Kleine Unterschiede

Man lernt ja nie aus. Vor allem, wenn man in einer anderen Kultur lebt. Wir lernen immer wieder Neues.

Im Straßenverkehr zum Beispiel. Auf der Gegenspur wird überholt und der Überholer fährt nun auf meiner Spur. Da beim Überholvorgang generell viel Platz und Vorsicht geltend gemacht wird, dauert dieser seine Zeit. Die große Lücke auf der Seite des Gegenverkehrs wird schnell klein – eng – gefährlich.

Wenn man nun auf der Gegenspur entgegenkommt – passiert folgendes. Der Überholvorgang wird grundsätzlich nicht abgebrochen und auch nicht beschleunigt.

Statt also nun den Überholvorgang abzubrechen oder zügiger durchzuführen, wird wild die Lichthupe bedient.

Ein LKW ist liegengeblieben – die Absperrung verrät einem, daß man auf die Gegenverkehr Seite ausweichen muß. Wer Polizei sucht – bei so etwas vergeblich – deren wichtigste Aufgabe ist Kontrolle / Stau verursachen und Kollektieren.

In der deutschen Kultur bedeutet Lichthupe meistens, ich lasse dir den Vorrang. Hier bedeutet es, ACHTUNG hier komme ich! – geh mir aus dem Weg!! Wie gesagt auf der entgegenkommenden Spur. Also kein Wunder, wenn es dann mal eng, enger – bumm wird.

Zudem beim Überholen auch seitlich ein großer Abstand gehalten wird. Nur nicht zu nahe passieren – der könnte ja ausscheren oder es muss noch ein spontan drängelndes Bike dazwischen passen.

Dass aber der Abstand zum entgegenkommenden Fahrzeug dann kaum gegeben ist, ist Wurst – so touchiert schon mal der Außenspiegel oder wie der Kölner sagt: et is ja nochmal joot jegonge!

Mitten in einer Kurve – ungesichert – wie der LKW da auf dem Hang gelandet ist …. auf der Gegenspur … ist schon ein geheimnisvolles Kunststück. Auch in Kurven lieben es manche zu überholen – die haben entweder einen Röntgenblick oder mehrere Leben … – deshalb empfiehlt es sich abwärts bei Kurven mit Überraschungen zu rechnen

Ralf nutzt im Haus und beim Duschen immer Badeschlappen. Also so Plastiktreter – wie die meisten hier außer Haus tragen. Die Lebensdauer ist überschaubar und so ging er letztens auf den Markt, um Neue zu kaufen. Für knappe 10 Euro erstand er ein neues Paar.

Man weiß, dass diese nicht lange halten. Dass aber schon nach zwei Tagen Nutzung – nur im Haus – beim Duschen – sich der Schuhriemen komplett löste, war dann doch eine … Überraschung. Regress – alle mal lachen!

Die Treter hat Ralf also zweimal mit gleichem Erfolg gekauft ….

Also bei einem anderen Laden gleiche Schuhe gekauft – Hoffnung, dass diese länger halten. Nach drei Tagen das gleiche Spiel.

Wahrscheinlich ist es besser, das Modell zu ändern. Einen Schuh, bei dem die Riemen mit der Sohle aus einem „Guss“ sind.

Auf dem Weg nach Freetown fand Ralf solch ein Laden. Die kosteten sogar nur 5 Euro das Paar. Wow – wo doch alle Welt weiß, dass die Preise in der Hauptstadt immer teurer sind.

Während Ralf sich noch über das Schnäppchen und Einkaufsgeschick freute, dies dann auch Dennis einem Einheimischen erzählte, schaute der ihn nur lächelnd an und meinte: Das liegt daran, dass diese Sorte hier kaum einer kaufen und tragen würde – nur die andere Sorte ist hipp!

Das Schnäppchen das keiner kauft …..

Aber warum – beides sind doch Adidastreter – halber Preis und halten auch unter der Dusche??? Ja aber die sind nicht trendig und unter der Dusche würde diese ohnehin keiner tragen – also im Wasser! Wieder was gelernt – fürs Leben!

Auch mussten wir akzeptieren, daß es hier absolut wichtig ist, Menschen zu ehren und zu würdigen. Ob nun bestimmte Positionen – Titel oder Geber – all das muss gewürdigt – genannt und geehrt werden. Das entspricht uns so gar nicht – aber hier müssen wir mitunter da durch!

Bei Gottesdiensten sitzen wir als Pastoren grundsätzlich vorne auf dem Podium – ob wir involviert sind oder nicht und auch bei anderen Gelegenheiten sollen wir gut wahrgenommen oder geehrt werden. Besuchen wir die Schulen, die wir unterstützen, fährt Ralf am liebsten am Samstag (ein anderer Tag ist auch kaum möglich) und meist sagt er nur einen Tag vorher Bescheid, dass er vorbeikommt. So hofft er um die große Aufmerksamkeit herum zu kommen.

Das funktioniert dann leider nicht immer – ganz schnell werden die Buschtrommeln genutzt, um Lehrer – Eltern und Schüler – jedenfalls einen Teil davon – Anwesend sein zu lassen. Das ist halt so – wenn wir uns früher anmelden würden, dann werden ganze Programme abgehalten. Wie gesagt es ist in dieser Kultur sehr wichtig und manchmal dürfen auch wir damit leben. Gibt ja Schlimmeres – nicht wahr!?!

Auch das sich in diesem Land oft alles ums Geld dreht, ist für uns eher fremd. Unsere Kultur redet ja lieber nicht so darüber. Hier kommt es bei jedem Anlass vor – Geld als Beispiel – Geld geben – Geld sammeln – Fundraising. Viele Beispiele auch in Predigten gehen um das Thema „Geben“. Dabei werden immer teils riesige Summen genannt. Das verwundert uns immer wieder, weil die Lebenswirklichkeit hier so ist, daß die wenigsten Geld – geschweige viel Geld haben. Also warum keine kleinen Beträge – nein, nein der Ansporn muß da sein ….!

So ist es für uns immer wieder spannend und interessant mal hinter die Kulissen zu schauen und mehr über Denken und Leben einer anderen Kultur zu erfahren. So dicht, wie wir hier oft den Menschen kommen und Einblicke haben dürfen, ist faszinierend – manchmal belastend – trotzdem erhellend und mitunter beschämend im Vergleich mit der eigenen Kultur.

Passiert hier nicht selten, daß in den abgezählten Geldbündeln – kleinere Scheine dazwischen sind. Teils auch bei Bündeln die direkt aus der Bank kommen ist es schon vorgekommen. Bei unserer Bank allerdings noch nicht.