Thanksgiving

Im Herbst hatten wir bereits das Vergnügen, zu einem „Thanksgiving“- Gottesdienst eingeladen zu sein, auf welchem Christina predigen durfte.

Erntedankfest 2017 CGS

Wir haben an unser deutsches Erntedankfest gedacht und uns deshalb über die hiesige Art, Thanksgiving zu feiern, verwundert. Im Grunde genommen war es ein Fundraising Event und weil es von der Jugend gestaltet wurde, ein Jugendgottesdienst, so wurde uns gesagt.

Umso verwunderter waren wir, ein paar Tage später zu einer anderen Gemeinde eine weitere Einladung zu einem Thanksgiving Gottesdienst zu erhalten –  diesmal richtete der Gemeindechor den Gottesdienst aus – also das Fundraising.

Thanksgiving Faith Baptist Church

Heute wissen wir, dass es in jeder Gemeinde unzählige „Thanksgiving“ Gottesdienste über das Jahr verteilt gibt. Jede Gemeindegruppe hat im Jahr einen Gottesdienst, an welchem sie „Thanksgiving“ zu verantworten hat.

Aus diesem Grund treffen sich die jeweiligen Gemeindegruppen schon Wochen vorher, um ihren Part zu planen und einzuüben. Von Kindergruppe – über Jugend – Frauen – Chor und Männer: jede Gemeindegruppe ist einmal dran.

In unserer Gemeinde, der Peace Baptist Church, haben wir schon an dem Thanksgiving der Männer und der Jugend teilgenommen und es werden weitere folgen – wie gesagt jede Gruppe ist irgendwann dran …

Wenn mal die Beschriftung nicht stimmt – dann hilft man sich mit humanen Mitteln

Im Februar wurde Christina zur Frauengruppe eingeladen. Da diese sich jedoch sonntags nach dem Gottesdienst trifft, war eine solch spontane Einladung nicht möglich. Aber beim nächsten Mal – nächsten Sonntag wollte sie dabei sein. Am nächsten Sonntag erfuhr sie, dass die Gruppe sich nur einmal monatlich, jeden dritten Sonntag nach dem Gottesdienst, trifft.

Wir haben ein Auto und keine Ahnung wie lange solch eine Sitzung dauert. Unsere Erfahrung in Sierra Leone – alles dauert immer etwas länger.

So würden Ralf und Nathanael mit dem Auto nach dem Gottesdienst nach Hause fahren und Christina, die ohnehin nicht so gerne das Auto in diesem Verkehr fährt, würde ein Taxi-Bike für den Rückweg nehmen.

Als dann der Sonntag mit dem Treffen der Frauengruppe stattfand, sind Ralf und Nathanael nach dem Gottesdienst zurück zum T.E.C.T. gefahren und haben schon mal das Essen vorbereitet.

Überraschenderweise war Christina schon 1,5 Std. später wieder daheim. Die Sitzungen dauern also nicht so lange wie angenommen. Allerdings sind das interessante Einblicke – aber dazu später mehr.

So könnte eine Bike Tour aussehen – Jui Road

Als die Frauen erfuhren, dass Christina mit dem Bike fahren will, wurde sie mit offenen Mündern angestarrt – du, eine Weiße, auf dem Bike – das geht doch nicht! Doch das geht – man stirbt innerlich zwar Tode – aber überlebt!

Sie erhielt viele gute Ratschläge – den Preis vorab absprechen – das Geld bereits in der Hand halten, aber vorher nicht aushändigen – den Rucksack vor sich und nicht auf dem Rücken tragen – sich gut festhalten usw. Ja, wir Weißen sind eben nicht ganz einfach in der Bedienung.

Deutlich wird, dass es einfach nicht in das Denken passt, das die Einheimischen hier über Weiße haben. Wenn wir nach einer Feier auf dem Gelände mithelfen den Müll aufzusammeln – beim Renovieren mit anpacken – allein auf den Märkten unterwegs beim Einkaufen sind – den Müll zum „Verbrennungsplatz“ bringen – dann können wir das ungläubige Wundern hören und erleben. Dann wird versucht, uns alles abzunehmen – vor uns beim Müll zu sein usw. – es passt eben einfach nicht ins Bild. Bei uns kommt dabei gefühlt an, dass sie uns wenig zutrauen. Wir glauben jedoch, dass es vielmehr ihre Art ist „Respekt“ auszudrücken. Sehr befremdlich.

Waschtag – nach dem Waschen wird die Wäsche zum Trocknen ….

Zurück zur Sitzung der Frauengruppe. Nach einer umfangreichen Begrüßung und Freude, dass Christina fortan Teil dieser Gruppe ist, kam die persönliche Vorstellung. Ämter sind wichtig und es gibt für jede Aufgabe ein Amt – ob jemand leitet, einen Stellvertreter hat, für die Finanzen, die Einladungen, das Zusammenstellen der Stühle oder allgemein „Rat geben“ verantwortlich ist – für alles gibt es einen Namen: ein Amt mit der gebührenden Autorität.

Danach kamen die inhaltlichen Themen zur Sprache – alles auf Krio. Obwohl wir zweimal pro Woche Kriounterricht nehmen, ist unser Verstehen rudimentär, vor allem bei lauten Nebengeräuschen. Wir finden inzwischen bekannte Worte, erschließen uns bei manchen Predigten Zusammenhänge – aber wenn sie untereinander schnell und leise sprechen, gelingt uns das kaum. Aber nun gut, wir versuchen – small small.

Ein Thema war der bevorstehende „Thanksgiving“ Gottesdienst, den die Frauengruppe im Mai zu verantworten hat. Nach diesem Treffen verstehen wir auch etwas besser, um was es dabei geht und was es mit „Thanksgiving“ auf sich hat. Im Grunde genommen wird Erntedank wie in Deutschland verstanden: Ein Festgottesdienst, an welchem wir Gott aus Dank und Freude etwas zurückgeben von dem, was er uns über das Jahr mit Gutem gesegnet hat. Also nicht der monatliche Zehnte, sondern ein zusätzlicher Dank für ein bewahrtes und geschenktes Lebensjahr.

Das Mädchen in der Mitte hat Geburtstag und wird gesegnet

Während in Deutschland dies einmal im Jahr für die Gesamtgemeinde gefeiert wird, findet es hier eben öfter im Jahr statt, von einzelnen Gemeindegruppen verantwortet. Warum das so ist, wissen wir nicht und konnte uns bisher auch keiner sagen.

Aber so gibt es selbst, wenn man eines vermisst hat, immer noch die Gelegenheit, andere wahrzunehmen. 

Nun also planen die Frauen ihren Thanksgiving Gottesdienst. Das heißt nicht, dass sie den gesamten Gottesdienst verantworten, sondern nur ein paar Beiträge beisteuern. Es findet also ein normaler Gottesdienst mit Ansagen – Liedern – Predigt etc. statt und darüber hinaus dann noch je nach Gruppe und Gemeinde ein paar Beiträge. Meist sind es Lieder die gesungen werden, selten auch ein kleiner Sketch.

Wer Durst hat kauft sich diese kleinen Wasserpacks. Ein Loch in die Ecke beißen und trinken. Danach wird es rumgereicht – wer eben Durst hat!

Wichtig ist, dass jede Gruppe sich verpflichtet hat, einen bestimmten Geldbeitrag an diesem Sonntag der Gemeinde zu überreichen. Das jährliche Erntedankopfer der jeweiligen Gruppe.

Beim Frauentreff erfuhr Christina, dass jedes Mitglied der Frauengruppe 2.000 Leones dafür gibt oder sammelt – also gute 100 Euro. Neben dem monatlichen Zehnten ist das nicht nur für hiesige Verhältnisse echt viel Geld und wir müssen mal checken, ob wir uns da verhört bzw. das Krio nicht so ganz verstanden haben.

Uns verwundert immer wieder, wie oft und viel es hier in den Gottesdiensten um Geld geht und die Menschen zum Geben aufgefordert werden. In einer Kultur, in der die wenigsten ausreichend zum Leben haben, erscheint uns das von außen gesehen schwierig und die Summen astronomisch. Das müssen wir uns mal in Ruhe von unserem Pastor erklären lassen. Denn es betrifft nicht nur eine einzelne Gemeinde oder Bund – das ist hier Kultur. Also wie lebt man damit – aber vielleicht nehmen auch nur wir das so wahr …?

Also Christina darf jetzt schauen, dass sie neben dem monatlichen Zehnten (Gemeindebeitrag) auch noch ihren Anteil für das Thanksgiving beisteuern darf. Außerdem sammelt die Gemeinde auch noch für neue Kirchenbänke. Die einfachen Plastikstühle (in Deutschland sind das Garten-Stapelstühle) sind mittlerweile 15 Jahre alt, waren vorher sicher nicht neu und so ist die Angst berechtigt, dass diese beim Draufsetzen zusammenbrechen.

Die Bestuhlung – wir sitzen meist vorne rechts – zweilagig

Jeden Sonntag, wenn wir zum Gottesdienst kommen, werden schnell für uns zwei Stühle übereinander gestellt, damit sie stabiler sind. Ob sie Sorge haben, ob wir zu „bompy“ (dick) sind, fragte Ralf scherzhaft: Ja so ist es! war die Antwort. Na dann wäre auch das geklärt.

Also neue Bänke und jedes Gemeindeglied soll dafür 150 Leones in die Gemeinde geben – aber natürlich dürfen wir gerne auch etwas mehr geben.

Ralf wurde in einem Gottesdienst vor vielen Jahren in der Heimatgemeinde gesagt, Du predigst immer über Geld! Daraufhin hat er das mal geprüft und festgestellt, dass er in zwei Jahren viermal über das Thema Geld / Geben / Besitz gepredigt hat. Wie unterschiedlich doch Wahrnehmungen sein können … Hier erscheint dieses Thema in beinahe jeder Veranstaltung.

Was also das Thema Geld und Geben angeht, bieten sich in Deutschland noch ungeahnte Möglichkeiten und Potential?!?

Die Oma ist verstorben und die Familie wird gesegnet

Nun sind wir gespannt, wie sich das mit der Planung und Durchführung des Thanksgiving-Gottesdienstes weiter entwickeln wird.

Ach ja, während der Beiträge sind natürlich alle Gottesdienstbesucher aufgefordert, einen kleinen Obolus für die Darbietung zu geben – das kommt dann zum Betrag der Frauen dazu und wird mit allen anderen Gruppenbeträgen über das Jahr verglichen – ein Gruppen-Wettkampf sozusagen. Und ja, die Beträge gehen in den Gemeindehaushalt, nicht in die einzelnen Gruppen.

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