Die Festival Season war laut, lebendig und hektisch. Es gab unzählige Hochzeiten, Feiern und andere Events. Das bedeutet, hier wird immer Geld locker gemacht ….

Wenn jemand heiratet, wird erwartet, dass man feiert! Mit allen: mit der ganzen lieben Verwandtschaft und darüber hinaus (Familie, Freunde, Gemeinde, Nachbarn). Das sind oft Dorfgemeinschaften, die da zusammen kommen, mehrere hundert Menschen mindestens. Dazu muss auch immer Essen vorbereitet werden. Da die wenigsten das Geld für solche Größenordnungen haben, wird im Vorfeld eifrig gesammelt, gespart und es werden Klinken geputzt. Nicht wenige, die sich bei so einer Aktion verschulden oder von anderen abhängig machen. Auf der anderen Seite funktioniert das hier so und deshalb weiß man: Wenn ich diesmal etwas gebe, wird derjenige sich, wenn ich dann mal feiere, revanchieren „müssen“ (hoffentlich) – ein Kreislauf der Unterstützung sozusagen. Wer da nicht mitmacht, bekommt das deutlich zu spüren.
Die Art des Essens ist sehr variabel. Wer mehr Geld hat oder aufbringt, serviert ein aufwendigeres Essen mit z.B. Hühnchen oder Rind. Wer wenig aufbringt, kann eben nur Reis mit Soße (aus Kartoffel- oder Maniokblättern oder mit Bohnen) anbieten.

Die Festival Season ist nun vorüber und so gehen auch die Anzahl der Events deutlich zurück – sicher, vereinzelt findet immer mal wieder etwas statt.
Die notwendige Folge: Wir nehmen wieder eine größere Not wahr. Egal wo wir stehen und laufen, werden wir wieder vermehrt um Essen oder Geld für selbiges gebeten. Ob beim Tanken oder an der Ampel – an Checkpoints – im Stau – auf einmal steht ein ganzer Pulk von Personen am Fenster und ums Auto herum. Alle bitten um etwas – Essen oder Geld. Wir geben häufig kleine Beträge, aber an Checkpoints oder Ampeln, wo die Bittenden zahlreich sind, ist das nicht gut.
Eine Unart hier in Sierra Leone ist, dass die Leute, ob groß oder klein, gerne mal so im Vorbeigehen aufs Auto schlagen. Wer das nicht gewohnt ist, der erschrickt heftig und sucht nach dem „Unfall“ der gerade passiert ist. Warum sie das so lieben, keine Ahnung, aber unser Auto bekommt auch des Öfteren die gleiche liebevolle Pflege wie die Vehicle der Einheimischen. Da Ralf das überhaupt nicht mag – hält er unverzüglich an und bittet höflich und in Ruhe, dies zu unterlassen …. Da schauen sie ihn an, ob er vom Mars käme – macht doch jeder, tut keinem weh und was also willst du?

Genauso wenn wir irgendwo kurz parken müssen, um auf jemanden zu warten. Man kann sich darauf verlassen, dass dann mindestens einer, wenn nicht mehr kommen, um „Hilfe“ anzubieten. Dafür wollen sie dann auch etwas haben – ob es nun hilfreich war oder nicht. Letztens standen wir im Stau, es ging nur langsam im Stop and Go vorwärts. Plötzlich bekamen wir einen Eimer Wasser auf die Frontscheibe geknallt. Manche fangen einfach an, die Scheibe und das Auto zu „putzen“. Dazu nehmen sie ein Tuch oder das eigene T-Shirt und reiben das Auto. Selten wird es dadurch sauber, meist verteilt es eher den Dreck. Auch unser ständiges Mantra: „Lass es – nicht nötig – wurde gerade gestern gewaschen und ich gebe nichts!“ – all das hilft nicht. Und um keine „liebevollen Aufmerksamkeiten“ für das Auto zu riskieren, gibt man dann lieber doch eine Kleinigkeit ….. Not macht eben erfinderisch.
Die Leute vom Campus sind für uns immer ein gutes Indiz für das, was im Land geschieht. Wenn auch sie kommen, weil nichts zu essen da ist, wissen wir: Da ist auch allgemein etwas dran. So eben auch jetzt im Januar. Der Feiermonat, wo das Geld lockerer saß und alle großzügiger sind, ist rum.
Das sagen die Einheimischen sogar selber: In der Festival Season wird rausgehauen und danach werden wir hungern. Ebenso gibt es aufgrund der Trockenzeit kaum Ernten, weniger Wasser und das wird auch noch etwas anhalten. Es gibt den geflügelten Spruch, dass der Januar der längste Monat des Jahres ist – das nächste Gehalt wird ungeduldig herbeigesehnt.
Wobei es auch interessante und gute Nachrichten gibt: Es werden doch tatsächlich die Preise gesenkt.

Zu Beginn unseres dritten Jahres in Sierra Leone wurden die Benzinpreise etwas gesenkt: von 30 Leones auf 27,30 Leones/Liter (Benzin) und 27,40 Leones/Liter (Diesel). Das ist nicht die Welt, aber immerhin.
Ebenso werden nun ab Februar 2025 die Reispreise limitiert. Die waren bisher stetig steigend – vor 2,5 Jahren kauften wir einen 50Kg Sack für 700 Leones und nun kostet uns dieser 1.060 Leones.
Es ist interessant festzustellen, dass die Regierung hier den freien Handel dirigiert. Aber starke autoritäre Systeme sind ja ohnehin im Kommen und da klappt das eben.
So ist es auch kaum verwunderlich, wenn wir mit den Menschen aus Sierra Leone – gerade die TikTok Generation – ins Gespräch kommen, dass sie politisch Trump für die Lösung aller Probleme halten.
Charakter ist unwichtig – wer sich durchsetzt hat Recht. Das aber haben sie mit vielen Ländern und Menschen gemeinsam und der Ruf nach einem Führer der „freien Welt“ wird, so scheint, immer lauter. Wie heißt doch der neue Präsident der USA – Elon?!
