Nicht mehr lang und es geht zurück nach D – für eine dreimonatige Pause. Doch bis dahin ist noch einiges zu tun.

Am T.E.C.T. laufen die Klausurphasen. Begonnen haben die Abschlussjahrgänge auf Bachelor und diese Studenten sind nun wie wild am lernen. Meist sehen wir sie spät abends auf dem Gelände sitzen und wissen, auch in der Nacht sitzen sie dort um zu pauken – allein oder in Gruppen – mitunter hören wir das dann auch. Schlaf wird überbewertet, aber da ein menschlicher Körper ohne Schlaf einfach nicht auskommt – nickt dann der ein oder die andere schon mal in der Vorlesung oder bei den täglichen Geschäften ein – mitunter ist ja auch der Kirchschlaf etwas Gesegnetes – oder wie stand es da …? Und bei der momentanen Schwüle ist sowieso kaum an Schlaf zu denken ….

Auch für Nathanael ist der Abschluss seines ersten Schuljahres hier eingeleitet. Und was für ein Jahr das war – Hut ab! Fremdes Land – fremde Kultur – fremde Sprache – nicht wenig, was er da alles auf sich nehmen musste. Wir finden, er hat es gut gemeistert! Schule in einer komplett anderen Sprache bewältigen zu dürfen ist nicht leicht. Jeder Lehrer kommt aus einem anderen Land, hat seinen eigenen Akzent. Jedes Fach wird nach britischem Curriculum unterrichtet, das nicht unbedingt deckungsgleich mit dem deutschen ist. In Mathe hatte er in einem Schuljahr drei verschiedene Lehrer. Er hat das alles gut hinbekommen, auch wenn der Anfang wirklich hart war. Eine Klassengemeinschaft in der man deutlich aus dem Rahmen fällt – ist für einen Teenager nicht einfach. Doch auch das hat er gut gemeistert. Waren die Lehrer schon von Anfang an mit seiner respektvollen Art und Persönlichkeit zufrieden, so wünschten sie sich zunächst deutlich mehr Beteiligung von ihm – am Unterricht und an der Klassengemeinschaft. Nun freuen wir uns zu hören, dass sich auch das mehr und mehr ergeben hat. Der letzte Elternsprechtag hat ergeben, dass Nathanael hoch motiviert und schlau wahrgenommen wurde. Er verbesserte sich stetig von Monat zu Monat. Erstaunlich ist auch, dass seine Schrift hier ordentlich und sauber aussieht! Wir freuen uns mit ihm.
Nach wie vor gibt es Fächer oder Einheiten, die sprachlich nicht leicht fallen – oder wo einfach Wörter fehlen und dadurch Tests schlechter ausfallen als bisher – aber im Großen und Ganzen sind wir, ohne die Endergebnisse schon zu kennen, ganz zufrieden. Er hat sich darauf eingelassen – hat gekämpft – findet Schule wie auch bisher in Deutschland keine erstrebenswerte Notwendigkeit, aber hielt gut durch. Die zu erwartenden Ergebnisse sind wahrscheinlich besser als wir für das erste Jahr befürchtet hatten.

Selbst der oft fehlende oder unzulängliche Strom bzw. dessen Qualität – bringt manchmal noch einen Schrei der Entrüstung und des Ärgers, aber auch das hat deutlich nachgelassen – auch dafür sind wir dankbar. Insgesamt ist er fröhlich und positiv gestimmt.
Nach den Abschlussklassen finden dann alle anderen Prüfungen am T.E.C.T. statt. Auch hierfür wird wieder bis in die frühen Morgenstunden auf dem Gelände fleißig gebüffelt. Wir staunen – denn wir werden schon bei unserer alltäglichen Abendrunde von den Mücken gepiesackt – also wie kann man da nur die ganze Nacht draußen sitzen? Unverständlich. Auf der anderen Seite hören wir immer wieder, dass Leute durch Malaria und Typhus darniederliegen – das kann einen immer wieder treffen und kommt hier häufig vor.
Durch ihre Arbeit ist Christina sehr gut vernetzt mit Studierenden wie auch Dozenten oder deren Familien aus dem T.E.C.T. oder aus Lunsar. Über Whatsapp erhält sie Informationen, Fragen oder Bitten und erfährt, was im Leben der Einzelnen so passiert. Sie ist ständig auf dem Laufenden.

Auch mit den Frauen aus unserer Gemeinde, der Peace Baptist Church, ist das so – sie hat eine gute Art und die kommt an und ist gefragt! Sie ist freundlich, hat ein offenes Ohr, ein helfendes Herz – sehr viel Verständnis und ist Weiß! Deshalb hat sie – aus hiesiger Sicht – unbegrenzte Möglichkeiten. Und aus deren Perspektive ist das auch so.
Christina liebt ihr Handy. Sie ist ständig online, um Nachrichten, Predigten, Andachten uvm. entgegennehmen zu können. Es vergeht keine Minute in der sie nicht eine neue Nachricht oder Information erhält. Da sie kein externes Büro auf dem Campus hat (bzw. noch keinen eigenen Schlüssel für ihr Büro), haben wir ein offenes Haus – nur wenn es nach 20 Uhr im Dunkeln wieder klopft, weigern sich die Hausgenossen die Türen aufzumachen. Es sind schon genug Moskitos um uns herum und die Stiche am ganzen Körper sind Zeugen von diesen lästigen Plagen. Abgesehen davon – irgendwann ist auch gut!
Immer wieder suchen Studierende das Gespräch, rufen an oder bitten per Whatsapp um Hilfe. Mitarbeiter des Campus stehen vor der Tür mit ihren Anliegen. Andere machen Gesprächstermine aus und bringen ihre Dinge persönlich vor. Es wird Rat gesucht, Predigten verbessert, Dank ausgesprochen oder um Hilfe gerufen. So kommen hier täglich Nachrichten an von Familienangehörigen in Not – der eine ist im Krankenhaus – ein Familienmitglied gestorben – ein Unfall – eine Beerdigung – ein medizinischer Eingriff – das schien uns in Deutschland selbst als Pastoren doch überschaubarer und weiter weg. Hier gibt es jeden Tag diese Neuigkeiten und immer von Menschen, die man kennt, denen wir begegnen, mit denen wir zu tun haben – es fällt nicht immer leicht damit angemessen umzugehen oder darauf zu reagieren.

Es wird mitgeteilt, um gemeinsam das Leid zu tragen, um zu beten und sich von Gottes Gemeinschaft umsorgt zu wissen. Aber doch ist da immer auch der finanzielle Aspekt – die Medizin zur Heilung – die Ausrichtung der Beerdigung – die Fahrtkosten hin und zurück – der Unfallschaden – die Semestergebühren – Essen usw. All das kostet Geld und die Hoffnung ist weiß. Bei Kopfschmerzen können wir noch mit einer Schmerztablette helfen. Bei Zahnschmerzen ist mehr nötig. Spätestens, wenn Studierende klagen, dass sie und ihre Familien kein Essen haben, blutet uns das Herz.
Wo wir können, helfen wir – bei Medizin oder auch bei mancher Beerdigung – bei Geburten (etwas ganz Schönes) oder auch mal bei Studiengebühren – wenn aufgrund des fehlenden Geldes die Abschlussprüfung, das Diplom oder der Bachlor nicht gemacht werden kann. Oder eben immer wieder mit Lebensmitteln hier und da. Allerdings müssen wir oft auch nein sagen. Es schmerzt, wenn deshalb Studierende ihr Semester nicht beenden können, weil schlichtweg das Geld für die Studiengebühren fehlen.
Ein sehr junger Student aus Lunsar hat Christina ins Herz geschlossen und ruft jeden Tag an. Er kommt aus den Provinzen aus einem muslimischen Elternhaus. Als er sich zum Christentum bekehrt hat, wurde er von der Familie verstoßen. Dennoch durfte er weiter Zuhause wohnen – gar nicht selbstverständlich. Allerdings sagen sie, dass sie ansonsten geschiedene Leute sind. Er ist noch ganz jung – von Jesus begeistert und arbeitet als Mitarbeiter in der Sonntagsschule in einer der Provinzgemeinden. Sehr ländlich – sehr arm – sehr muslimisch und heidnisch bis okkult. Er unterrichtet Kinder und nutzt dazu biblische Geschichten – diese Arbeit macht ihm Freude und die Kinder kommen gerne.

Die Not ist groß und so möchte er ihnen helfen – etwas zu Essen und zum Anziehen geben. Denn Kleidung ist teuer und auf dem Land haben die wenigsten Geld dafür. So ist das, worin man die Kinder rumlaufen sieht, oft mehrfach getragen, dreckig – sehr „speziell“. Wir würden sagen, es sind Lumpen. Ob wir ihm Kleidung geben könnten, war seine Frage an uns?
Da Nathanael in diesem Jahr deutlich gewachsen ist, haben wir einfach ein paar Sachen ausgemustert und ihm zwei Taschen voll mitgegeben – Socken – Hosen – T-Shirts – Hemden – Unterwäsche – Schuhe.
Einen Tag später rief er an, um uns zu berichten, dass er die Sachen verteilt und dabei große Freude ausgelöst hat. Er schickte Bilder – von einem Mädchen mit einem von Nathanaels Kleidungsstücken – da müssen wir noch dran arbeiten.

Wieder einen Tag später – Sonntag – schickte er eine Whatsapp Nachricht, dass er nachher vorbeikommen will. Es war bereits Nachmittag und wenn hier jemand sagt, er kommt noch später vorbei, kann das sehr spät werden! Doch telefonieren ist schwierig – die Handys sind meist ausgeschaltet – kein Akku mehr, kein Netz oder kein Geld. Also wie können wir ihm absagen bzw. auf morgen schieben? Also whatsapp schreiben und sehen was passiert.

Gegen 18.30 Uhr klingelt das Telefon – er ist nun in Jui Junction, also kurz vorm T.E.C.T. – nimmt sich ein Bike und ist gleich da …. – na super!
Kurz vor 19 Uhr ist er dann da – zwei große Tragetaschen – einen Rucksack – und eine kleinere Tüte voll …. alles Sachen für uns!?! Die Gemeinde, die er heute noch besucht hatte, um sich danach gegen 12 Uhr auf den Weg zu uns zu machen, war von der Kleiderspende so begeistert und dankbar, dass sie uns Gutes tun wollten: zwei Säcke mit Mangos (über 100 Stück) – eine Ananas – zwei Gurken und etliche Bananen. Das alles hat er stundenlang transportiert, zuerst im Taxibus und am Ende auf nem Taxibike – unglaublich.
Wir waren platt – gerührt und meinten, das es wäre nicht nötig gewesen, die Menschen hätten das Essen doch viel mehr gebraucht als wir. Doch uns war klar, das ist die einzige Möglichkeit wie sie Danke sagen und es zeigen können. Kleidung ist teuer und das können sie sich eben kaum leisten, aber es ist Mangozeit! So haben wir uns gefreut – doch da wir keine 100 Mangos vertilgen können und wollen, haben wir sie abgepackt und an bedürftige Familien auf dem Campus verteilt. Das macht dankbar und fröhlich.

Es ist eine vollkommen andere Welt, in der wir da leben. Wenn Papa von einer Dienstreise nach Hause kommt, bringt er was Nettes für die Kinder mit – Süßigkeiten oder eine andere „kleine“ Kostbarkeit – so kennen wir das. Hier bringt Papa von der Dienstreise seinen Kindern jeweils eine kleine Gurke vom Markt mit. Zum Geburtstag gibt es, wenn es gut geht, ein musikalisches Ständchen von Freunden oder wenn er auf einen Sonntag fällt, wird man im Gottesdienst erwähnt und gesegnet – aber das war‘s auch schon. Geschenke kann sich hier niemand leisten.
Dafür sind Segnungen in Gemeinden sehr, sehr wichtig – ob zur Geburt – bei einem Verlust – für Prüfungen – oder besondere Anlässe wie Muttertag. Die Personen bzw. Gruppen werden unter den Segen und Schutz Gottes gestellt – das ist schön wahrzunehmen und zu erleben.
Nun also geht das Semester seinem Abschluss entgegen. Vorlesungen und Andachten sind längst beendet. Nun sind noch ein paar Prüfungen und Arbeiten zu benoten. Parallel werden Koffer gepackt oder Sachen verstaut. Während wir weg sind, werden hoffentlich unsere Fenster erneuert – also Lamellen „good bye“ und Schiebefenster „welcome“. Hurra! Dann werden wir mal hören, schmecken und sehen, wie sich das anfühlt – ein ganz neues Lebensgefühl, könnte man sagen – mal sehen!??!
Aber davon dann zu gegebener Zeit.

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