Seit Februar haben wir einen Hund – Pinsel genannt wegen der weißen Schwanzspitze und den hübschen weißen Pfoten. Den damals drei Wochen alten Welpen mitten im Nirgendwo auf dem Campusgelände verängstigt und allein gelassen schreien zu hören, ließ uns diesen spontan aufnehmen.

Mittlerweile ist der kleine Welpe, der zu Beginn auf eine Hand passte, ein noch nicht ganz ausgewachsener Teenager. Nun haben wir also zwei von der Sorte im Haus. Beide überragen manche Erwachsenen bei Weitem – zumindest der Eine!
Der eigentliche Plan sah so aus, irgendjemand zu finden, der den kleinen Welpen adoptieren würde. Trotz vieler Fragen, Suche und Gebete hat sich das jedoch nicht ergeben. Was nun?

Der Hund ist nun vier Monate alt und hat sich an uns gewöhnt. Wir auch an ihn – dann werden wir ihn wohl behalten …. – aber wie soll das gehen?
Eine Einreise nach Deutschland ist nicht einfach – viele Hürden sind zu nehmen. Er muss geschippt und geimpft werden. Er benötigt einen Käfig für den Transport, einen Reisepass und viele ärztliche Dokumente (u.a. einen Antikörpertest gegen Tollwut), die gefordert sind. Und letzten Endes gibt es keine Garantie, ob der Hund nicht doch bei der Ankunft eingeschläfert wird, weil irgendetwas fehlt.
Wir haben zwar einige Einheimische, die den Hund nehmen würden, wenn wir gehen, aber das ist keine wirkliche Alternative – dazu ist der Hund mittlerweile einfach zu verwöhnt. Und der Umgang mit Hunden in diesem Land ist grottig. Sie dürfen nie ins Haus, werden draußen angekettet, getreten, verprügelt, angefahren, nie gewaschen oder gestreichelt, stattdessen die Ohren mutwillig verletzt, ohne Betäubung kastriert, hungern gelassen oder gleich getötet. Wenig Einheimische gehen mit ihnen zum Tierarzt. Sie sind voller Flöhe und Parasiten und haben Krankheiten. Kaum einer kauft Hundefutter. Die Tiere bekommen das wenige, was vom Tisch übrig ist (was SEHR wenig ist, da die Menschen selbst nicht genug haben.) Es ist insgesamt erbarmungswürdig und einem Deutschen dreht sich der Magen um ob all des Elends.

So wollen wir versuchen und alles dran setzen, ihn mit nach Deutschland zu nehmen. Und wann?
In wenigen Wochen geht es für uns nach Deutschland, um dann im September wieder nach Sierra Leone zurückzukehren – unser viertes und letztes Jahr.
Wir können weder dem Hund noch allen anderen das Hin und Her zumuten! Und wer würde den Hund schon für ein dreiviertel Jahr in Deutschland nehmen, bis wir dann endgültig wieder in Deutschland sind? Abgesehen davon ist es nicht möglich, den Antikörpertest der Tollwutimpfung vorher durchzuführen. Er darf erst drei Monate nach der Impfung erfolgen und wird nach Europa geschickt, da es hier dafür keine Labore gibt. Da man ihn aber erst im Alter von 3 Monaten impfen durfte, ist das Zeitfenster einfach zu spät. Dieses Jahr können wir ihn also auf keinen Fall mitnehmen.

So werden wir nach und nach die behördlichen Notwendigkeiten erbringen und in diesem Jahr für die Monate unseres Deutschlandaufenthaltes eine Unterkunft zur Überbrückung in Sierra Leone suchen. Gebete sind erwünscht.
Es ist etwas in Aussicht, aber noch nicht endgültig geklärt. Also beten und hoffen – gar nicht leicht, so einen abhängigen Teenager drei Monate lang zurück zu lassen. Vor allem wenn man das Land kennt und die Kultur im Umgang mit Tieren und v.a. Hunden.
Über unsere Freundin Steffi haben wir einen Tierarzt empfohlen bekommen und so haben wir bei diesem die ersten Besuche vorgenommen. Der Hund wurde beim ersten Termin entlaust und entwurmt. Beim zweiten Termin wurde er gegen Tollwut geimpft.

Mit der Kastration sollten wir warten, bis er mindestens drei Monate alt ist. Nun Anfang April war es so weit und wir machten den nächsten Termin aus. Bei mir oder bei Dir?, fragte der Tierarztgehilfe. Wir entschieden uns zu ihm in die „Praxis“ zu fahren, auch wenn er beteuerte, eine mobile Praxis zu haben und alles Notwendige mitbringen zu können. Aber so schien es uns besser ….
Pünktlich gegen 9 Uhr standen wir zu Dritt auf der Matte – Christina, Ralf und Pinsel. Der schien sich an den Ort der Erstbegegnung zu erinnern – ihm schwante nichts Gutes – und versuchte sich dünne zu machen.
Wir hatten vorher gefragt, ob es mit Narkose stattfinden würde – das war uns wichtig, weil wir von manchen gehört hatten, dass diese OP hier durchaus auch ohne Narkose vorkommt. Eben auch eine Frage des Geldes.

Dann wurde der „OP-Raum“ vorbereitet. Ein Tisch wurde auf die halb offene Veranda geschoben, die ansonsten als Abstellraum dient, darüber eine Decke gelegt und neben unserem waren noch zwei weitere Hunde anwesend. Ein Unterstützerteam sozusagen. Da Ralf Pinsel zunächst auf dem Arm hatte, um ihn zu beruhigen, blieb er die ganze Zeit dabei.
Nun kam auch der eigentliche Tierarzt hinzu – im Rollstuhl, weil er sein Bein gebrochen hatte. Aber er würde nur die Aufsicht führen – die Arbeit macht sein junger Assistent. Das war vorher auch schon so und er hat uns mit seiner fachkundigen und besonnenen Art überzeugt.
Dann wurde eine vorgefertigte Holzverschalung angeschleppt. Drei Bretter – ähnlich einer Krippe – nur vorne und hinten offen, worauf der Delinquent auf dem Rücken liegen sollte.
„Wir arbeiten steril!“, hieß es. Und ja, der Arzthelfer und sein Helfer trugen OP-Handschuhe – mit denen sie allerdings vorher auch alles andere um sich herum anfassten (Türklinken, Stühle, Hunde etc.) – aber so was beruhigt doch ungemein!
Noch lag Pinsel auf dem beruhigenden Arm von Ralf, dort erhielt er die Narkosespritze und Ralf hielt ihn weiter fest. Irgendwann war es dann soweit – der Hund war deutlich ruhiger – das Atmen regelmäßig und die Bewegungen blieben aus. Nun wurde der Patient zurecht gelegt.
Er bekam noch eine örtliche Betäubung und ab da hielt Ralf seinen Blick und Hand während des Geschehens ausschließlich auf Pinsels Kopf – zu viel Wissen und Sehen ist nicht gut.

Von draußen – also ca. 3 Meter entfernt – konnte Christina und die hinzugekommenen nächsten Patienten das Geschehen durch eine Gittertüre mitverfolgen, nur durch eine halboffene Mauer und Türe getrennt.
Die ganze Prozedur dauerte gute 30 Minuten. Insgesamt war Ralf mit Pinsel in diesem Raum eine knappe Stunde. Der Raum war furchtbar heiß und beide waren am Ende nassgeschwitzt – wir schieben es auf den Raum …
Während noch ein paar Nähte gestochen wurden, fing Pinsel an sich wieder zu bewegen – aufzuwachen. Schon mal gut – Narkose hat gut funktioniert. Die Auswirkungen der Narkose hielten noch an – er war wackelig – unsicher und verwirrt – aber wer ist das nicht nach einer Narkose.
Wir alle waren überglücklich, als wir wieder im Auto saßen und uns auf den Heimweg machten – geschafft. Nun geht hoffentlich alles mit Schmerzen und Heilungsverlauf gut. Für Pinsel haben wir Schmerz- und für Ralf Beruhigungstabletten mitbekommen und die haben das ihre getan – Pinsel schlief viel und zog sich zurück.
Nach ein paar Tagen hatten wir den Eindruck, die Scherzen sind vorüber und die Wunde gut verheilt. Allerdings merkten wir zunächst ein paar Veränderungen, was sein Verhalten angeht.
Vorher war er viel draußen und nahm Kontakt zu den ganzen Streunern oder Hunden der Umgebung auf – tollte mit Ihnen rum und eroberte das Umfeld.
In der Woche nach der OP tat er das nicht – er blieb viel mehr drinnen – ging kaum auf die anderen Hunde zu und auch das Terrain erkundete er nicht mehr. Nach einer guten Woche war er dann wieder ganz der Alte – das ist beruhigend.

Die Kosten für die Operation sollten insgesamt 670 Leones kosten (ca. 35 Euro) wir haben 900 Leones gegeben. Wir stellen immer wieder fest, dass die einfachen Menschen hier kaum Arbeitslohn nehmen – ihre Arbeitsleistung nicht einschätzen können – sicher auch weil diese sonst zu teuer wäre und sich kaum einer leisten kann.
Ralf hatte bei Pinsel am Bauch mehrere Stellen festgestellt, die wie Beulen hervortraten. Die waren zu Beginn klein und wurden mit der Zeit größer. Ralf nutzte die Gunst der Stunde, den Tierarzt danach zu fragen. Das sind Parasiten, meinte dieser. Kleine Fliegen, die ihr Ei in den Körper legen. Wenn die Zeit bzw. der Parasit reif ist – bricht ein kleiner weißer Wurm aus der Beule hervor. Sprach´s, drückte auf den größten Boppel und schwupps zog er einen weißen Wurm heraus – guckste! Die anderen Beulen wurden mit einer Salbe desinfiziert. Lebensraum für den Wurm getötet.
Das passiert hier häufiger und kann auch Menschen befallen – hatten wir von einer Freundin gehört, der dies passiert ist.
Am Morgen hatte Ralf noch bei Christina angemerkt, dass er am Bauch zwei – drei Boppel hat, (nein, nicht der Große) und die jucken. Darauf gab es Cortisonsalbe.
Wieder zurück vom Tierarzt überlege Ralf nun, ob sich auch bei ihm ein Parasit eingelagert hat und nur darauf wartet auszubrechen. Unheimliche Vorstellung – sofort ploppte da ein Filmklassiker bei Ralf auf: „Aliens – Die Rückkehr“ – der zweite Teil, ohnehin der Beste von allen! Die danach Schrott. (Ende der Filmkritik) Bis heute ist allerdings nichts dergleichen passiert – Danke!
