Kaum einer mag sie – viele machen ihre Witze darüber – aber sie ist notwendig – die Bürokratie. Die Frage, die sich allerdings immer wieder stellt, ist die nach der Sinnhaftigkeit.
In Sierra Leone gibt es auch genug davon, also von der Bürokratie. Doch manches erschließt sich uns nicht wirklich und fällt auch den Einheimischen schwer, uns zu erklären.

So wissen wir, dass die Währung Leones bei der Währungsreform im letzten Jahr um drei Nullen gekürzt wurde. Also statt 1.000 ist es nun ein Leone. Wenn man sich vorstellt, dass wir für einen Euro im August 12 Leones erhalten haben und es nun im März 21 Leones sind und man sich zugleich klar macht, dass z.B. ein Liter Benzin oder Diesel 21.50 Leones kostet oder ein Brot 5 – 35 Leones (größenabhängig), dann erhält man eine Vorstellung, wieviel Geld man da täglich mit sich rumtragen muss – auch jetzt nach der Reform. Es sind Bündel!
In unseren zurückliegenden Monaten haben wir meist größere Summen von der Bank in bar abgehoben – einfach um den zeitaufwendigen Gang nicht zu häufig machen zu müssen. Wir haben stets Scheine erhalten – der größte Schein hat den Wert von 20 Leones, dann gibt es noch 10er, 5er, 2er und 1er – weiter gibt es keine Scheine.
Wenn wir also 30.000 oder 40.000 Leones abheben, ist der sprichwörtliche „Sack voll Geld“ eine ziemlich genaue Beschreibung dessen.

Auch wenn wir gehört haben, dass es Münzen geben soll, haben wir in unser bisherigen Zeit der vergangenen Monate noch keine einzige gesehen oder erhalten – weder bei der Bank noch als Wechselgeld auf den Märkten. Wir haben das als Mythos abgetan. Macht ja ohnehin keinen Sinn – eine 1 Leones Münze oder niedriger – wer will denn so viel Kleingeld tragen, um damit wirklich was kaufen zu können???
Dass es die Münzen aber gibt, haben wir in einem Erlass des Sierra Leonischen Finanzministeriums Mitte Januar gelesen. Solche Erlässe erreichen uns immer wieder über die SLIBS Gruppe. Darin steht, dass ab sofort bei jeder Bankabhebung mind. 1 Prozent der abgehobenen Summe als Münzen ausbezahlt werden soll – Tataa!!
Also – wir gehen nun zur Bank, wollen 30.000 Leones abheben und würden dabei 300 Leones in Münzen erhalten … bei jeder Abhebung!!! Wie soll man das schleppen? Brauchen wir dafür ein zweites Auto? Und was soll man damit anfangen??
Ralf würde ja dann in allen Behörden die nötigen Gebühren in Münzen zahlen (z.B. ID-Cards für 2000 Leones pro Person), die Rache des kleinen Mannes….
Aber nun gut – das geschriebene Wort bzw. der Erlass hat scheinbar keine Relevanz für den Alltag. Denn nach wie vor erhalten wir keine Münzen bei der Bankabhebung – Danke dafür!

Aber es gibt sie! Beim letzten Einkauf auf dem Markt hat Ralf doch tatsächlich eine 0,5 Leones Münze als Retour erhalten – Wunder über Wunder. Der Wert liegt bei ca. 2 Cent.
Im Dezember erreichte uns eine weitere bürokratische Kuriosität. Am Anfang unserer Zeit haben wir beim Amt unsere Aufenthaltserlaubnis beantragt und erhalten. Diese benötigten wir ja für den Aufenthalt, wie auch für andere Anliegen, z.B. für den nationalen Führerschein.

Mitte Dezember gab es in der SLIBS Gruppe das Schreiben vom Ministerium, dass jeder, der in Sierra Leone lebt, eine weitere national ID-Card benötigt und beantragen muss (ähnlich dem Personalausweis). Das ist freiwillig für die Einheimischen. Alle Ausländer jedoch sind verpflichtet, diese Karte zu haben. Mit dieser Karte kann man nicht mehr als mit allen anderen auch – also kein zusätzlicher Nutzen – jedenfalls nicht für die Besitzer.
In der weiteren Diskussion wurde deutlich, dass es diese Karte und den Erlass dazu schon viel länger gibt – doch dieser wurde von den Behörden bzw. deren ausführenden Organen nicht wirklich geahndet. So haben kaum Einheimische und Internationale diese Karte beantragt. Weil sie ja auch eh keinen Nutzen hat. Wie gesagt, nicht für den Benutzer.
Doch für den Staat in jedem Fall – den jeder Einheimische zahlt dafür 100 Leones und die Karte ist 5 Jahre gültig. Für alle Internationalen kostet die Karte allerdings 100 Dollar / Person und ist nur ein Jahr gültig. Das ist schon ein ziemlicher Affront gegen alle Internationalen, die hier sein und länger leben wollen va. wenn es sich um Familien handelt.

In der Diskussion kam die Frage auf, ob man das denn wirklich machen muss – wenn die Behörden eh nicht nachhaken. Doch im weiteren Verlauf wurde deutlich, das ohne diese Karte keine Aufenthaltsgenehmigung mehr besteht und man auch nicht mehr für einen längeren Aufenthalt einreisen darf.
Also sind auch wir dabei herauszufinden, wie und wo wir diese Karte für uns drei beantragen können und was wir dazu brauchen. Wieder ein Behördengang, der unser Herz höher schlagen lässt. Das Amt kennen wir schon – es ist das, bei dem die Warteschlange weit um das Haus herum ging und wir durch unseren „Weißenbonus“ damals bevorzugt bedient wurden. Äußerst unangenehm. Auf der anderen Seite wären wir sonst nach Stunden des Wartens wahrscheinlich damals nicht mehr drangekommen.

Der Rektor vom T.E.C.T. hat versprochen, uns diesmal dabei zu helfen. Er ist seit ca. 4 Wochen darüber in Kontakt zu seinen Beziehungen in das Amt hinein. Da hier immer alles länger dauert, sitzen wir erstmal voller deutscher Ungeduld auf der Reservebank und warten. Wir hoffen, es erledigt sich noch vor unserer Ausreise Anfang Juni, ansonsten könnte es mit der Einreise im September schwierig werden.