Eröffnung unseres Bankkontos

Es fällt uns Menschen grundsätzlich schwer, sich auf andere verlassen zu müssen bzw. angewiesen zu sein. Wir lernen von klein auf, selbstständig und unabhängig zu werden. Das ist sicherlich ein Grund, warum wir uns mit dem Altern so schwer tun. In einer Gesellschaft von Individualisten wie wir Europäer ist das noch mal schwerer.

Hier in SL dürfen wir lernen. Alles läuft anders – braucht viel Geduld und Gelassenheit. Und einer der wichtigsten Bausteine überhaupt sind Beziehungen – ohne die geht hier gar nichts, oder es wird eben sehr schwer.

Durch EBMI und die Campusgemeinschaft des TECT haben wir ein Beziehungsgeflecht. Es ist noch völlig am Anfang, aber es ist eines da – ohne dies wären wir nicht mit dem was ist, hier angekommen: Ein Haus – ordentliches Wohnen – Kommunikationsmöglichkeiten – Mengen an Lebensmittel – Einweisungen und Hilfestellungen.

Als wir D verließen, dachten wir naiv wie wir sind, wir würden innerhalb kurzer Zeit ein Bankkonto eröffnen und bis dahin könnten wir mit Kreditkarte unser tägliches Leben gestalten.

Nun ja – das Fahren zum Einkaufen ohne Hilfe/Fahrer ist uns im Moment noch nicht möglich. Geld haben wir ohnehin noch keins. Denn schnell stellte sich heraus, dass in Sierra Leone Kreditkarten nicht funktionieren und völlig unüblich sind. Cash ist die Währung und Bargeld haben wir nicht. Zudem ist die Währung „Leone“ ein Abenteuer. Ein Euro liegt bei ca. 14.000 Leone. Nun geh mal zur Bank und hebe einen Betrag von 200 Euro ab oder bezahle im Laden um die Ecke den Betrag von 88.000 Leone!?! Schon das Zählen der Scheine erfordert Zeit und Können – überfordert uns erstmal. Denn man sollte immer nachzählen – auch bei einer Bankabhebung – ob du wirklich den gesamten Betrag erhalten hast. Bei den Mengen kann schon mal was fehlen ….

Wie glücklich sind wir, dass gerade eine Währungsreform am Laufen ist und beim Leone drei Nullen wegfallen – also ein Euro ist nun nur noch ca. 14 Leone wert. Was ein Segen beim Zählen, Geld abheben oder mit sich tragen! Doch zurück.

Die neue Währung Leone

Nach einer Woche war es soweit – endlich die Aussicht, ein Bankkonto zu eröffnen und damit eigenes Geld zu haben und selbst einkaufen und bezahlen zu können – Hurrah!

Der Präsident hat für uns vorgearbeitet – uns vorher bereits Dokumente dagelassen – Menschen gesucht – auf nötige offizielle Unterlagen hingewiesen – zwei Leumundszeugen beigeschafft.

Am Dienstag wurden wir um 8 Uhr in Jui abgeholt um in Freetown Downtown ein Konto zu eröffnen. Treffpunkt war das Büro des Baptistenbundes von SL.

Nach einer Sitzung mit den Angestellten, persönlicher Vorstellung und biblischer Betrachtung, gingen wir dann um 10 Uhr zur Bank – der RCBank. Weil es so schüttete, wurden wir die 100 Meter mit dem Auto gefahren. Jane aus der Finanzverwaltung der Baptisten war unsere Begleitung und Hilfe.

Wir betraten die Bank über das Parkhaus – einen Seiteneingang. Vorbei am Sicherheitspersonal ging es vier Stockwerke nach oben. Hier arbeitet ein Mitglied der Baptistengemeinde als Abteilungsleiter – der uns innerhalb der Bank beim eröffnen unseres Kontos helfen will – Beziehungen! Er nahm uns mit und wir gingen auf der anderen Seite des Gebäudes wieder drei Stockwerke nach unten zu einem der Schalter mit zwei Bankangestellten, die uns durch diesen Prozess führen sollten. Dann überließ er uns mit warmen Worten den beiden Damen und ging wieder an seine Arbeit.

Wir hatten alle erforderlichen Dokumente dabei – dennoch sollte noch einmal alles erläutert – fotokopiert und dokumentiert werden. Irgendwann kam uns der Eindruck, dass die Sachbearbeiterin nicht so überzeugt von der ganzen Geschichte war – wortkarg – abweisend – distanziert – so erlebten wir sie im Umgang mit uns. Aber vielleicht bilden wir uns das ja auch nur ein …

Zur Bankeröffnung war eine Einzahlung von mind. 250 Leone erforderlich. Wir hatten 150 Euro in bar – aber die konnte die Bankangestellte nicht nehmen oder wechseln. Wir sollten diese außerhalb der Bank wechseln lassen – interessant. Zwar gab es in der Bank eine elektronische Anzeige für Wechselkurse, aber wechseln ging trotzdem nicht. So gaben wir die 150 Euro Jane und die kam nach einiger Zeit mit ca. 2.000 Leone zurück.

Die Einzahlung wollte die Bankangestellte aber immer noch nicht nehmen, sondern forderte uns nach ca. 1 ½ Stunden Zettelausfüllen – Rückfragen stellen und Fotokopiererei ohne weitere Angaben auf, uns in den Wartebereich nach hinten zu setzen. Wir dachten nun wird sie alles bearbeiten und dann holt sie uns wieder zu sich. Aber nein – sie forderte andere wartende Kunden zu sich, um diese zu bedienen. Ihre Körperhaltung war wie ausgewechselt – sie lächelte die Einheimischen an – schien offen, machte Späßchen und erzählte.

Immer wieder versuchte unsere Begleiterin Jane die Sachbearbeiterin an uns zu erinnern und zu fragen, wann es weitergeht. Sie wurde stets ohne Erläuterung oder Erklärung abgewiesen. Sie griff daraufhin zum Telefon. Nach 40 Minuten kamen zwei weitere Mitarbeiter der Baptist Convention SL zu uns und nach kurzem Austausch nahm einer der beiden die Sache in die Hand. Offensichtlich erreichte ein MANN mehr bei der Sachbearbeiterin.

Es ging weiter – allerdings nicht direkt mit uns, sondern immer über Dritte. Wir bekamen am Rande mit, dass die Sachbearbeiter nicht gewillt waren, eine Eröffnung vorzunehmen und sahen schon – typisch Deutsch – unsere Felle schwimmen. Keine Bank – kein Geld – kein Leben. Naja deutscher Pessimismus eben.

Weit gefehlt, es ging weiter. Es fehle die Arbeitserlaubnis. Der Präsident meinte zu uns im Vorfeld, dass diese für Christinas Fall nicht notwendig sei. Sie ist nicht hier in Sierra Leone angestellt, sondern in Deutschland. Sie ist eben Missonarin. Nach einem telefonischen Intermezzo zwischen den Parteien war das vom Tisch.

Mittlerweile hatte eine andere, wahrscheinlich höhere Sachbearbeiterin, die Verhandlungen übernommen. Haben wir eine Aufenthaltserlaubnis? Und nein, das Visum, das in unseren Pässen auf ein Jahr ausgestellt ist, reicht nicht. Nach weiteren telefonischen Verhandlungen wurde diese Dinge zurück gestellt und die Aufenthaltserlaubnis sollte nachgereicht werden. Hm – Visa ….?!

Ein neues Problem tauchte auf: Gibt es einen Nachweis über bezahlte Rechnungen von unserem Leben hier in Jui? Wir zahlen Miete, die uns direkt vom Gehalt in Deutschland abgezogen wird – haben keine Rechnungen über Strom – Gas – Wasser etc.. Wieder ein Telefonat und kurzer Austausch.

Nächster Versuch: Gibt es eine Rechnung, mit der wir nachweisen können, in Deutschland einen Wohnsitz und ein alltägliches Leben geführt zu haben? WAS?? Wo sollen wir denn mal eben eine Rechnung für Strom, Wasser, den Öltank etc. aus Sankt Augustin her nehmen?? Jetzt hier, nur mit dem Handy? Unsere Handys waren übrigens mittlerweile schon fast leer und wir hatten kein Internet, denn Nathanael hatte aufgrund der ewig langen Warterei mittlerweile zwei der drei Handys leergespielt. Er hat das alles super ausgehalten und großartig mitgemacht!

Im Durchgehen von Ralfs Handy fanden wir dann eine Handyrechnung von Congstar. Hoffentlich haben wir Netz – die Passwörter – können sie öffnen – und den Begleitpersonen nicht nur zeigen sondern auch noch zuschicken. Weil die Bank partout eine Kopie für ihre Unterlagen machen wollte. Ist ja auch logisch ein Reisepass ist schließlich kein wirklicher Nachweis.

Wahnsinn, es klappte mit  Fotografie vom Handybildschirm – die Bankdamen verstehen zwar kein Wort des Dokuments, denn das war ja auf Deutsch, waren aber dennoch überzeugt, dass nun alles seine Richtigkeit hatte. Mittlerweile arbeiteten acht Personen an unserem Fall – wie gesagt, nicht mit uns – immer über einheimische Dritte.

Jetzt nach gut 3 ½ Stunden durften wir wieder nach vorne an den Schalter kommen, auf den Stühlen Platz nehmen – Fotos wurden gemacht – Signaturen gegeben – Dokumente unterschrieben. Unverschämterweise packten wir daraufhin den „Stier“ bei den Hörnern und baten darum, Debitkarten und einen Online Zugang zu erhalten. Wir hoffen so, zum einen Beträge in Läden mit der Debitkarte zu zahlen, zum anderen Geld an Automaten abheben zu können und zuletzt online die Kontostände abzufragen – ohne immer zu einem RBC Schalter oder in die Zentrale der völlig überfüllten und chaotischen Innenstadt zu müssen.

Doch hätten wir das nicht gemacht, wer weiß, wann wir wieder an diesem Punkt gelandet wären. Nun also weitere Formulare ausfüllen, wieder warten. Fotokopien, Gespräche (ohne uns) und Unterschriften leisten. Schließlich schüttelte uns der inzwischen zurückgekehrte baptistische Angestellte die Hand und begrüßte uns als Teil der „Bankfamilie“.

Und nach nur vier Stunden waren wir tatsächlich wieder auf dem Rückweg zum Office des Präsidenten. Wir hatten wirklich nicht mehr damit gerechnet, an diesem Tag ein Konto zu eröffnen. Und auch wenn wir glaubten, das wäre eine unglaublich lange Zeit gewesen –haben uns später etliche bestätigt, dass es eine Blitzkontoeröffnung war. Bei manchen dauert es bis zu einer Woche oder länger. Beziehungen!

Weder Nathanael noch Ralf hatten morgens etwas gefrühstückt noch haben wir etwas zum Essen und Trinken mitgenommen. Inzwischen war Nachmittag. Wir lernen dazu – keine Tour mehr in die Innenstadt ohne Getränke und Proviant … und Schlafsack??? Auf dem Rückweg hielten wir an einem Einkaufsladen und gaben unsere letzten Leones aus, um Zuhause lecker zu essen  – Nudeln mit Hühnchen.

Unsere Erkenntnis: Selbst wenn Du glaubst, es geht nichts mehr, habe Geduld und Vertrauen! Es wird schon – vermutlich anders als Du denkst.

Und es hat uns auch noch mal zum Nachdenken gebracht – was Menschen aus dem Ausland wohl bei uns in Deutschland erleben. Sicher sind die meisten Prozesse einfacher – aber doch ist alles fremd – unverständlich und wie wichtig und hilfreich sind da unterstützende Begleiter – Beziehungen!

Vorm Haus auf dem Campus – darunter lässt sich studieren

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