Hochzeitsfeier 04/2023

Am Nationalfeiertag von Sierra Leone (27.04. „Independent Day“) sollte in der Peace Baptist Church eine Hochzeit stattfinden und wir waren eingeladen – welche Ehre! Also haben wir gedacht, wir nehmen mal an einer hiesigen Trauung teil.

Schon viele Wochen vorher wurde die Hochzeit wiederholt in den Gottesdiensten erwähnt: Die „Bonds of Marriage“ wurden verlesen (Bande der Ehe). Dahinter steht die Vorstellung, dass im Baptistenbund hier eine Ehe lebenslang halten soll und sich deshalb die Brautleute vorher prüfen müssen. Also werden sie mindestens 3x in verschiedenen Gottesdiensten vorgestellt, dann liest der Pastor diesen Text und fragt alle Anwesenden, ob jemand einen Einwand gegen diese Eheschließung hat (z.B. etwas zu einem unmoralischen Lebenswandel weiß). Zum letzten Mal wird das in der Trauung selbst gefragt. Während man in Filmen kennt, dass diese Stelle eine reine Formalie ist und niemand mit einem Votum rechnet, wird hier ernsthaft gewartet, ob sich jemand meldet. Interessant…

Auf der Einladung, die wir erhielten, stand, dass es um 12 Uhr beginnt. So machten wir uns 30 Minuten früher auf den Weg. 10 vor 12 Uhr waren wir bei der Gemeinde und nach dem Parken betraten wir den Gottesdienstsaal. Ralf meinte schon vor dem Gemeindehaus, es sähe ein wenig leer aus. Dennoch waren wir überrascht, dass wir die ersten Hochzeitsgäste waren – der Saal war bis auf drei-vier Helfer und die Chormitglieder leer …

12 Uhr – da gab es doch ein Gleichnis das Jesus mal gebrauchte – Hochzeit – keine Gäste …

Gegen 13 Uhr setzte sich der Pastor nach einigen Diskussionen durch und der Gottesdienst begann – denn nun waren auch die Brautleute eingetroffen und die Pastorenkollegen sowie etliche Gäste. Das Einzugslied der Braut war überraschenderweise ein Lied, welches wir zu Weihnachten singen: „Tochter Zion“, wobei teilweise mit anderem Text. Festlich wurde einem auf jeden Fall zumute!

Die Braut mit Brautvater auf dem Weg zum Altar

Direkt vor der Braut zog noch ein kleines Mädchen, exakt wie die Braut gekleidet mit einem jungen Mann ein. Das kennen wir nicht und bisher hat uns auch noch keiner Erklären können, was es mit diesem Sierra Leonischen Brauch auf sich hat, da wir diesen bei anderen Hochzeiten auch wahrgenommen haben. Immer gibt es eine identisch gekleidete „miniatur“ Braut – mal sehen, wir finden das schon noch raus!

Nach einer kurzen Begrüßung ging es gleich in die Hochzeitszeremonie über. Hier gibt es bei den Baptisten Personen, die eine entsprechende Ausbildung und Befähigung erhalten haben, um die Trauung durchführen zu dürfen. Nach den Statuten dürfen nur diese das tun und nicht die Gemeindepastoren. Mag daran liegen, dass hier eine Eheschließung in einer Gemeinde rechtlich ausreichend ist und keine staatliche Eintragung benötigt wird.

Hinten die „richtige“ Braut und vorne die „kleine“ Braut

Doch dieser Mensch war so verpeilt und unorganisiert, dass wir uns fragten, worin die besondere Befähigung wohl liegt? Er kannte weder die vollen Namen der zu verheirateten Personen – hatte sie auch nicht vollständig aufgeschrieben – noch hatte er den Ablauf im Kopf. Er musste immer wieder von anderen Kollegen an bestimmte Punkte erinnert werden und wiederholte ständig bereits gesagte Punkte. Er forderte das Brautpaar mehrmals auf, seine Sätze zu wiederholen, wenn ihm ihr englischer Akzent nicht gefiel. Das wirkte eher schulmeisterlich und war zumindest in unserem Empfinden unangenehm und unpassend. Besonders wichtige Worte schrie er heraus, um sie zu betonen. Das nahm aus unserer Wahrnehmung dieser Zeremonie jegliche Festlichkeit und erinnerte eher an einen Slapstick.

Dieses offizielle Zeremoniell dauerte gute 30 Minuten, bis der Bräutigam den Schleier lüften (langsam!) und die Braut küssen durfte. Da waren dann alle aus dem Häuschen, andere scharten sich drum herum und filmten, jubelten, lärmten. Nun kam die Predigt, die praktisch ausgerichtet und klar in ihrer Botschaft war. Das Thema war Eheleben. Es ging um gegenseitige Liebe und gemeinsam unterwegs zu sein. Für ein Land in welchem die Rolle der Frau doch eher auf die drei großen K´s beschränkt ist, war hier wohltuend von gleichberechtigter Partnerschaft zu hören und wie wichtig Respekt ist – auf beiden Seiten.

Der Zeremonienmeister hatte seinen Spaß

Wie bei uns gibt es Trauzeugen – Männlein und Weiblein – davon waren hier für jeden acht Personen aufgelaufen. Diese saßen direkt vor uns und es war erstaunlich, die Aufmerksamkeit und Ergriffenheit dieser jungen Menschen zu beobachten – auf ihre Handys! Ob beim Singen – Beten – dem Trauversprechen oder der Predigt – sie hingen ständig am Handy – tippten – sendeten Sprachnachrichten oder telefonierten nebenher.

Nach der Predigt waren alle von ihnen verschwunden und als auch wir uns nach 2,5 Stunden (vor Ende des Gottesdienstes) auf den Rückweg machten – wir hatten uns ja schon eine Stunde warm gesessen – sahen wir sie alle draußen im Schatten an einem der Autos stehen. Was für eine illustre Gesellschaft von Wegbegleitern! Sie bekamen die Segnung des Brautpaares gar nicht mit.

Später haben wir erfahren, dass hier Hochzeiten sehr davon geprägt sind, wie man es von amerikanischen Filmen oder aus Nigera kennt. Vieles muss einfach gemacht werden, weil „andere“ das so machen – es also absolut geboten ist, das zu tun. Alle Trauzeugen tragen das gleiche Outfit – da sich das viele hier nicht leisten können, werden sie nicht danach ausgesucht, wer die engste Beziehung zum Brautpaar hat, sondern eher danach, wer sich das Outfit leisten kann – kein Wunder, das diese dann wenig bis kein Interesse an den Brautleuten haben – außer eben auf den Fotos gut auszusehen …

Die Groomsman

Der Erwartungsdruck ist ohnehin hier groß und eben auch an eine „richtige“ Hochzeit und so stürzen sich nicht wenige Brautleute in Schulden – nur für die Hochzeit. Gibt es in Europa 2-3 Blumenkinder, müssen es hier 8-12 sein. Alles soll das Normale übertreffen! Makeup, Haare, Kleidung – da darf man sich nicht lumpen.

Gefreut hat uns, dass sie am Sonntag drauf gemeinsam im Partnerlook im Gottesdienst nach vorn gebeten und vom Pastor wie von der Frauengruppe gesegnet wurden.

Bloggen auf WordPress.com.