Societies (Geheimbünde)

In Gesprächen mit Pastoren aus den Provinzen, aber auch in den Städten haben wir des öfteren von Secret Societies (Geheimbünden) gehört.

Geheimbünde gibt es überall und schon lange. Es sind Organisationen oder Vereinigungen, die ihre Mitglieder, Ziele oder Tätigkeiten weitgehend vor ihrer sozialen Umwelt geheim halten. Auch wenn die Ziele von diesen Geheimbünden unterschiedlich, z.B.  politisch – kriminell – kulturell – okkult sein mögen, haben sie gemeinsam, dass ihre Geheimnisse keinem Außenstehenden bekannt gemacht werden dürfen (Wikipedia). Ihre Geheimnisse geben Macht, die nur Eingeweihten verständlich und nutzbar sein sollen.

In Sierra Leone gibt es, soweit wir das gehört haben, in jedem Dorf und jeder Stadt Geheimbünde, „Societies“. Sie bestehen entweder ausschließlich aus Frauen oder Männern mit einer hierarchischen Leitung mit rigider Struktur.

Maskotchen hat jede Society

Hier verbreiten die Societies Angst und Schrecken. In einem Dorf gehört fast jeder dazu – kaum einer, der sich dem entziehen kann. Wer dagegen ist, wird oft zwangsweise initiiert oder getötet. Bis vor kurzem wurden schon die kleinen Kinder von ihren Müttern zu den Bünden gebracht und der Initiationsritus wurde vollzogen. Bei den Mädchen ist es die Genitalverstümmelung (FGM), bei Männern gibt es teilweise bestimmte rituelle Verletzungen, die als Erkennungszeichen gelten (z.B. Schnitte am Hals). Die Einführung von Kindern in die Societies wurde nun gesetzlich verboten – offiziell muss man jetzt 18 sein, um dort Mitglied werden zu können. Hier werden Gesetze jedoch längst nicht immer umgesetzt. Wer sich bei der Polizei beschweren möchte, weil er zwangsweise initiiert wurde, wird erleben, dass diese nicht tätig wird. Viele Polizisten sind selbst Mitglieder – und gegen diese Bünde möchte man nicht aktiv werden. Sie sind zu mächtig.

Wer initiiert wird, auf den werden kultische Gottheiten beschworen und er/sie wird diesen geweiht. Manches Kind ist so jung, dass es sich später kaum noch daran erinnern kann.

Wenn sich dann im Laufe des Lebens solche Menschen für den christlichen Glauben interessieren und mit Jesus beschäftigen bzw. sich ihm anvertrauen wollen, erleben nicht wenige Gemeindepastoren, wie sich in ihnen etwas sträubt und „dagegen“ arbeitet.

Der westlichen Kultur mag das fremd und ein Relikt längst vergangener abergläubischer Zeiten sein. Hier ist es Realität und die Menschen haben Angst.

Selbst altgediente Pastoren meiden die Konfrontation und Nähe – lieber gehen sie woanders hin. Wenn sie den Zorn der Societies auf sich ziehen, kann es für sie böse enden.

Wenn eine Society eine Versammlung durchführt, beginnt dies mit einer Prozession durch die Straßen. Niemand darf in dieser Zeit unterwegs sein – kein Außenstehender darf die Prozession sehen und oder der Intitiation beiwohnen – selbst nicht unverschuldet/zufällig. Auch das ist schon passiert. Wer gesehen wird, der wird zwangsweise initiiert, verflucht, geschlagen oder Schlimmeres.

Ja die Leute hier haben Angst vor den Societies und räumen ihnen unheimlich viel Macht ein. Wir verwundern uns mitunter darüber, weil wir doch in Christus – der den Bösen überwunden hat – unter dem Schutz des Siegers stehen. Durch sein Blut haben wir das Fundament eines viel Mächtigeren in unserem Leben. Da jedoch immer wieder schlimme Dinge geschehen sind, bricht Panik aus, sobald solch eine Prozession stattfindet.

Hier ist dieses „Kulturgut“ so verwurzelt und verinnerlicht, dass die neue Identität in Christus nur langsam verstanden wird.

Societies gibt es hier überall, haben Einfluss und wirken sich im täglichen Leben der Menschen aus. Frauen müssen sich kulturell in Sierra Leone ihren Männern unterordnen. Wenn jedoch die Society ruft, brauchen sie keine Erlaubnis ihres Ehemanns. Dann sind sie frei zu gehen und niemand darf etwas dagegen sagen.

Nun kam das christliche Pfingstfest. Vier Tage vorher wurden die Menschen in Kenema – einer Stadt im Osten von Sierra Leone – von den Societies informiert, dass am Sonntag keine christlichen Gottesdienste stattfinden dürfen und die Menschen zu Hause bleiben sollen. An diesem Tag wird in den Societies eine neue Leiterschaft eingeführt – kein Außenstehender darf das sehen und sich dabei blicken lassen! Deshalb keine christlichen Gottesdienste! Bleibt alle zu Hause!

Die Pastoren und ihre Mitglieder waren erstmal geschockt – was sollen wir tun – und so wurde hin und her diskutiert und gebetet. Es gibt einen Zusammenschluss aller Christen in jeder Gegend, „the body of Christ“. Der tagte und beriet, um mit einer Stimme zu sprechen. Der Chief (Bürgermeister) und Paramount Chief (übergeordnet) wurden informiert und um Stellungnahme gebeten. Außerdem wurde ein Machtwort gegen die Societies gefordert. Immerhin herrscht in Sierra Leone Religionsfreiheit. Gottesdienstverbot ist nicht legal!

Doch beide Politiker wollten nichts unternehmen, denn schließlich ist die Frau des Präsidenten von Sierra Leone Schirmherrin dieser Veranstaltung und als Gast dabei. Wie bitte? Die Frau des amtierenden Präsidenten, der katholischer Christ ist, ist bei einer solchen Vereinigung dabei und deren Schirmherrin …

Wir informierten und fragten beim deutschen Botschafter und beim Präsidenten der BCSL nach. Der Präsident der BCSL teilte ein Schreiben, wo die christlichen Kirchen in Sierra Leone eine Protestnote eingelegt haben. Vom deutschen Botschafter erhielten wir hinterher – als alles vorbei war – eine Rückmeldung, dass man sehr vorsichtig sein muss, um nicht schulmeisterlich wahrgenommen zu werden. Es sei gut, dass landesintern genug Proteste gekommen sind. Sehr „diplomatisch“ eben. 

Das Schreiben der Kirchenbünde

Der Landrat hingegen sprach sich zwei Tage später deutlich gegen die Offerte der Societies aus. Er hob das Versammlungsverbot für Christen auf und verbot im Gegenzug für die Zukunft, dass Societies überhaupt freitags (Feiertag der Muslime) oder sonntags (Feiertag der Christen) Versammlungen abhalten dürfen. Das ist mutig – aber ein deutliches Signal!

Ebenso legten die Muslime in diesem Bereich Veto gegen die Bestimmung der Societies ein. Denn ihnen war klar, wenn das erstmal mit den Christen funktioniert hat, könnte uns das auch treffen.

Daraufhin ruderten die Societies zurück – es sollten nun nur bestimmte Straßen gemieden werden und die christlichen Gemeinden, die da angrenzen, auf Gottesdienste verzichten. Das Veto des Landrates stand und die christlichen Kirchen durften sich versammeln … zum Pfingstgottesdienst – was für ein Machtkampf.

Der Sonntag kam und es war nun spannend zu hören und sehen, ob die Christen kommen oder doch lieber aus Angst zu Hause blieben. Etliche Kirchen hatten offen und feierten Gottesdienst und viele Christen kamen und feierten mit – doch manch einer blieb zu Hause. Ob aus Angst oder aus anderen Gründen – wer weiß – aber die Zahl der Gottesdienstbesucher war weniger als gewohnt.

Wir in den aufgeklärten Industrienationen mögen darüber lächeln und all das als Aberglaube abtun. Doch Bibelleser und Jesus-Kenner wissen, auch für Jesus war klar: es gibt das Böse und den Bösen. Er hat Macht, Einfluss und den Willen, Gott zu widerstehen. Das Böse will zerstören. Gerade Jesus verweist auf einen Dualismus – wer nicht für mich ist, ist gegen mich. Es gibt kein Dazwischen – entweder gehört man zum Machtbereich Gottes oder zum Machtbereich des Bösen – so einfach ist das. Du möchtest neutral sein? Das ist nicht möglich, denn nur in Christus gibt es Freiheit vom Bösen.

Schutz vor den bösen Mächten

Dennoch wissen wir, auch wenn der Böse bereits auf verlorenem Posten steht, so wirkt er in dieser Welt weiter. Er ist präsent und versucht alles, um Menschen von Gott zu entfremden und ihre Heimat zu verbauen.

Es war gut zu sehen, wie die christlichen Kirchen hier gemeinsam aufgestanden sind und öffentlich Stellung bezogen haben. Sehr viele Menschen trafen sich zum Beten und durften erleben, wie Gott einen Weg geschenkt hat (Kerzen und Gebet haben Macht!). Kaum einer hätte gedacht, dass sich die Christen an Pfingstsonntag in Kenema versammeln würden. Aber genau das geschah – Gott ist groß und wirkt bis auf den heutigen Tag seinen Willen.

Es gibt viele Baumgeister – so werden Altäre um und an Bäumen gebaut um dort zu opfern.