Nach wie vor ist Familie Döhring die einzige internationale Präsenz auf dem T.E.C.T. Campus. Vor gut 20 Jahren war das anders – einige internationale Familien und Einzelpersonen haben hier gelebt und gelehrt. Durch Bürgerkrieg, Ebola und zuletzt Corona haben die meisten das Land verlassen und nur wenige Internationale sind überhaupt zurückgekommen. Natürlich sind viele nur auf Zeit in Sierra Leone oder in Projekten angestellt, so wie auch wir einen befristeten Vertrag für vier Jahre haben.

Nun wird sich das ändern. Ab dem neuen Semester wird ein amerikanischer Missionar in Rente hier für drei Monate seine Zelte aufschlagen (Spaß, er wohnt im Haus) und als Dozent tätig sein. Seit 16 Jahren kommt er immer wieder für einige Wochen / Monate. Er kennt das T.E.C.T. und die Lehrerschaft recht gut. Er ist ein Seelsorger, Mentor, und Lehrer.

Immer wenn weiße Menschen ins Land kommen, ist das ein Grund der Freude und Hoffnung. So nehmen wir es auch bei den Leuten auf dem Campus wahr. Freude und Dankbarkeit, das jemand aus der Ersten Welt kommt, um hier Zeit vor Ort mit und bei den Menschen zu verbringen – mit allem, was dazu gehört!
Als er beim letzten Mal vor einigen Jahren hier war, hat er in „unserem“ Haus gewohnt – also diese Möglichkeit scheidet für ihn diesmal aus.

Aber nebenan gibt es noch ein Haus, das ähnlich wie unseres geschnitten ist. Allerdings hat darin schon über 10 Jahre keiner mehr gewohnt. Und wenn etwas nicht bewohnt wird, dann wird auch kein Aufwand betrieben, es in Schuss zu halten. Dafür fehlt einfach das Geld!
Somit war klar, das Haus muss renoviert werden, um wieder bewohnbar zu sein. Weil aber das Haus in einem solch schrecklichen Zustand war, musste jetzt unheimlich viel in die Hand genommen und gemacht werden. Ob das gelingt? Es war wirklich in einem sehr schlechten Zustand. Bis dato konnten wir diesen nur von außen wahrnehmen …

Der Gast würde am 10. Februar ankommen und die Arbeiten am Haus begannen am 03. Januar. Ein knapper Monat Zeit – herausfordernd.
Sie begannen mit dem Dach – es wurde komplett abgetragen, um neue Dachbalken und Wellblech aufzulegen. Das Wellblechdach ist knallblau, hat sich jedoch durch den Wüstensand schnell in braunrot verwandelt. Parallel wurde eine Sickergrube ausgehoben und die Kanalisation gegraben. Die Außenarbeiten nahmen schnell Fahrt auf. Es war beeindruckend, sie bei dieser Hitze von morgens bis abends daran arbeiten zu sehen. Es waren teils bis 35 Grad in der prallen Sonne. Die Arbeiten liefen komplett ohne schweres Gerät. Alles nur Muskelkraft. Wir Weicheier hätten das nie fertiggebracht.

Ebenso wurde die Decke komplett herausgerissen und erneuert – alles in allem waren sie damit gute 10 Tage beschäftigt. Dann wurden im Haus und darüber hinaus die Stromleitungen neu verlegt und neue Schalter angebracht.
Anfang Januar fragten wir uns, wie ein Überleben in der Festival Season aussehen könnte. So haben wir uns erkundigt, ob der Einbau von richtigen Fenstern akustisch einen Unterschied machen würde. Dann haben wir einen Kostenvoranschlag dafür eingeholt. Es würde sich schließlich um 16 Fenster handeln. Der Kostenvoranschlag belief sich auf ca. 80.000.000 Leones, wenn wir alle Fenster erneuern lassen. Wir rechnen mit ca. 4.500 Euro – weil sich immer noch etwas hier und da ändert. Dieses Projekt befindet sich gerade in der Überlegungsphase.
Im Gespräch mit dem Rektor fand er die Überlegung so gut, dass sie nun für das Nachbarhaus übernommen wurde. Sie warfen alle alten Lamellenfenster raus, passten den Rahmen an und bauten neue „richtige“ und verdunkelte Schiebefenster ein. All das nahm wieder gute 10 Tage in Anspruch. Aber man konnte den Fortschritt, Entwicklung und Eifer deutlich wahrnehmen.

Im Haus wurden viele „Schränke“, das Bad, teils Küche herausgerissen und landete erstmal vor dem Haus. Das wird dann alles – bis auf die Keramik – zu einer Stelle auf dem Campus gebracht und verbrannt. Ist nicht weit von uns entfernt – wir haben ein Näschen dafür.
Der komplette Fußboden wurde schön gefliest und ein neues Bad installiert mit neuer Dusche, Toilette und Warmwasserboiler. Einige Küchenschränke und Schubladen wurden erneuert und zuletzt alle Holzmöbel und Türen neu lackiert. Sicher alles auf einem sehr einfachen und billigem Niveau und dennoch effizient. Außerdem wurde eine Klimaanlage für das Schlafzimmer eingebaut und das gesamte Haus mit Sicherheitsbeleuchtung versehen. So gewaltig, daß wir bei uns kein Licht mehr benötigen – das vom Nachbarn reicht!

Zu guter Letzt wurden die Studenten mobilisiert, um das Haus von Innen wie Außen mit einem neuen Anstrich zu versehen. Anschließend kam ein weiterer studentischer Hilfstrupp, um das Haus gründlich zu putzen. Bis zuletzt hatten wir so unsere Zweifel, ob das zeitlich hinhauen wird. Aber es ist gelungen! Der Dozent kam am nächsten Morgen und am Abend vorher ist die Putzkolonne abgezogen. Christina hat sich den neuen Fenstern gewidmet, Aufkleber entfernt und sie auf Hochglanz gebracht.
Es war schon beeindruckend, mit was für einem Eifer und wie vielen Leuten hier gearbeitet und angepackt wurde. Dabei wurde viel gesungen und gelacht und manchmal auch lautstark diskutiert. Das klingt für uns oft wie der Beginn einer Klopperei. In der Regel passiert das zumindest auf dem Campus aber nicht. Auf Ämtern, in Geschäften oder auf der Straße geht es schon eher mal zur Sache. Wir versuchen uns dann möglichst aus dem Staub zu machen.
Die Renovierungsarbeiten waren möglich, weil amerikanische Unterstützergemeinden des Missionars die Gelder zur Verfügung gestellt haben. Eine Win-Win-Situation: Der Missionar hat eine gute Bleibe und TECT hat ein Gebäude mehr, das nutzbar und gut in Schuss ist, wenn der Missionar im Sommer wieder abreist.

Ein Wermutstropfen brachte Ende Januar den Campus in Aufregung. Die Gehälter werden in der Regel Ende des Monats in bar ausgezahlt. Das liegt daran, dass viele kein Konto haben. Auch die Handwerker arbeiten nur gegen bar – also keine Überweisungen – selbst, wenn es sich um Millionenbeträge handelt …

Was das heißt? Ralf war selbst dabei, als die Campus Buchhalterin in der Bank war, um das nötige Geld zu besorgen. Sie verließen die Bank mit zwei Tragetaschen voller Geld! (Der größte Geldschein in Sierra Leone ist 20 neue Leones, umgerechnet 1 Euro).
Am nächsten Tag sollte das Geld ausgezahlt werden. Also nur eine Nacht sicher im Büro gelagert, alles abgeschlossen, teils im Tresor.

Wie groß war der Schreck und das Entsetzen, als am nächsten Tag die Tür aufgeschlossen und festgestellt wurde, das das Geld über Nacht gestohlen worden war. Mehr als 2500 Euro „Baugeld“ plus sämtliche Gehälter. Alle technischen Geräte, Computer etc. wurden nicht angerührt. Es ging nur ums Geld.
Der oder die Einbrecher sind vom nebenanliegenden Vorlesungsraum über die Decke exakt zu der Stelle gelangt, wo sich das Büro befindet. Genau dort wurde die Deckenlatte aufgeschnitten, über ein Regal in den Raum geklettert und das Geld gestohlen. Der Schlüssel für den Vorlesungsraum ist seitdem verschwunden.

Allen war klar: es muss sich um einen Insider handeln! Es gab nur wenige, die wussten, dass exakt an diesem Tag und in diesem Büro Geld gelagert wurde. Derjenige wusste sogar, wo der Tresorschlüssel aufbewahrt wurde.
Die Polizei kam. Alle Personen, die von dem Geld wussten, mit den Schlüsseln zu tun hatten oder in der Nacht auf dem Campus arbeiteten, wurden befragt. In Verdacht geriet ein junger Mann, der zur Befragung durch die Polizei nicht erschien und seitdem verschwunden ist. Vier Jahre lang war dieser ein Student bei TECT. Da er keine eigene Familie hatte, sondern ein Straßenkind war, hatte der Rektor mit seiner Familie diesen jungen Mann unterstützt. Sie haben ihn wie ein Familienmitglied aufgenommen und versorgt. Über Jahre hatten sie die Kosten für Schule und Studium übernommen. Gerade im Dezember hatte er graduiert und seinen Bachelorabschluss erhalten.

Wir haben ihn ebenfalls kennengelernt. Es ist ein ganz feiner, höflicher und hilfsbereiter junger Mann, ein sehr kluger und guter Student mit einem sehr guten Abschluss. Er war einer der wenigen, die richtig gut theologisch und wissenschaftlich denken und arbeiten konnten. Jetzt hätte alles für ihn losgehen können! Anfang Januar kam er zu uns, um sich von Ma Christina (seiner Dozentin) zu verabschieden und zu bedanken – Job – Familie – Auskommen. Und dann das!?!

Kaum einer kann glauben, dass er wirklich damit was zu tun hat. Aber sein Verhalten unterstreicht, dass es so ist. Er wird seit Wochen per Haftbefehl gesucht und ist untergetaucht. Warum – wieso – weshalb – Gott weiß. Wir haben uns entschieden, die Türen offen zu halten und ihn an Gott abzugeben. Er bekommt regelmäßig freundliche Nachrichten von uns und bleibt in unseren Gebeten. Genauso macht es auch die Familie des Rektors, der nach wie vor auf eine Versöhnung hofft. Aber verletzend und enttäuschend ist das trotzdem zutiefst.
Neben dem Verlust von Vertrauen ist auch der Verlust des Geldes dramatisch. Bis zum 31.01. war nicht klar, ob in diesem Monat überhaupt Gehälter ausgezahlt werden können. Das T.E.C.T. hat kaum Ressourcen / Rücklagen. Es lebt von der Hand in den Mund. Oft erwähnt der Rektor, dass er immer wieder die Spendenkonten prüft, um zu schauen, ob genug für einen Monat zusammengekommen ist. Da ist so ein Diebstahl schrecklich. Der Rektor lief über Wochen tief gebeugt über den Campus. Man konnte die Last wirklich sehen, die auf ihm lag. Fast alle Dozenten haben damit gerechnet, in diesem Monat kein Geld zu erhalten. Gott sei´s gedankt, dass sich doch ein Weg aufgetan und jeder sein Geld bekommen hat.

Solche Geschichten bringen zum Nachdenken und ins Gebet. Einerseits nehmen uns die finanziellen Engpässe und Schwierigkeiten mit, aber mehr noch die menschlichen Untiefen. Es bleibt die Erkenntnis, dass das Böse nur mit Gutem überwunden werden kann. Das ist harte Arbeit und lässt uns ins Gebet gehen.
Wir beten für den jungen Mann – der eine so blendende Zukunft vor sich hatte, und das alles für nichts erachtet hat. Manch einer musste erst bei den Schweinen landen, um sich an das Gute, das er hatte, zu erinnern – Gott schenke es! Gott helfe ihm, mit dieser Tat zu leben, umzukehren und das Richtige zu tun.
Zurück zum amerikanischen Missionar: Wir haben nun einen neuen Nachbarn und sind gespannt, wie sich dieses Semester entwickeln wird. Die Studenten sind letzte Woche langsam und fröhlich eingetrudelt – das Leben auf dem Campus ist zurück! Und scheinbar damit gekoppelt wurde auch dem Entertainment Center nebenan neues lautstarkes Leben eingehaucht – wir hoffen jedoch nicht so oft wie im November / Dezember – man wird ja wohl noch träumen dürfen!
