Mittlerweile ist das Dozentenleben schon Routine – naja fast. Doch zumindest liegt nun schon der erste volle Monat hinter Christina und so lässt sich erstes wahrnehmen – feststellen und anmerken.

Es kommen nun fast alle eingeschriebenen Studenten zu den Vorlesungen. Wobei der Prozess der Neuaufnahmen tatsächlich noch bis Mitte Oktober läuft. Das liegt zum Teil an dem staatlichen Zugangstest, dessen Ergebnisse erst vor Kurzem veröffentlicht wurden, und an spät gezahlten Gebühren, die nötig sind, damit man dort studieren darf.
Zurzeit nehmen an der kleinsten Vorlesung 7 Studierende teil, an der größten waren es zuletzt 15 (wobei einige nur reingeschnuppert haben, die bisher nicht ordentlich registriert sind).
Christinas Vorlesungen wurden gesamt auf zwei Tage gepackt. Das bedeutet, dass der Montag und Donnerstag dementsprechend volle Tage von früh bis Nachmittag sind.
Dazu kommen die Campusgottesdienste und Dozentenmeetings und natürlich die Vorbereitungszeit für die Einheiten.

Mittlerweile hat Christina auch ein Büro zugewiesen bekommen, so dass sie sich mit Studenten nicht mehr Zuhause, sondern dort treffen und verabreden kann.
Auch wenn das bisher noch überschaubar war, wird der Ruf nach Gesprächen mit Studenten allmählich lauter. Wir sind dankbar, dass so die Privatsphäre der gesamten Familie gewährt bleibt.
Ihre Vorlesungen machen Christina sichtlich Freude und es ist spannend, sich über die verschiedenen Themen mit den Studenten auszutauschen.
Es gibt deutliche Unterschiede zwischen einzelnen Studenten – Jahrgängen und Konfessionen. Gerade die Abgangssemester lassen theologisches Denken und Arbeiten deutlich erkennen und es macht Freude zu erleben, wie interessiert sie sind. Viele dieser Studenten sind bereits Pastoren und arbeiten gemeinsam mit weiteren Pastoren in Gemeinden der Region.

In den unteren Jahrgängen ist es dann schon auch spannend wahrzunehmen, dass Bibelwissen – theologisches Denken – Zusammenhänge erkennen und zu verstehen sehr unterschiedlich vorhanden ist. Während manche viele Bibelstellen auswendig wissen, finden andere kaum die biblischen Bücher, wenn diese aufgeschlagen werden sollen. Und wie komme ich darauf, dass die Apostelgeschichte von Lukas ist? Das war doch Paulus!
Ist Mose Christ gewesen? Dahinter verbirgt sich die Frage ob er gläubig und damit ein Gottesgläubiger – gerettet ist? Wie, gibt es etwa auch Gläubige, die keine Christen sind?
Warum ist Magie eigentlich von Gott so verhasst? Das ist sehr spannend, weil Ahnenkulte – Magie und Geisterglaube in der hiesigen Kultur verbreitet sind.
Und welcher Tag in der Woche sollte der von Gott verordnete Ruhetag sein? Und schon gibt es lebhafte Diskussionen. Am meisten Freude macht es zu sehen, wie Gelerntes hängenbleibt und reflektiert wird.
Alttestamentliche Propheten, Alttestamentliche Weisheitsliteratur und Apostelgeschichte des NT – das sind die aktuell laufenden Vorlesungen. Jede Vorlesung beginnt mit einer Andacht und Gebet. Dann wird Stoff durchgenommen, indem Christina doziert und die Studierenden mitlesen. Denn die Unterrichtsnotizen werden möglichst vorher an alle verschickt. Jederzeit können Fragen gestellt werden. Der letzte Teil einer Vorlesung besteht in Stillarbeit und der Bearbeitung einer Aufgabe am Bibeltext, die am Ende miteinander besprochen wird.
Einen Schwerpunkt legt Christina in diesem Semester auf die Heilsgeschichte, welche sich durch die Bibel zieht: Vom Sündenfall, der Urgeschichte, der Erwählung Israels bis zu Jesus, der Kirche und dem Warten auf Jesu Wiederkunft. Es ist wichtig zu erkennen, wie Gott durch die Geschichte hindurch alles daran setzt, um sich mit seinen Kreaturen zu versöhnen, damit die Stränge und Zusammenhänge zwischen Altem und Neuem Testament erkennbar werden.
Es ist spannend, uns selbst – als Europäer und Deutsche – in all dem zu beobachten und wahrzunehmen. Während wir das Individuum und die Eigenverantwortlichkeit oder Freiheit des Einzelnen (auch im Glauben) betonen und vielleicht auch überstrapazieren, sind wir nun in einer Kultur, in der die Gemeinschaft, deren Autoritäten und Gehorsam betont werden. Unterordnung und Kontrolle sind wichtige Themen. Das beeinflusst natürlich auch die Art, wie Glauben verstanden wird.

Unser Herz schlägt definitiv für die Freiheit des Evangeliums und damit auch für die Freiwilligkeit Glauben zu leben und die Mündigkeit, ihn zu gestalten. Erleben aber gerade in Europa / Deutschland, dass dies leider zu Unverbindlichkeit, Missverständnissen und nicht selten zu Abbrüchen im Glaubensleben führen kann.
Was also ist besser – hilfreicher – dienlicher um in der Nachfolge Jesu zu bleiben? Vielleicht können beide Welten voneinander lernen?