The Election – Wahljahr 2023

Alle fünf Jahre wird in Sierra Leone der Präsident und damit das Kabinett der Regierung gewählt. Ein Präsident darf für zwei Amtszeiten kandidieren und gewählt werden, danach ist Schluss für ihn. Der jetzige Präsident hat eine Amtszeit hinter sich und möchte natürlich wiedergewählt werden.

Der Präsident und sein Vize

Der Wahlkampf hat bereits im Herbst 2022 begonnen. Kurz nachdem wir in Sierra Leone und auf dem T.E.C.T. Gelände angekommen sind, wurde in Freetown demonstriert: gegen den amtierenden Präsidenten. Aus der Demonstration entwickelte sich ein Aufstand mit Zerstörung und Gewalt. Polizei und Militär sind eingeschritten. In der Folge gab es auf allen Seiten Tote und Verletzte. Auch ein ehemaliger Student des T.E.C.T., der bei der Polizei arbeitete, erlag seinen Schussverletzungen.

Sowohl die Leute am T.E.C.T. als auch das Auswärtige Amt hatten uns informiert, in diesen Tagen die Wohnungen und Häuser nicht zu verlassen, sondern abzuwarten. Wir konnten die Schüsse bis ans T.E.C.T. hören – waren aber immer sicher. Zum einen ist der Campus relativ weit umzäunt, zum anderen ist der Eingang nach Jui durch einen Militärposten mit ansässiger Militärsiedlung (zig Polizisten) gut gesichert.

Es wurde jedoch deutlich, dass der Wahlkampf in Sierra Leone hitzig und explosiv werden kann. Viele haben noch die Jahre und die Gewalt aus der Zeit des Bürgerkrieges vor Augen. Deshalb ist die Angst greifbar, es könne sich wieder dahin entwickeln.

Ja, die Gemüter sind hier schnell erhitzt (bei der schwülen Hitze kein Wunder!) und manche Diskussion gibt einem das Gefühl, dass gleich das Kloppen losgeht. Meist ist es aber nur leidenschaftlich engagiert, ohne Handgreiflichkeiten. Aber auch das kommt mitunter vor – sogar im Parlament – wie im Dezember im Internet zu sehen war.

Wie auch immer – die Wahlen finden am 24. Juni 2023 statt und wir befinden uns zurzeit mitten im Wahlkampf. Der Rektor hat sich vorausschauend in der Mittwochsandacht an die Studierenden gewandt und darum gebeten, dass politische Aktivitäten auf dem Campusgelände zu vermeiden sind. Keine Diskussionen über die „richtige“ Partei. Bitte keine Teilnahme an Parteiveranstaltungen und Demonstrationen etc. Diese Veranstaltungen tendieren zu Chaos und Gewalt. Zum Wählen allerdings hat er ganz klar aufgefordert – friedlich, freundlich und respektvoll.

Die Schulen und Universitäten / Colleges gehen normalerweise bis Ende Juni und davor finden die Abschlussprüfungen / -arbeiten statt. Dann ist Sommerpause, bevor es Mitte September wieder losgeht.

Nun, Ende Januar scheint auch die Schulen die Erkenntnis erreicht zu haben, dass im Juni die Wahl stattfindet und es „interessant“ werden könnte. Keiner kann sagen was, ob – wie passieren wird – aber es herrscht deutliche Verunsicherung und Angst. Einige Internationale haben uns erzählt, dass sie für diese Wochen Vorräte anlegen und gar nicht mehr vor die Türe gehen.

So hat die British International School in einem Schreiben die Eltern Ende Januar informiert, dass dieses Schuljahr ausnahmsweise schon Ende Mai beendet wird. Ursprünglich war die Prüfungswoche am Ende in der Wahlwoche. Jetzt ist vier Wochen früher Schluss. Dafür gibt es allerdings keine Ferien mehr – zwei Midterm-Break Wochen und auch Ostern – insgesamt vier Wochen Ferien weniger, die wir am Ende früher Schluss haben werden.

Hier die Highschooler bei einem Fieldtrip ins Amt für Statistik

Sosehr alle Eltern die Umsicht der Schule begrüßten, so aufgebracht waren auch manche, weil es überraschend – unangekündigt und ohne Wissen der Elternpflegschaft geschah. Manch einer hatte für die Ferien schon Urlaub geplant. Andere berufstätige Eltern haben nun das Problem, woher sie für ihre Kinder vier Wochen eher eine Betreuung bekommen sollen.

Naja, wie kann man auch erwarten, dass ein solch überraschender Event wie die alle fünf Jahre stattfindende Wahl schon früher berücksichtigt wird?!

Zweimal in der Woche versammeln sich alle auf dem Sportplatz – Informationen werden ausgetauscht, die National- und Schulhymne gesungen.

Wir begrüßen die Entscheidung – diese ist richtig und eine gute Schutzmaßnahme – aber auch wir hatten bereits unsere Pläne für 2023 gemacht. Unsere Flüge waren gebucht. Ursprünglich sollte es von Juli bis September für zwei Monate nach Deutschland gehen. Und nun?

Auch alle Colleges und Universitäten beenden das Semester Ende Mai. Das T.E.C.T. hatte dies jedoch von Anfang an kommuniziert. Somit waren Christina und Nathanael ohne Verpflichtung von Juni bis September – Ralf hat ja ohnehin nichts zu tun. (An dieser Stelle die Entrüstung der liebevollen Ehefrau.)

So kam bei uns die Überlegung, warum sollen wir bis Juli warten und das Risiko eingehen, hier in Unruhen zu geraten? Warum fliegen wir nicht schon Anfang Juni nach Deutschland und sind dann drei Monate dort?

So prüften wir zuerst, was der Rektor des T.E.C.T. dazu meint – als wir dort das grüne Licht erhielten, holten wir uns selbiges beim Präsidenten der BCSL und schließlich vom Regionalrepräsentanten der EBMI aus Kamerun ab. Als auch diese den Plänen zustimmten, stellten wir die Anfrage, ob unsere Flüge umgebucht werden können. Jawohl – sie konnten! So fliegen wir nun Anfang Juni bis Anfang September nach Deutschland – volle drei Monate – wow, wer hätte das gedacht. Das ist ein besonderes Geburtstagsgeschenk für Nathanael, der am 05. Juni 14 Jahre alt wird.

Nach einer Kunstwoche, wurden alle Projekte ausgestellt und konnten auch von den Eltern bestaunt werden.

Wer nun glaubt, wir mopsen uns in der langen Zeit in Deutschland und wissen nichts damit anzufangen oder legen wieder deutlich an Gewicht zu – vielleicht …, dem sei gesagt, dass wir eine ganze Reihe von Unterstützergemeinden besuchen – Vorträge halten und sogar für eine Woche mit einer Gemeinde auf die österreichischen Berge klettern. Zudem genießen wir all die entbehrten Dinge – Nathanael das stabile und gut funktionierende Internet – Ralf den geregelten Straßenverkehr – vielleicht auch mit Motorrad – und Christina darf in Ruhe die Rosen in Sankt Augustin genießen und betreuen. Daneben muss sie natürlich die nächsten Vorlesungen vorbereiten, denn nach dem Semester ist immer auch vor dem Semester!

Zusammen freuen wir uns auf ausreichend Wasser beim Duschen – dauerhaften Strom ohne ständige Abwesenheit – ein gutes Steak – auf den Straßen nicht aufzufallen oder ständig um etwas um Nahrung oder Geld gebeten zu werden – und das allerbeste – es ist nachts deutlich kühler und wir können ohne Ohropax schlafen – was ein Träumchen!

Vermissen werden wir die freundlichen Menschen hier, die leider nicht die Chance haben, der prekären Wahlsituation zu entfliehen. Wie gut, dass wir auch von Deutschland aus für sie beten können und über moderne Medien in Kontakt bleiben.

Bye bye Trockenzeit

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