Von Seiten des Baptistenbundes vor Ort sollen wir uns in den ersten Wochen einige Baptistengemeinden der Umgebung anschauen, bevor wir uns auf eine festlegen. Das machen wir gern, ist ja auch spannend! Wir möchten uns bewusst etwas Zeit lassen, um dann zu dritt zu entscheiden, wo unser Platz sein soll.
So waren wir bereits in der Immanuel Baptist Church in Kingtom (Freetown) und in der Faith Baptist Church in Paw/Freetown.
Vergangenen Sonntag besuchten wir die Gethsemane Baptist Church in Grafton/Freetown. Sie liegt auf einem der umliegenden Hügel und ist bislang die nächstgelegene. Die Zufahrt ist bis auf die letzten 1,5 km recht gut. Das letzte Stück aber hat es in sich – wohl dem, der noch nichts gegessen hat.

Der Blick allerdings, mit dem man dann belohnt wird, ist toll und man kann vor dort auf Jui und mit etwas Phantasie auf das TECT runtersehen.
Auch hier finden von 9.15 bis 10 Uhr Bibelgruppen statt. Um 10 Uhr ist offiziell Gottesdienstbeginn. Gethsemane ist eine junge Gemeinde – ja erscheint uns fast als eine Neugründung mit einem jungen Pastor, Reverent David Conteh. Diese Gemeinde legt Wert auf Gebet und Gesang. Sie treffen sich in einem Gebäude, das sich noch im Bau befindet, und wenn wir es richtig verstanden haben, müssen Sie schon wieder umziehen, da die Schlammlawinen einiges an Schäden angerichtet haben.

Wir erlebten eine herzliche Begrüßung. Wir wurden wieder in die erste Reihe geführt und direkt mit gekühlten Getränken versorgt. Die Gottesdienstatmosphäre ist leidenschaftlich und etwas charismatisch. Es ist laut, aber ein Gehörschutz war nicht notwendig.
Das Liedgut ist wieder etwas anders als in den ersten beiden Gemeinden. In den ersten beiden wurden überwiegend Hymnen gesungen. In der zweiten gab es zusätzlich noch ein paar modernere Worship Songs.
Der Gottesdienst in der Gethsemane begann mit einem fast kämpferischen Marschlied – spannend. Es wurden gar keine Hymnen gesungen, sondern das Liedgut, das wir ursprünglich in den hiesigen Gemeinden erwartet hatten. Lieder, die zu Bewegung und Tanz einladen und auch die Kultur mehr aufgreifen. Somit war dann auch deutlich mehr Bewegung im Gottesdienst und wir erlebten zum ersten Mal, dass die Gemeinde zu den Kollekten nach vorne tanzte.
Von diesen gab es drei und auf unseren obligatorischen Sitzen in der ersten Reihe hatten wir einen guten Überblick auf das Geschehen.
Die Zusammensetzung der Gemeinde ist deutlich jünger – überwiegend Familien mit Kindern. Der Besuch lag wohl so um die 150 Personen.
Da wir noch nicht alleine fahren dürfen, sind wir auf unseren jeweiligen Fahrer angewiesen. Uns bleibt hinterher kaum Zeit, um mit Leuten zu reden oder ihnen die Möglichkeit dafür zu geben.
Die Predigt war prima und dauerte wie üblich ca. eine Stunde. Insgesamt hat uns der Gottesdienst positiv angesprochen. Einzig die Gesamtlänge von 2,5 Std. Gottesdienst ist für uns dann doch etwas gewöhnungsbedürftig. Vor allem auch, weil zu Beginn des Gottesdienstes viele Daten und Statistiken zu den Bibelgruppen – Kollekten etc. aufgezählt wurden und zudem die Ansagen einen großen Platz einnehmen. Ein bisschen unorganisiert, würde ein deutscher Pastor sagen.
Was noch interessant für uns war: Pastor David predigte über Vergebung anhand des hartherzigen Schuldners (Matthäus 18) – die Wichtigkeit von Vergebung und die Gebundenheit bzw. den Kreislauf des Bösen, wenn wir sie nicht leben.

Und so nahm er zu Beginn der Predigt die im nächsten Jahr stattfindenden Präsidentschaftswahlen in den Fokus. Bislang war es wohl so, dass Mächtige ihre Gegner klein gemacht und drangsaliert haben.
Was also passiert, wenn ein neuer Präsident gewählt wird und damit eine neue Riege von Leuten regiert? Erinnern sie sich an das Schlechte und Böse, das ihnen vielleicht angetan wurde und vergelten nun gleiches mit gleichem? Wir kommen nur aus diesem Kreislauf des Bösen heraus, wenn wir vergeben. Vergeben können wir nur, wenn wir Jesus in unseren Herzen tragen – er uns vergeben hat. Dieses Thema war sehr bewegend gerade auch im Hinblick auf die Gräuel, die viele vor einigen Jahrzehnten während des Bürgerkrieges erleben mussten. Vergebung durchbuchstabieren ist nicht selbstverständlich.
Uns begegnete hier ein mutiger junger Pastor mit einem klaren Blick für eine Zukunft in Sierra Leone. Später sagte er, wir seien jederzeit herzlich willkommen, wenn wir Gott auf afrikanische Art anbeten wollten. Das traf es sehr gut.
