nicht vorstellen, was dann geschah. Etliche Studenten und Dozenten und nicht nur diese kamen an und wollten, dass Christina ihnen Klavierunterricht gibt. Doch alleine das wäre schon ein Vollzeitjob geworden. Allerdings haben wir überlegt, dass es mehr Sinn macht, einen Einstiegskurs in Notenlesen und Musiktheorie zu geben. Dann kann man sehen, wer das Zeug und die Geduld hat, Klavierspielen wirklich erlernen zu wollen. So trennt sich dann auf gutem Wege die Spreu vom Weizen und bleibt hoffentlich überschaubar. Deshalb ist Christina aktuell auf der Suche nach einem englischsprachigen Kurs für Musiktheorie (Anfänger).

Da in den Gottesdiensten aber nicht nur Hymnen, sondern auch immer ein moderner afrikanischer Worshipteil vorkommt, sind hier andere Musiker gefragt. Meist fangen die VorsängerInnen mit einem Lied an, die Campusgemeinde stimmt ein und irgendwann hört es sich gut an. Das alles wird von jemandem am Piano begleitet, der sich da hineinfindet und erst einmal die Tonart sucht, die gerade gesungen wird. Das klappt meist dann auch irgendwann. Diese Lieder sind uns völlig unbekannt und dafür gibt es auch keine Noten – also im Moment nicht für Christina spielbar. Wir versuchen erst einmal die Texte zu verstehen und mitzusingen. Bei lautem Schlagzeug und Keyboard geht der Gesang oft eher unter und auch nach Wochen können wir von Liedern oft nur Bruchstücke.

Es ist ohnehin interessant am Liedgut festzustellen, wie eine Gemeindekultur sich verändert. Die Hymns kommen aus der Vorväterzeit (Kolonialzeit) und sind Zeichen der Tradition. Nun gibt es Gemeinden, da werden immer mindestens ein-drei Hymns gesungen – daneben aber auch immer ein Worshipblock mit moderneren Liedern. Und in manchen Gemeinden finden sich kaum noch Hymns, sondern nur modernes afrikanisch geprägtes Liedgut. Im Nachfragen haben wir die Bestätigung erhalten, dass es mit der neuen Generation der Pastoren zusammenhängt. Je jünger die Pastoren, umso mehr neueres Liedgut – das kennen wir auch aus Deutschland – wobei wir es hier nicht als „Kulturkampf“ wahrnehmen.

Aber zurück – als Christina erfuhr, das sie die Eingangshymne spielen durfte, dachte sie, da muss es ja einen Ablauf für den Tag geben und es sicher gut wäre, mal einen Blick darauf zu werfen, um Überraschungen zu vermeiden!

Und o staune – sie war auch für die Textlesung eingeplant. Bei so viel Öffentlichkeit, möchte man selbstverständlich das Renommee fördern und die einzige weiße Person ans Mikro lassen!

Textlesung

Einige Tage vorher fragte sie vorsichtshalber nach, ob es einen Dresscode (Kleiderordnung) für diese Veranstaltung gibt. Ja, alle Dozenten sollten ihre Universitätsroben tragen! Hm, ihre hat Christina 2000 in Wales ausgeliehen. Da diese bei uns nirgends getragen werden, wollten wir so hohe Kosten nicht dafür ausgeben. Also woher nun so eine Robe bekommen?

Der Rektor legte Wert auf die Robe und kümmerte sich darum, dass ein anderer Dozent seine Zweitrobe an Christina ausleihen sollte. Diese erhielt sie dann am Abend vor der Feier – Robe – Schal – Hut. Alles aus dick gewebtem Stoff (Schwitz!)

Reverend Christina Döhring

Der Tag versprach heiß zu werden und war es auch – einer der heißesten in den letzten Wochen. Wir befinden uns gerade nach der Regenzeit, der Hammartan zieht auf – heißer Wind, extreme Luftfeuchtigkeit. Bei diesem Wetter kamen alle in Amtstracht und das über Stunden – juchee.

Am Tag der Feier war schon früh morgens (6 Uhr) das volle Leben erwacht. Überall Studenten im Warten auf das was kommt, andere waren mit Aufbau und Technik beschäftigt, überall fröhliches Gelächter und Gespräche. Eine Stunde vor Veranstaltung wurde es auf dem Campus zu nehmend stiller, was bedeutete, die Studenten nahmen schon ihre Sitzplätze auf dem Feierplatz ein (noch im Schatten). Wir sollten uns nun auf den Weg machen, denn die Feier sollte um 10 Uhr beginnen.

98 Erstsemester – noch im Schatten

Bis allerdings der letzte Würdenträger da war, war es dann 10.30 Uhr. Erst dann nahm der Einmarsch der Gladiatoren seinen Lauf. Einige Minuten vorher erfuhr Christina, dass sie einen Marsch zur Prozession spielen sollte. Einen Marsch?? Christina entschied sich für das international bekannte „Heilig, heilig, heilig – Gott, dir sei Ehre“, denn dazu kann man gut prozessieren.

Der Einzug vom Dozetenkollegium und Würdenträgern

Während der Immatrikulation dämmerte ihr dann, dass wohl auch ein Auszug geplant ist. Auf kurzes Wispern mit dem Zeremonienmeister hin wurde klar, dass dem wirklich so war. Wie gut, dass die deutschen Liederbücher immer griffbereit in der Tasche sind. Diese Lieder klappen ja notfalls auch ungeübt… Wie gut, dass wir bereits in den letzten Jahren eine gewisse Flexibilität eingeübt haben.

Generell war es eine überaus feierliche und würdevolle Veranstaltung. Jeder war herausgeputzt in Roben, Anzügen, Festkleidung. Prozessionen hier, Fahnen dort, und ein großes Buch, in das sich jeder Student eintragen muss. Liebes Theologisches Seminar – ach nein, jetzt Fachhochschule Elstal – an manchen Stellen können wir uns vielleicht noch einiges abschauen, um einen solchen Tag bedeutsam und würdig zu begehen. Ralf fand schon immer, dass die Abgangszeugnisse, jedenfalls aus seiner Zeit, für ein erfolgreich abgeschlossenes fünfjähriges Studium zu unscheinbar aussahen. Aber das ist ja ein Fossil, das da denkt – heute sehen die bestimmt sehr viel eindrucksvoller aus – sind ja nun auch akkreditierte Master- und Bachelorabschlüsse.

Der Einzug fand schließlich unter Christinas musikalischer Leitung statt. Noch wenige Minuten vorher war völlig unklar, ob sie das nun machen sollte oder nicht. Als sie zum Soundcheck einige Zeilen anspielte, kam ein Student angelaufen, dass der Rektor heute ihr Spielen nicht wünsche. Es sei eine festliche Veranstaltung und ich solle heute mit den Kollegen feierlich einmarschieren, statt am Keyboard zu sein. Nur – es gab so schnell niemanden, der das übernehmen könnte. Deshalb wurde schließlich doch die Entscheidung getroffen, dass Christina den Einmarsch und die erste Hymne spielen sollte und so geschah es dann auch.

Würdevoller Einzug mit Heilig – Heilig – Heilig

Als alle angekommen waren und Platz genommen hatten, wurden die Anwesenden sehr herzlich und ausführlich begrüßt – das ist ganz wichtig und  keiner, auch nicht der Ehemann oder die Ehefrau, durften vergessen werden. Und falls doch, dann gibt es noch den Gruß an die Vergessenen.

Ein Höhepunkt war der Studentenchor, der mal eben einen T.E.C.T. Song eingeübt und gesungen hat – das hat Freude gemacht und aufgelockert.

Der Studentenchor mit dem gerade komponierten T.E.C.T. Song

Grußworte des Rektors und des T.E.C.T. Vorsitzenden (Präsident der BCSL) folgten. Dann kam eine relativ kurze Predigt über Jesus auf dem Berg der Verklärung – ihr seid am richtigen Platz – sprich beim T.E.C.T.!

Nun kam, wenn man den Ankündigungen des Vorsitzenden des T.E.C.T. folgte, ein einmaliger Akt: eine geistliche Verpflichtungserklärung, die heute in Kraft gesetzt und nun von jedem Dozenten unterschrieben werden sollte. Wir wissen nicht, ob die anderen Dozenten davon im Vorfeld wussten. Christina erfuhr davon just in diesem Moment und durfte es sich zumindest einmal anhören, bevor sie es dann öffentlich unterschreiben sollte. Im Prinzip ist es ein Bekenntnis der geistlichen Verantwortung, in der Nachfolge Jesu zu sein und gemäß der Bibel auf dem T.E.C.T. zu lehren, lernen und zu leben. Jede/r DozentIn wurde namentlich aufgerufen, kam zum Pult und unterschrieb das Dokument. Ein besonderer und zeitintensiver Moment.

Die Unterzeichnung

Doch damit nicht genug, nun sollten alle Erstsemester nacheinander nach vorne kommen – also jeder wurde aufgerufen – um nun seine Unterschrift in das Immatrikulationsbuch zu setzen. Auf Christinas Frage an ihren Sitznachbarn, wie lange das wohl dauern wird, meinte dieser 10 Minuten. Christinas Antwort „afrikanische 10 Minuten!?!“ sorgte für manchen Lacher. Es dauerte insgesamt 45 Minuten, was ja auch zu erwarten ist bei 97 StudentInnen!

Die Erstsemester – jetzt mancher unter der Sonne und mit der Kopie des College-Liedes in Händen

Nach ein paar Ansagen und einer Kollekte mit Liedbegleitung, wurde dann noch das offizielle College-Lied gesungen. Albrecht Gralle, der sicher manchem Blog-Leser bekannt ist, hat es gemeinsam mit amerikanischen Missionaren komponiert und getextet. Einige Minuten vor Immatrikulationsbeginn fand man auch schließlich die Noten und ging fest davon aus, dass Christina sie direkt nutzen würde. Doch das tat sie nicht (siehe oben).

Es wurde also a capella gesungen, allerdings ist es dafür harmonisch recht kompliziert. Während der Veranstaltung fiel jemandem ein, dass wir vielleicht zumindest den Text für alle kopieren und verteilen sollten. Gesagt, getan. Das ist hier ganz normal. Übrigens hat Christina versprochen, das College-Lied für die Gradierung im Dezember vorzubereiten und dann auch bei der festlichen Veranstaltung zu spielen.

Schließlich fand der Auszug aller Würdenträger unter musikalischer Begleitung – na – wir ahnen es – von Christina statt und damit war ein schöner – heißer und beeindruckender Vormittag (14 Uhr) rum.

Von rechts: Rev. Dr. Warren Fornah (Rektor) mit Frau / Rev. Dr. Joseph Fornah (Präsident BCSL) mit Frau / Dr. Donald Manley (Registrar) und James Sawo-Koroma (Academic Dean) / Rev. Dr. Abu Conteh (ehem. Rektor und Gastsprecher) / Rev. Christina Döhring

Im Anschluss hatten wir den Präsidenten der BCSL mit seiner Familie eingeladen und ein bisschen Gemeinschaft genossen. Ralf freut sich immer, wenn er sieht, dass auch Afrikaner schwitzen – da fühlt er sich nicht so besonders.

Ein schöner und ereignisreicher Tag, der da zu Ende ging. Und das sind nun alles Studenten, deren Abschluss wir nach zwei oder vier Jahren Studium noch mitbekommen werden – gemeinsam leben!  

Bloggen auf WordPress.com.

%d Bloggern gefällt das: