Kaputt

Bei einem Nachbarschaftsbesuch einer Missionarin aus den USA meinte diese nebenbei, dass sie den Eindruck habe, irgendwie ist hier immer etwas kaputt und funktioniert nicht. Sie lebt seit sechs Jahren hier. Wir können nach zwei Jahren eigener Erfahrung dazu nur nicken.

Ihr EDSAmeter war seit Wochen defekt. Nach einigem Hin und Her war klar, dafür musste ein Mitarbeiter von EDSA aus Freetown kommen. Doch was sie auch versuchte, über einen längeren Zeitraum fand sich da keine Lösung. Die beiden Male als ein Mitarbeiter kam, ging dieser wieder unverrichteter Dinge. Zum bearbeiten benötigt man Strom über EDSA – doch der funktionierte ja nicht.

John und sein Mitarbeiter beim Reparieren unser Stromleitungen

Es war zermürbend, da sie aufgrund der Hoffnung, der Fachmann könnte vielleicht kommen, das Haus tagelang nicht verließ. Trotz ständigen Telefonierens, Schreibens und Zahlenwollens dauerte es über einen Monat. Überbrücken konnte sie diese Zeit nur mit der 2-3 maligen Nutzung des Generators pro Tag, u.a. um die Gefriertruhe kalt zu halten. Also kein Wunder, dass auch der Generator in der Zeit öfter zum „Notarzt“ musste.

Diese Frustration, Hilflosigkeit und Ohnmacht kennen wir nur zu gut. Wenn das Leitungswasser gefixt ist, hast du ein Problem mit dem Strom – dem Generator – der Dusche – Toilette – Dach – Bank – Benzin, Diesel, Gas oder unserem Dauerbrenner ….. Auto! Es vergeht kaum mal zwei Wochen ohne Schaden.

Das ist mitunter schon recht anstrengend, gerade auch, weil es immer zeitintensiv, frustrierend und abenteuerlich ist, Lösungen zu finden.

Für den Gasherd benötigen wir Streichhölzer, um das Gas zu entzünden und kochen zu können. Für einen Vorgang benötigen wir zwischen 2-5 Streichhölzer. Das liegt vielleicht auch an unserer Kompetenz Streichhölzer richtig zu entzünden?! Aber vielmehr liegt es an dem Produkt selbst. Oft bröckelt das Phosphor vom Streichholzkopf einfach weg – nicht zu gebrauchen. Oder das Streichholz bricht entzwei (es ist viel dünner als die deutschen Streichhölzer). Oder man muss über den Schmirgelstreifen mehrmals reiben, weil dieser einfach nicht zündet – die hohe Luftfeuchtigkeit?!?

So haben wir hier in einem Supermarkt einen Stabanzünder gekauft. Also kein tiefes Beugen und zum Entzünden halb im Ofen hängen. Sondern bequem mit etwas Distanz mit dem Finger drücken und klick – Flamme an!

Aber was ist das? Gerade gekauft, nun zum ersten Mal nutzen wollen und nichts …. gar nichts tut sich. Kein Klick und mehr noch keine Flamme. Kaputt!

Was hier ankommt und in den Verkauf geht, ist oft billig produziert (China) und oft ganz schnell kaputt! Auch beim Bauen kann man das wahrnehmen – Straßen und Häuser geben ein eindrückliches und entsetzliches Zeugnis davon. So verhält es sich auch mit vielem anderen. Sicher hängt das auch mit der Kaufkraft der Menschen hier zusammen, aber selbst gutes Geld erhält mitunter schwer etwas anderes. Oder es ist so unverschämt teuer, dass man sich das Gute gut überlegen muss.

Wurde dann aber im Laden anstanslos umgetauscht und der Neue funktioniert …

In Deutschland, haben wir gelesen, wird sich gerade darüber beschwert, dass man jetzt für eine Packung Butter (250gr) 2,30 Euro zahlen muss – viiiieeellll zu teuer! So haben wir es verstanden.

Wir sind deutsch, bei uns gehört Butter (Streichfett) aufs Brot. Dafür zahlen wir hier mittlerweile für 225gr 220-260 Leones – also 8-10 Euro!!

Auch unsere Kaffeemaschine musste erneuert werden. Das Glas der Kanne hat einen Sprung bekommen. Beim Nachforschen war es keiner gewesen. Also warum auch immer, aber sie ist definitiv inkontinent geworden. Doch ohne Kaffee geht hier gar nichts und so brauchen wir Ersatz. Einfach eine neue Glaskanne kaufen gibt’s hier nicht (oder vielleicht doch, aber dann heißt es viel Zeit und Aufwand beim Suchen – gebraucht irgendwo – vielleicht?). Dann eben doch eine komplett neue Maschine kaufen – eine ganz einfache! Aber wo?

Auf der Suche klapperte Ralf die Supermärkte ab. Beim dritten wurde er fündig – wow, 75 Euro soll das gute Stück kosten! Da muss irgendwo ein unsichtbarer Goldkern enthalten sein. „Warum ist das so teuer – in Deutschland würde ich dafür 21 Euro zahlen?“

„Ach mein Freund! Der Transport, die Lieferung und ein bisschen Profit muss ich auch noch machen!“ …. – Nun ja, wir haben einen Nachlass von 5 Euro bekommen – da war doch mal was mit 5 Euro (sind sie dabei!).

Woher die Maschine kommt ist auch nicht ganz klar. Auf der Verpackung steht „made in China“ und auf der Gebrauchsanleitung steht eine 2-Jahres Garantie, die Indien übernimmt. Hä?? Eine chinesische Maschine, die für Indien produziert wurde und jetzt in Sierra Leone gelandet ist? Das nennt sich mal international.

Wie auch immer, jetzt haben wir eine neue Kaffeemaschine und hoffen, die hält mindestens zwei Jahre.

Gleichzeitig wünschen, hoffen und beten wir, dass unser Kühlschrank und die Waschmaschine mit Schleuder eine Laufzeit von über vier Jahren haben.

Die Menschen hier sehen all diese Probleme. Sie wissen davon und gut finden sie es auch nicht. Auch sie frustriert das. Auch sie leiden darunter. Aber sie haben keine Macht oder Möglichkeit, daran etwas zu ändern. So versucht man damit zu leben. Sie sind wirklich Überlebenskünstler – mit den einfachsten Mitteln reparieren und die jeweiligen Dinge am Laufen halten. Eben auch, wenn das bedeutet, dass man täglich die gleichen Dinge reparieren muss, wieder und wieder. Das ist wirklich sehens- und bewundernswert.