Angekommen

Oft wurden wir in den vergangenen Monaten gefragt, ob wir schon angekommen sind? Dabei geht es ja um das innerliche Ankommen in einem unbekannten Land und einer uns fremden Kultur,

„Angekommen“ ist gerade für Ralf ein großes Wort und sicher kann und sieht jeder von uns dreien das anders, bzw. würde etwas anderes dazu sagen. Aus der ersten in die letzte Welt versetzt zu werden braucht Zeit auf vielen verschiedenen Ebenen.

Aus der Distanz wunderschön – je näher man kommt, verändert sich das Bild.

Als oftmals einzige Weiße unter Schwarzen ist es schwer anzukommen. Eine Sprache nicht zu sprechen und zu verstehen – grenzt uns aus. Vorzüge aufgrund der Hautfarbe zu erhalten, ist uns fremd und mitunter auch zuwider. Ein fast öffentliches / transparentes Leben zu leben ist grenzwertig. Eine Kultur, die von großer Macht und starkem Autoritätsgefälle geprägt ist und dadurch auch Missbrauch mit sich führt, ist mitunter für uns Deutsche schwer zu ertragen.

Peace Baptist Church

Um uns herum Menschen beständig an den existenziellen Grenzen ihres Lebens – Armut – Not – Leid – Sterben zu erleben ist überwältigend und manchmal auch überfordernd.

Jeder von uns geht anders damit um und jeder von uns hat ja auch einen anderen Ausgangspunkt. Während es Christinas Berufung ist und sie hier genau das macht, was ihre Leidenschaft und Potential ist, ist es für Ralf eher der Grundgedanke aus dem Ehegelöbnis – wir gehören zusammen und da wo du hin gehst, da gehe auch ich hin (gut gut, ist aus dem Buch Ruth – Naomi) … (oder wie war das mit den guten und den anderen Zeiten – Spaß) Na gut, da gibt es auch noch manches dazwischen – aber es war eben nicht seine Berufung!

Und für Nathanael ist es halt das …. „Glück“ Kind dieser Eltern zu sein und so hält er seinen Radius hier bewusst klein. Wir freuen uns und sind dankbar, dass er sich täglich darauf einlässt in die Schule zu gehen und das in einer fremden Sprache – mutig und entschlossen.

Ohne Ahnung was kommt

Darüber hinaus sind wir dankbar, wenn er uns mitunter in den Gottesdienst oder zu den Chapel-Veranstaltungen begleitet. Gottesdienste sind hier auf Krio, also in einer Sprache, die er nicht versteht. Außerdem dauern die Veranstaltungen deutlich länger als in Deutschland (2-4 Stunden). Wir haben uns bewusst entschieden, ihn dazu nicht zu nötigen – das kommt bei einem Teenager nicht gut – so denken wir. Und haben dabei immer einen Rat im Ohr: „Wenn die Kinder klein sind, dann rede mit ihnen über Gott! Wenn die Kinder groß sind, dann rede mit Gott über die Kinder!“, eine weise Lebensphilosophie, die natürlich wie alles auch seine Grenzen hat, aber hilfreich ist.

Aber zurück. Christina ist hier voll angekommen. Die Arbeit macht ihr riesige Freude und ihr Unterricht erfreut sich großer Beliebtheit. Seit dem letzten Semester haben ihre Kurse deutlich an Teilnehmerzahlen zugelegt. Durch die Musik hat sich für sie noch eine weitere Möglichkeit eröffnet – die ihr liegt und Spaß macht. Nach wie vor begleitet sie regelmäßig die traditionellen Hymnen (4x pro Woche). Seit diesem Semester bietet sie einen Musiktheorie-Kurs für Musiker an, die gern auch Noten lesen lernen möchten.

Teaching

Sie wird geschätzt, nicht nur vom Kollegium, sondern auch von Studierenden. Es kommt jetzt häufiger vor, dass diese das Gespräch und ihren Rat suchen. Bei der Erstellung einer Hausarbeit – einer zu haltenden Predigt bzw. Nachbesprechung – bei der Überarbeitung von Texten – und kurioserweise ist sie nun auch zum wiederholten Mal in familiären Angelegenheiten um Rat und Hilfe gefragt worden.

Zuletzt bei Eheproblemen, ob sie nicht mal zu einem Gespräch mit beiden oder der Ehefrau kommen kann. Diese haben schon seit Jahren Unfrieden – alles Rat Suchen hat nichts bewirkt … nun also Christina. Wie macht man verständlich, dass die Kulturen grundlegend verschieden sind? So dass es schwer fällt, die Probleme einzuordnen und man mit den eigenen Ansichten und Überlegungen weit entfernt liegen mag? Also beten, beten, beten vor der Begegnung und hinterher. Gott um Weisheit bitten – einfach da sein, reinhören, lernen und langsam vortasten – mal sehen.

Patricia eine von Christinas Theologiestudentinnen – die beim Militär angestellt ist und einen Gruß vom Leistungsmarsch sendet um sich vom Unterricht zu entschuldigen.

So war sie dann nach einer solchen Einladung bei dem Ehepaar bzw. der Familie und sie haben sich nett unterhalten – aber die Schwierigkeiten etc. wurden nicht angesprochen. Christina wusste nicht, ob sich für den hilfesuchenden Studenten nun Hoffnungen zerschlagen haben. Aber drei Tage später kam er auf sie zu und wollte ihr unbedingt was erzählen. Seit dem Gespräch hat sich der Umgang zwischen dem Ehepaar deutlich zum Positiven verändert – wow – was Gebet bewirken kann – Danke!

Nur am Rande – es ist ein Vorrecht, einzelne Studierende zu Hause besuchen zu dürfen (kam in den 9 Monaten bisher zweimal vor). Normalerweise werden die reichen Weißen nicht eingeladen – zu hoch ist die Scham über die eigene Armut. Was man dann in den Wohnungen sieht, schnürt einem dann auch tatsächlich die Kehle zu. Es ist erschütternd.

Auch ein anderer Student suchte das Gespräch und Rat. Er hat mit einem Jugendfreund ein kleines Hilfsprojekt am Laufen. Er kommt aus einem kleinen Dorf in den Provinzen. Sein Vater ein Imam. Als Familie hatten sie kaum Geld und die Mutter konnte die Kinder nicht versorgen. Nie gab es ordentliche Kleidung – Nahrung oder Bildung. Dann wurde er von einem christlichen Waisenhaus aufgenommen, das ihm mit Nahrung und Schulbildung geholfen hat. Zu Anfang war der Widerstand des Vaters groß, aber nach einiger Zeit, wurde ihm klar, dass er all das seinem Sohn nie würde geben können – so ließ er es zu.

Der christliche Träger des Waisenhauses schickt über die Jahre hinweg immer wieder begabte Jugendliche ans T.E.C.T. und hilft bei der Finanzierung. So ist auch dieser junge Mann ans T.E.C.T. gekommen – studiert Community Development im letzten Jahr. Immer, wenn er zu Besuch in den Provinzen ist, treibt es ihm die Tränen in die Augen. Er sieht die schmutzigen, verwahrlosten Kinder – kaum Nahrung, keine Schuhe, gekleidet in Lumpen. Keine Bildung, keine Perspektive. Dieser junge Mann weiß: Genauso war er dran, bevor ihm andere die Chance gegeben haben, sein Leben zu entfalten. Er ist Christ und weiß sich von Gott klar gerufen, solchen Kindern zu helfen.

So hat er mit einem Freund ein Projekt begonnen, um Kindern und Familien wie diesen zu helfen – immer mal wieder ein paar Kleidungsstücke – etwas zu Essen – Schulmaterial – aber eben bisher in einem sehr kleinen, überschaubaren Rahmen.

Die tägliche kleine Runde über das Campusgelände

Auf der Suche nach anderen Unterstützern hat er eine Gemeinde aufgetan, die interessiert war und das Projekt unterstützen wollte. Doch als es darum geht, welche Organisation das ist und ob sie offiziell registriert ist, stellte der Pastor fest, dass es bisher nur eine Privatinitiative ist. So hat die Gemeinde einen Rückzieher gemacht – zu oft landen solche Spenden in der eigenen Tasche, anstatt den Kindern zugute zu kommen.  

Nun hat er alles in die Wege geleitet um eine Registrierung vorzunehmen, also einen offiziellen Verein zu gründen und bittet Christina, sich die Formulare einmal anzuschauen und nach Richtigkeit etc. zu prüfen.

Neben der Arbeit, den persönlichen Gesprächen und den Gemeindebesuchen freut sich Christina, an einer Amerikanerin, die in der Nähe wohnt, eine Jogging-Partnerin gefunden zu haben. Ehrlich gesagt joggen sie selten, es ist eher flottes Spazierengehen mit viel Quatschen (Ralf: „Chicken Run“). Spaß macht ihr zudem, ab und zu auf das süße Campus-Baby aufpassen zu dürfen, dessen Mutter hier im Büro arbeitet.

Jonathan

Für Ralf ist es eher schwierig, hier so ganz reinzukommen – seine Berührungspunkte liegen eher beim Auto, mit welchem er eine innige Beziehung über 4-7 Stunden täglich hat, oder mit den „einfachen“ Menschen (Torhüter, Fahrer, Verkäufer) – das hat ihm immer schon viel Freude gemacht. Nur dass hier die Sprachprobleme eben nicht alles zulassen.

Janz normale Leute

Ende Januar hat er in einer Baptistengemeinde gepredigt und bei der Verteilaktion auf dem T.E.C.T. auch eine kleine Andacht gehalten. Ansonsten hält sich die pastorale Arbeit in Grenzen. Letztens haderte er mit der Predigt in unserer Gemeinde, weil es stets um Geld und das „richtige“ Verhalten geht – kaum dass mal wirklich die frohe Botschaft, das Evangelium gepredigt wird. Eine Predigt hier besteht fast ausschließlich aus Forderungen: Du musst dies, du darfst jenes nicht!

Im Zwiegespräch mit Gott stellte er fest, er wäre ja gerne zum Predigen bereit, aber es müsste von Seiten der Gemeinde/n kommen. Im Anschluss an den Gottesdienst ging er schon mal zum Auto und wunderte sich, dass Christina länger nicht nachkam. Als sie schließlich ins Auto stieg, meinte sie, der Pastor habe sie aufgehalten, weil er eine Frage an Ralf hat – er möchte, dass Ralf am kommenden Ostersonntag die Predigt übernimmt – ob das wohl möglich wäre? Na, was soll man dazu sagen – sicher doch! Das ging ja mal schnell, oder?

Haben die Kinder an Palmsonntag in der Bibelstunde gemacht und dies hat eines der Kinder Ralf geschenkt

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