Ein bisschen Leben

Der Traum von Unabhängigkeit und Selbstständigkeit treibt die meisten Menschen an – auch hier. Trotz dass in diesem System für die meisten nie etwas daraus werden wird, so bleiben Hoffnung, Sehnsucht und das Träumen.

Manch einer möchte gern einen kleinen Laden aufmachen – mit einem Sortiment an Waren, um diese der Nachbarschaft anzubieten. Andere backen, kochen, frittieren jede Nacht Fisch – Kekse – Bananen und andere Sachen, um sie tagsüber als fliegende Händler an den Checkpoints und auf dem Markt feil zu halten.

Einige wünschen sich eine Nähmaschine oder anderes Handwerksmaterial, um damit die Familie zu ernähren.

Und wieder andere träumen von einem Stückchen Land, um hier zu leben, den Boden zu beackern oder Nutztiere aufzuziehen.

Das alles ist von der Hoffnung begleitet, unabhängig von den Widrigkeiten und Willkürlichkeiten der Mächtigen zu leben.

Seit Beginn an verfolgt auch Amadu – unser Dschungel-KFZ Doktor – diesen Traum. Das Leben auf dem Campus ist nicht einfach. Er erhält ca. 100 Euro / Monat – ist eigentlich als Fahrer angestellt, muss aber für vieles und alles rund um die Autos und noch mehr zur Verfügung stehen und das fast rund um die Uhr. Wenn der Chef ruft, dann heißt es unverzüglich zu reagieren. Alles muss stehen und liegen gelassen werden. Pläne für das Wochenende – vorbei. Besuch zu Hause – egal. Gemeindeveranstaltung – dann ohne ihn. Geplante Reise in die Provinzen – mach sie ein andermal.

Er ist nicht der einzige, dem das auf die Dauer schwerfällt. Das monatliche Gehalt ist dürftig und die Forderungen hoch und spontan. Man kann ohne Nebenjobs überhaupt nicht über die Runden kommen – doch wenn man jederzeit abrufbar sein muss, gerät man in Konflikte. Das endet für die Untergebenen nie gut.

Das führt zu Unzufriedenheit und dem Gefühl ungerecht behandelt zu werden. Auf der anderen Seite ist es aber auch ein sicherer und bezahlter Job, der in der Regel mit einem monatlichen Gehalt endet. Bei über 50 % Arbeitslosigkeit vor Ort ist das schon gewissermaßen etwas Sicherheit. So träumen und hoffen hier viele von einer anderen Zeit und Möglichkeiten – und nicht erst in der Ewigkeit.

Auf diesem Landabschnitt werden Parzellen verkauft. In der Nachbarschaft sollen schon etliche Minister ihren Sommerwohnsitz haben. Also schnell zugreifen, bevor Land weg oder zu teuer ist.

Amadu hat schon mal einen Anlauf unternommen, um im Nachbarort Hastings ein Haus zu bauen. Dabei ist er mächtig auf die Nase gefallen – hier gibt es eben kaum Rechtssicherheit, was Verträge oder Aussagen angeht.

Nun hat er hinter Waterloo etwas „Bezahlbares“ gefunden. Das liegt vom T.E.C.T. gesehen ca. 30 Km entfernt und einmal komplett durch Waterloo durch – was nie schön und schnell geht.

So können dann schon mal angefangene und nicht weiterentwickelte Gebäude aussehen – wenn das Geld nicht mehr fliesst – wobei hier handelt es sich noch um ein zerstörtes Gebäude aus der Zeit des Bürgerkrieges

Es ist schon interessant, wie viel hier gebaut wird – sicher, vieles davon steht dann erstmal auch unfertig da – manches verkommt über die Jahre – an anderem wird immer wieder gebaut und manches geht auch Ruck Zuck. Immer hat es mit Geld zu tun.

Einer erzählt, dass es besser ist, vorhandenes Geld zu nutzen als auf der Bank liegen zu haben – auch wegen des Verfalls der Währung. Auch Ralf kann ein Liedchen davon singen, welche Nachteile es hat, Geld auf der Bank zu haben – aber dazu später.

Die Pfosten markieren an vier Stellen die Parzelle – insgesamt ca. 2 Hektar. Groß genug für Haus und Anbau von Obst und Gemüse.

Amadu hatte ihm bereits mitgeteilt, dass er für 26.000 Leones (1.200 Euro) ein Stück Land (ca. 3 Hektar) kaufen will. O weia – Ralf wird bei solchen Mitteilungen immer ganz unruhig – weil es meist die Bitte um Geld nach sich zieht. Bei mehreren Hundert Anfragen im Monat übersteigt diese Summe entschieden unser Budget.

Doch dann meinte er, er habe bereits 18.000 Leones gespart und möchte in der nächsten Woche das Grundstück Ralf zeigen und kaufen.

Das ist enorm – so viel Geld mit solch geringen Einkommen gespart zu haben. Amadu lebt in einer 8-köpfigen Familie. Sparen ist hier wirklich ungewöhnlich und drückt etwas von der Besonderheit der Familie und Amadu aus.

So fuhren sie zu dritt – Amadu, Ralf und ein weiterer Angestellter vom T.E.C.T. – eine Woche später los, um das Grundstück, das Amadu inzwischen bereits gekauft hatte, zu besichtigen.

Der andere Angestellte ist Thomas: der Sekretär vom Rektor. Er ist in dieser Gegend aufgewachsen und wie sich zeigte hat auch er bereits eine kleinere Parzelle Land erworben.

Ralf erfuhr, dass hiesige Minister dort Grund und Boden gekauft haben und so an ihren freien Tagen abseits von Lärm und Schmutz der Stadt Ruhe und Abgeschiedenheit finden. Das Gebiet wird also erschlossen. In ein paar Jahren wird es teuer und nur noch wenig zu haben sein.

Weites Land – und kaum Bäume – große Wurzeln etc. zu entfernen.

Eine weite Fläche erstreckte sich vor uns – kaum Hügel – immer etwas Wind und dadurch kühler. Wenn jedoch alles bebaut und betoniert ist, wird auch das sich ändern. Aber wer denkt schon gerne an morgen.

Amadu erzählte, dass er beim T.E.C.T. einen Vorschuss von 10.000 Leones bekommen und damit den Kaufpreis bezahlt hat. Die Fläche ist markiert und gehört nun Amadu und seiner Familie – so könnte man meinen ….

Allerdings muss nun schnell etwas auf dem Grundstück gebaut werden. Warum? Weil es sonst sein kann, dass es wieder weg ist. Denn, sollte ein anderer Käufer Interesse an dem Grundstück haben und dem Verkäufer mehr zahlen, dann würde dieser es einfach noch einmal verkaufen, solange es nicht bebaut ist. Natürlich würde dann Amadu das bereits bezahlte Geld zurück erhalten – hätte aber dann kein Land mehr. Guckste?!

Also schnell was hochziehen – hier beim Mißglückten ersten Versuch von Amadu – andere Gegend

Verrückt, oder? Aber leider ist das hier so. Wenn nichts darauf steht, ist es immer noch zu haben – also muss nun schnell etwas darauf entstehen und auch dafür ist Geld notwendig.

Also was zuerst – die Schulden abzahlen oder bauen? Woher das Geld nehmen … – alles nicht so einfach. Wir lernen immer etwas Neues über die hiesigen Wild West Methoden.

Manche sehen nach Jahren noch so aus. Andere entwickeln sich weiter und manche werden auch komplett fertig gebaut. Sobald allerdings ein Dach oder Decke drauf ist, wohnen schon Menschen darin.

Auf der einen Seite freuen wir uns, wenn sich dieser Traum für Amadu und seine Familie erfüllt. Auf der anderen Seite werden sie uns fehlen. Mit ein bisschen Sorge kommt die Frage, was wird mit dem Auto, wenn der Dschungeldoktor nicht mehr greifbar oder schnell verfügbar ist.

Aber wie in allem: Gott weiß und so halten wir es ihm hin. Bis dahin – ein frohes und gesegnetes Fest der Auferstehung!