Irgendwie ist immer was los und so geht es uns gefühlsmäßig schon dieses ganze dritte Jahr. Viele Termine – Sondersachen – Begegnungen und so manches dazwischen. Und manchmal dann alles auf einmal …
Die Hochzeit eines Kollegen von Christina am T.E.C.T. war lange geplant, vorbereitet und würde nun am Wochenende stattfinden. Die meisten Hochzeiten hier haben zwei Termine.

Der erste Termin ist für die traditionelle Hochzeit bei den Brauteltern oder deren Familie und würde am Donnerstagabend vor dem Elternhaus stattfinden. Da wir solch eine traditionelle Hochzeit schon hautnah mitgemacht haben und diesmal unter Ferner liefen, haben wir daran nicht teilgenommen. Es ist meist um Stunden verspätet, extrem laut, man bekommt von der Zeremonie selbst nichts mit (die ist im Haus, wo aber nur die wichtigsten Personen teilnehmen dürfen), steht in einer schwitzenden, lärmenden, tanzenden Menschenmenge und muss den Ort erst suchen, weil er uns nicht bekannt ist. Außerdem würde es dunkel werden – das bedeutet, wir dürfen nicht mehr Auto fahren. Abends jedoch mit öffentlichen Verkehrsmitteln durch Freetown fahren – das ist nicht unser Traum und auch nicht ungefährlich.
Eine traditionelle Hochzeit ist generell sehr interessant, beeindruckend und ein Erlebnis – allerdings nur, wenn man im Zimmer bei den Trauhandlungen dabei sein darf. Bei unserer ersten traditionellen Hochzeit waren wir Godparents (wichtig). Hier waren wir komplett involviert und durften alle Handlungen erleben – das wäre nun anders.

Zudem hatten wir noch andere Termine. Von daher war unsere Anwesenheit lässlich. Geld hatten wir ja im Vorfeld schon mehrfach gegeben – also alles Wichtige war erledigt.
An der kirchlichen Hochzeit am Samstag wollten wir dann aber auf jeden Fall teilnehmen. Die sollte um 12.30 Uhr in der Kissy Baptist Church stattfinden (eine sehr große Gemeinde in Freetown).
Am Freitag, das Wochenende stand vor der Tür – etwas Entspannung …. – passierte es – gegen Mittag beim Betätigen der Toilettenspülung floss zwar Wasser in selbige, aber nicht mehr ab. So ein Sch…..
Schnell den Klempner anrufen und den Manager of Facilities informieren. Der Klempner teilte erstmal mit, dass ganz viel zu tun sei, aber er heute Abend vorbeischauen würde. Die Antwort vom Manager dauerte etwas – er schaltet gerne sein Handy ab, um in den vielen Aufgaben, die er hat, nicht gestört zu werden.

Wir hatten vor zwei Jahren schon mal den Fall, dass wir Bad und Toilette nicht nutzen konnten, weil die Abflussleitung zum Meer irgendwo blockiert war. Da war viel Buddeln angesagt und es dauerte drei Tage. Allerdings wurde relativ schnell parallel eine Grube ausgegraben, um einen provisorischen Abfluss und somit die Nutzung von Dusche und Toilette zu gewährleisten.
Diesmal – mal schauen. Also, was machen wir nun mit unseren Bedürfnissen. Busch und Baum wie die meisten hier? Eine Idee, die nicht bei jedem gleichen Anklang fand – zumal wir ja vom wilden Leben umgeben sind.
Christina besorgte deshalb über den Manager den Schlüssel für die Lehrertoiletten im Admingebäude (schräg gegenüber von uns), diese durften wir dann nutzen. Bei der Bundeswehr gab es den „Spatengang“: Bei Geländeübungen oder Manövern im Wald und auf der Heide machten die Soldaten sich, bewaffnet mit Spaten und Toilettenpapier, auf den Weg, um im Wald oder Gebüsch eine Grube zu schaufeln und zu füllen. Ralf fühlte sich daran erinnert – bewaffnet diesmal mit Toilettenpapier und Schlüssel quer über den Campus.

Die Klos sehen aus wie WCs und haben auch Wasser in der Schüssel, sind aber nicht mit Frischwasser verbunden. Stattdessen stehen große blaue Tanks neben dem Klo, wo man dann mit Topf schöpft, um das Klo sauber zu hinterlassen. Klobrille gibt es ebenfalls nicht und die Türen sind nicht zu schließen. Aber es waren immerhin Klos in einem Raum, wo Vorbeigehende nicht direkt reinsehen können. Das genügt völlig!
Gegen 19.30 Uhr am Freitag (es war bereits dunkel) kam tatsächlich der Klempner und fing an, die „Sickergrube“ draußen zu öffnen. Also einen abgedeckten Zugang, um in den „Abflusskanal“ steigen und schauen zu können, was oder wo das Problem saß. Es war schnell zu erkennen, dass etwas nicht stimmte: Die Grube war randvoll … und jetzt?
Also muss irgendwo zwischen Meer und Grube der Durchgang blockiert sein …
Wahrscheinlich wieder durch die Mangobäume und Mangroven, deren Wurzeln sich eben ihren Weg suchen und unter solchen Bedingungen besonders gut gedeihen.
Ralf merkte an: „Ihr könnt doch in der Dunkelheit nichts erkennen, wäre es nicht besser, morgen früh zu kommen?“

„Nein, wir haben zu viel zu tun. Auch morgen können wir erst am Abend kommen!“ Also fingen sie wieder an und gruben parallel ein Loch, um mit Eimern das Innenleben von Grube A nach Grube B umzufüllen.
Wir stellten dankbar fest, dass wir die Dusche nutzen konnten. So konnten wir frisch gesäubert ins Bett gehen – nach den heißen Tagen ein dringendes Bedürfnis. Am Samstagmorgen im Hellen konnten wir besser sehen, was sie abends gemacht hatten. Die Toilette floss immer noch nicht ab, so schien das Problem nicht behoben zu sein. Ralf informierte den Klempner und der wollte dann „gleich“ kommen …. um sich das anzuschauen. Von Grube zum Meer sollte es nun wieder fließen …. Aber im Klo selbst ist immer noch Stau!
Da „gleich“ in diesem Land relativ ist, machten wir uns auf den Weg zum Hochzeitsgottesdienst – sollte der Klempner kommen, dann könnte Nathanael ihm weiterhelfen, der auf Hochzeiten keine große Lust hat…
Wir wollten – also Christina – schon um 12 Uhr bei der Kissy Baptist Church sein – schließlich fängt ja der Gottesdienst um 12.30 Uhr an und da ist es wichtig, sich rechtzeitig einen Platz zu sichern. Dies war die ausdrückliche Empfehlung des Bräutigams.
Nun wie immer hier: der Gottesdienst begann erst gegen 13.30 Uhr. Eine ganze Reihe der Honoratioren war nicht eingetrudelt und so musste eben etwas gewartet werden – auch die Brautleute bzw. die Braut durften sich in Geduld üben …..
Die Leute hier rechnen auch nicht wirklich damit, dass etwas zur festgelegten Zeit beginnt –wer jedoch deutsch ist und sich mit dem Umstellen schwer tut, ist halt „pünktlich“ da!
Was hier bei Hochzeitsgottesdiensten deutlich anders ist als bei uns: sind die Begrüßungsrituale. Wichtige Personen aus Politik, Funk und Fernsehen – in der Regel Pastoren – sitzen allesamt vorne auf dem Podium, werden einzeln mit Namen und Funktion gegrüßt, beklatscht und umjubelt. Allein dieser Part der Begrüßung und Würdigung nimmt um die 20 Minuten und mehr ein – wortgewaltig und blumig. Man kann sogar den Eindruck gewinnen, dass die „Big Five“ Gäste wichtiger sind als das Brautpaar!
Wir beide kleine Pastoren hatten uns unten beim normalen Volk platziert. Doch ein aufmerksamer verantwortlicher Pastor entdeckte Christina und bat sie ebenfalls auf das Podium (du bist doch auch Reverend!) – mittig genau vorne – sozusagen in der allerersten Reihe, allen Gästen und dem Brautpaar zugewandt. Dort hatte sie dann den besten Überblick über alles was geschah. Es saßen noch etliche weitere Reverends in der Gemeinde, die nicht nach vorn gebeten wurden, deshalb schließen wir auf Weißenbonus. Manchmal ist das wirklich unangenehm. Fürs Fotomachen war es jedoch hilfreich.
Anders ist auch, dass es bei hiesigen Hochzeiten immer erst um den „rechtlichen“ Akt geht – Einsetzungsworte – Trauversprechen und Trauung – alles ganz am Anfang des Gottesdienstes. Erst danach finden Predigt, Gebete, Grußworte und Lobgesang statt. Bei uns ist das ja umgekehrt der Fall. Wie in vielen anderen Ländern auch, haben anerkannte Pastoren in Sierra Leone das Recht, für den Staat verbindliche Trauhandlungen vorzunehmen.
Viele Gäste waren gekommen. Wir erlebten ein buntes und fröhliches Geschehen. Musik ist hier Lebensgefühl. So wird auch beim Lobpreis oft getanzt und gefeiert. Da der Bräutigam aus dem Stamm der Kono kommt, kamen als besondere Überraschung alle anwesenden Kono nach vorne und brachten ein Loblied in der Sprache der Kono als Geschenk ein. Das Brautpaar in der Mitte und die Kono singend drum herum – ein bisschen wie Jericho.
Nach guten vier Stunden wurde die letzte Runde eingeläutet – die Unterschriften sollten auf das Traudokument gegeben werden. So machten wir uns schon mal vom Acker und auf den Weg zum T.E.C.T. Dort würde die Hochzeitsfeier stattfinden. Und wir würden den aktuellen Stand unser Bedürfnisanstalt herausfinden.
Während die eine dann Hochzeit feierte – wobei das Brautpaar erst gegen 19.30 Uhr auflief – kümmerte sich der andere um den Klempner – rief ihn an. Er kam und schaute sich die volle, nicht abgelaufene Toilette an. „Ich brauche einen Eimer“, meinte er. Er bekam einen und als Ralf sah, was er vorhatte, meinte er noch, „das wäre nicht zu empfehlen“, denn der Eimer passte nicht unter das Abflussrohr. Aber da war es auch schon passiert und der Inhalt des verstopften Rohrs ergoss sich schwallartig ins gesamte Bad …. – Überraschung.
Jetzt ging es ans Saubermachen und Feststellen, dass auch zwischen Grube und Toilette eine Verstopfung war. Wahrscheinlich hatte sich alles vom Mangobaum zurückgestaut, an verschiedenen Stellen verdickt und hing fest. Die Arbeit des Klempners war nicht zu beneiden.
Am Abend waren wir jedenfalls wenig entspannt. Das viele Warten, die laute ununterbrochene Musik bzw. Reden der Hochzeitsfeier und dann noch die Toilettenprobleme. Ein ganz normales Wochenende – naja gut, nicht immer.
Wir hoffen nun, dass sich eine Kloblockade das nächste Mal erst nach Juli 2026 einstellt – weil wir nicht glauben, dass dies das letzte Mal des blockierten Abflusses sein wird.

Es gibt Dinge, die man nicht vermissen wird. Klar, den Schlüssel für die Lehrerbedürfnisanstalt haben wir wieder retour gegeben und auch da sind wir dankbar a) dass wir sie nutzen durften und b) sie (hoffentlich) nicht mehr nutzen zu müssen.