Ein sehr, sehr wichtiger Bestandteil der hiesigen Kirchenkultur sind die (Fundraising) Thanksgiving-Gottesdienste. Nicht vergleichbar mit unserem Erntedankfest. Jede Gemeindegruppe (Männer, Frauen, Kinder, Junge Erwachsene, Pfadfinder, Jugend, Chor) hat einen Sonntag im Jahr, an dem sie ein Programm gestaltet und für die Gemeinde eine Geldspende sammelt und übergibt. Man könnte also sagen, es gibt alle zwei Monate einen Thanksgiving Gottesdienst und natürlich gibt es dann auch noch weitere besondere Gottesdienste … mit entsprechenden Sammlungen.

So gibt es einmal im Jahr einen Pastor Appreciation Sunday – also einen Gottesdienst, um dem Pastor zu danken und ihm zu zeigen, wie zufrieden und dankbar man mit ihm ist. Ein Muss für jedes Gemeindemitglied und jede Gruppe. Ein Betrag wird festgelegt, den jede Gruppe dann überreichen kann. Dazu kann dann noch jeder persönlich oder Familie ihre Dankbarkeit bezeugen.
Wäre das vielleicht auch ein Modell für unseren deutschen Baptismus? Wertschätzung und Dankbarkeit nicht verkehrt und sicher wird sich der ein oder die andere Kollegin sich auch über einen zusätzlichen Geldsegnung freuen!
Aber vielleicht geschieht das ja Land auf und runter!?! Klar, Anerkennung und Wertschätzung braucht jeder und hat auch jeder verdient, aber warum nicht auch die Hirten der Gemeinde in den Blick nehmen? Nur um eines festzuhalten, wir konnten uns da in unserer letzten Gemeinde nicht beklagen – das war ein schönes und dankbares Erleben!
Aber zurück – Pastor Appreciation Sonntag – wir haben nun unseren ersten mitbekommen bzw. gefeiert. Der Pastor konnte im Vorfeld Wünsche äußern, was er gerne im Gottesdienst haben möchte. So hatte er sich einen externen Prediger gewünscht – das war ein junger Pastor, den er als Mentor begleitet. Vom Chor hat er sich ein paar besondere Lieder gewünscht und manch anderes.

Schon Wochen vorher wurde dieser Gottesdienst immer und immer wieder abgekündigt und auch auf der Whatsapp Gruppe daran erinnert. Ganz wichtige Information – jeder soll unbedingt erscheinen.
Wir sind mit Pastor Abu sehr zufrieden, schätzen seine Art und seinen Dienst. Wenn auch manches für uns fremd ist und wir anders machen würden!
Manches aber hier, liegt eben an den Baptist Rules und der Kultur . Und als Pastor eines Bundes oder einer Kultur, die man mit der Muttermilch aufgesogen wurde, ist das dann eben auch so.
Jede Gruppe war aufgefordert, einen bestimmten Geldbetrag zu geben – Frauen – Männer – Kinder – Teens – Junge Erwachsene – Chor – so gaben auch wir schon jeweils bei den Männern und Frauen unseren Anteil dazu. Zudem hatten wir uns entschlossen, auch persönlich etwas zu überreichen.
Für uns befremdlich ist die Ankündigung und Aufbereitung dieser besonderen Gelegenheiten – das Geben wird mit der Beziehung zu Gott verknüpft. Also wer wenig oder kaum was gibt, schätzt die Person oder Gott nicht wert. Und wer genug gibt, der kann sicher sein, dass Gott seine persönlichen Wünsche erfüllt. (Hä?) Manchmal schwingt das unter der Hand mit, manchmal wird es ganz offen gesagt.

Auch die Pastoren lieben es, sich in Erinnerung zu rufen und auf diesen besonderen Tag und Möglichkeit in aller Breite hinzuweisen. In diesem Fall dauern allein die Ansagen gute 30 Minuten – auch das ist uns fremd. Deutsche winden sich vor Ungeduld auf der harten Kirchenbank und sehnen ein Ende herbei.
Nun gut. Wie meist kamen wir etwas früher in der Gemeinde an und der Besuch war noch überschaubar. Überhaupt war der Besuch an diesem so besonderen und wichtigen Gottesdienst nicht so gut wie sonst – woran auch immer das gelegen haben mag?
Der Chor war da – der Pastor mit Familie war da. Christina hatte ein paar Tage vorher erfahren, dass sie die Chorlieder und den Gemeindegesang begleiten sollte. Dafür war sie Freitag und Samstagabend zum Proben bereits in der Gemeinde gewesen.

Ralf erfuhr spontan am Samstag, dass er vorne auf dem Podium sitzen sollte um das Einführungsgebet – das Pastoral Prayer zu übernehmen. Also wir waren auch da. Der junge Prediger, …… der war noch nicht da …
So warteten wir. Gegen 10.20 Uhr fing dann der Chor an und wollte nach dem Lobpreis schon aufhören, doch Pastor Abu ermutigte sie weiter zu singen – solange, bis dann der junge Prediger eintraf – gegen 10.45 Uhr. Er kam in Begleitung seiner Frau, welche seine Bibel hinter ihm hertrug und ihm vorne übergab. Was für ein treusorgendes Eheweib. Sie tauschte sogar während der Predigt sein Schweißtuch aus – interessant.
Bei seinem Abgang nahm sie wieder die Bibel von vorne und folgte ihm nach draußen zum Auto. Sie gingen nämlich direkt nach seiner Predigt …. Also er kam spät und ging früh ….. Hier durchaus üblich.

Nun denn, als alle da waren, übernahm Pastor Abu und erzählte von seiner Geschichte mit der Gemeinde. Er ist seit 20 Jahren dort und hat manche Höhen und Tiefen erlebt. Das war interessant, dauerte länger (gute 30 Minuten). Er berichtete von zahlreichen Krisen und Anfeindungen – warum, wozu – wir wissen es nicht. Allerdings bekam dadurch der Gottesdienst einen leicht bitteren Geschmack. Es könnte ein toller Tag zum Freuen, Danken und voll Fröhlichkeit sein. Doch nun schlich sich anderes hinein.
Mit von der Partie war der Mentor von Pastor Abu, ebenfalls ein ehemaliger Pastor der Gemeinde. Auch er wollte nun noch was ergänzen und er sprach von Wölfen in der Gemeinde – was nachher der junge Prediger aufnahm.
In der Predigt ging es viel um die Schwierigkeiten eines pastoralen Dienstes. Von den Anfeindungen und Wölfen. Mitunter fragten wir uns, ob das hilfreich sei, da hier heute doch eher die dem Pastor zugeneigten Menschen sitzen …

Im Grunde war es schade. Der Blick wurde überwiegend auf die schweren Zeiten und Situationen gelegt und an so einem besonderen Tag macht es eher traurig.
Nach der Predigt verließ der Prediger den Gottesdienst, im Gefolge seine treusorgende Ehefrau …. mit Bibel.
Nun wurde die Familie des Pastors nach vorne gerufen und alle wurden gesegnet. Das war sehr schön, weil zum pastoralen Dienst ja nicht nur eine Person gehört. Partner und Kinder sind auch ein wichtiger Teil, welche sowohl Höhen wie Tiefen durchleben – allerdings immer in zweiter Reihe – was keineswegs einfach ist!
Dann nahm das Pastorenehepaar vorne Platz und die Gemeinde hatte nun die Gelegenheit Geldbeträge zu spenden. Dafür erhielten sie Schleifen und diese konnten sie der Pastorenfamilie anheften. Das ist hier ein sichtbares Zeichen von Dankbarkeit und Geben.
Danach kamen die Gemeindegruppen, um persönlich ihre Gaben zu überreichen – auch Einzelpersonen konnten nun kommen und überreichten, was sie sich vorgenommen hatten. In aller Öffentlichkeit. Nichts mit anonym. So ist es hier normal. Ralf hatte versucht, den Umschlag mit Geld in einen der Kollektenkörbe zu werfen. Doch der Umschlag fand wieder den Weg zurück zu ihm, mit der Aufforderung, den Umschlag persönlich zu überreichen.

Nach einer kurzen doppelten Kollekte – die durfte nicht fehlen – wurde der Gottesdienst nach mehr als 3,5 Stunden mit Lied und Segen beendet.
Die Idee finden wir prima, weil Pastoren – gerade in den kleinen, sozial schwachen Gemeinden oder die Landpastoren kaum Gehalt bekommen. Für uns befremdlich sind die Ankündigungen – fordernd und verknüpfend mit schlechtem Gewissen. In diesem Fall auch der abkanzelnde Tenor an die anwesende Feiergemeinde – das nimmt viel von Fröhlichkeit und Dankbarkeit.

Dennoch war es eine interessante Erfahrung. Möge Gott es nutzen und die Gemeinde und Hirten der Gemeinde segnen. Und vielleicht schreibst du jetzt gleich mal eine Dank und/oder Wertschätzung an deine Pastorin oder Pastor oder rufst direkt an?! Tut einfach nur gut!