Wir befinden uns nun in unserem dritten Jahr hier in Sierra Leone und man kann den Eindruck gewinnen, mittlerweile ist alles Routine.
Das stimmt zum Teil und doch haben wir den Eindruck, eine Routine stellt sich nur schwer ein. Vieles ist und bleibt fremd und das liegt nicht nur an uns.

Alleine das Klima oder Wetter. Uns wurde gesagt, ab Oktober beginnt die Trockenzeit – der Harmattan kommt Ende des Jahres (Wüstenwind aus dem Norden) – es wird v.a. nachts kühler und weniger Luftfeuchtigkeit.
Wir fragen uns, ob das Wetter das auch weiß?? In unserem ersten Jahr haben wir das auch tatsächlich so erlebt! Doch schon letztes Jahr hatten wir den Eindruck, der Regen bleibt länger – der Harmattan lässt sich nicht blicken und es ist auch nachts deutlich schwüler.
In diesem Jahr verdichtet sich das noch mal. Nun ist es nicht nur unser Gefühl – selbst die Einheimischen wundern sich über die lange und heftige Regenzeit – über die Hitze und durchgehend hohe Luftfeuchtigkeit. Alles im Fluss – Ströme von Schweiß laufen den Körper hinab, von morgens bis abends. Das ist anstrengend und auf Dauer fehlt die Erholung bzw. das runterkühlen. Auch jetzt noch Mitte Dezember ist es heiß und schwül – allerdings gibt es mal für ein – zwei Tage etwas kühleren Wind und Nachts eine leichte Abkühlung – leider nicht für Dauer!
Vielleicht war ja das erste Jahr das Gnadenjahr ….

Seit Anfang November haben wir Solarenergie. Das bietet den Luxus, die ganze Nacht unsere Ventilatoren nutzen zu können. Zusammen mit den kleinen Akkuventilatoren ein Segen, um in der schwülen Hitze doch etwas einschlafen zu können.
Nun haben wir also dauerhaft Strom, zumindest in Steckdosen und Glühbirnen. Es hilft, Geräte aufzuladen, Kaffee zu kochen und den Kühlschrank dauerhaft kühl zu halten. Eine wirklich gute Entscheidung!!
Unser Warmwasserboiler und die halbautomatische Waschmaschine (sowie Klimaanlagen, die wir jedoch seit 2 Jahren nicht mehr nutzen, da unser Stromnetz damit überfordert ist) sind jedoch von Solarenergie ausgenommen. Diese Geräte würden einfach zu viel Strom ziehen.
Natürlich wissen wir, dass die meisten Menschen all das nicht haben und doch müssen wir uns immer wieder klar machen, die meisten kennen auch nichts anderes – wir hingegen schon und damit umzugehen ist eben nicht immer einfach.
Es vergeht kein Tag, an dem wir nicht mit irgendwelchen Nöten, Sorgen und Problemen oder manchmal auch klaren Forderungen konfrontiert werden.

Die Versorgung der Studentenwohnheime einmal im Monat hat bisher ganz prima geklappt. Doch nach der letzten Versorgung kamen knapp zwei Wochen später Studenten und meinten, das Essen sei bereits aufgebraucht – wie bitte???
Im ersten Jahr reichten 150 Euro, um die Wohnheime für einen Monat zu versorgen. Im letzten Jahr stieg das auf 200 Euro und nun landen wir bei guten 250 Euro im Monat.
Aber klar, die Zahlen derer, die hier studieren und leben, hat zugenommen – ebenso wie die Lebenshaltungskosten. Im ersten Jahr haben wir einen 50 Kg Sack Reis für ca. 750 Leones bekommen – nun liegt dieser bei 1.050 Leones.
Wobei Ralf mal vorsichtig fragte, was der Dorm Captain (Studentischer Leiter des Männerwohnheims) zu der Aussage sagt, es sei kein Essen mehr da.?! Als wir diesen also fragten, meinte er, wir haben noch etwas übrig, allerdings wollen die Jungs nicht so gerne kochen …. Es gibt wohl drei-vier die das machen – aber eben nicht immer …. Na klar, da geht man eben lieber zu Mum Christina „I am hungry“ und die kümmert sich – so nicht, meine Freunde!!
Vertrauen ist hier ja ein seltenes Fundstück. Wir können davon Lieder singen. Ein Student hat seinem Cousin ein Bike finanziert und dafür an verschiedenen Stellen Schulden aufgenommen. So kann der Cousin, der bei ihm lebt, als Taxi Geld verdienen und das Bike abbezahlen. Doch der junge Mann sah gar nicht ein, das sauer verdiente Geld zur Tilgung etc. zu nutzen. Seine Arbeit! Sein Geld! So tauchte er einfach unter. Unser Student muss sehen, wie er ohne Job von seinen Schulden runterkommt. Das bereits abgestotterte Geld für das Motorbike wird von den Eigentümern einfach einbehalten. So hat unser Student doppelten Schaden. Recht bekommt er nicht.

Betrug und Diebstahl kommen überall vor – auch auf dem T.E.C.T. Gelände. Gerade deshalb sollte man nichts unbeaufsichtigt lassen, will man nicht, dass es Beine bekommt. In den Wohnheimen wohnen bis zu vier Studenten in einem Zimmer und alles ist offen. In jedem Jahr werden hier Handys geklaut – manchmal findet man den Täter – aber selbst wenn, das Handy ist weg und Geld oder Ersatz kann man keinen erwarten. Wer geschnappt wird, fliegt vom College.
Im Straßenverkehr gilt es äußerst konzentriert und umsichtig zu fahren – einfach alles vor, neben und hinter einem im Blick zu behalten. Das ist nicht einfach und furchtbar ermüdend. Wenn es zu Staus oder Stopp and Go kommt, dann wird sich durchgeschoben oder gedrängelt. Vor allem Bikes und Kekes fahren dann noch mal eben schnell in die nächste Lücke – nicht selten vergessen sie die Ausmaße ihres Transportgutes und dann schrammen sie schon mal am anderen Verkehrsteilnehmer entlang. Das tut ihnen manchmal auch leid – aber sich darüber aufzuregen oder auf Reparaturkosten zu bestehen, bringt gar nichts. In leeren Taschen findet man nichts und Versicherungen, die solche Kosten übernehmen würden, hat kaum einer. Also anpassen – Augen zu und durch!

Echt anstrengend ist mittlerweile das Klima. Wenn das durchgehend so bleibt – das ist, was wir hier normalerweise ab April erlebt haben – oder gar noch zulegt an Hitze und Luftfeuchtigkeit, dann gute Nacht Otto.
Wie gut, dass wir darauf bestanden haben, jedes Jahr eine Auszeit in D zu nehmen – einfach mal Abstand von all dem Chaos – Druck – Belastungen. Sicher, auch in D sind wir viel unterwegs und haben jede Menge zu erledigen – aber klimatisch einfach mal aufatmen – verkehrstechnisch relaxen – dem Not und Elend natürliche Grenzen setzen – all das ist wichtig …. für uns.
Dabei wird der nächste Turn in D deutlich kürzer, wahrscheinlich „nur“ zwei Monate. Von daher müssen wir schon jetzt manch eine/n sicher enttäuschen – wir werden nicht alles schaffen, selbst was wir uns gerne gewünscht oder vorgenommen hätten – tut uns wirklich leid! Danach haben wir dann wieder mehr Zeit … denken wir.
