Semesterbeginn 02/2024

Jetzt ist Schluss mit lustig – das neue Semester hat begonnen und so langsam kehrt das Leben wieder auf das TECT-Gelände zurück. Während der Vorlesungsfreien Zeit müssen alle ledigen Studierenden ihre Wohnunterkünfte verlassen. Die meisten gehen zu ihren Familien in den Provinzen. Da hier auch sehr viele aus Waisenhäusern studieren, gehen sie zu diesen Einrichtungen zurück und helfen dort bei den täglichen Arbeiten aus.

Die Studierenden kehren wieder zurück

Die Waisenhäuser finanzieren Studiengebühren sowie Unterbringung. So können die Studierenden in dieser Zeit etwas zurückgeben. Eine Studentin erzählte Ralf, dass sie noch drei Schwestern hat. Ihre Eltern sind im Bürgerkrieg umgekommen. Zwei Schwestern sind in einer Einrichtung der Provinzen untergebracht – sie und ihre andere Schwester in einem Waisenhaus in Freetown aufgenommen worden.

Der Bürgerkrieg hat unzählig viele Kinder zu Waisen gemacht. Ein anderer Grund ist das harte Leben, das viele Mütter und auch Väter hier früh sterben lässt. Fehlende medizinische Versorgung und harte Arbeit, wenig Sicherheitsvorkehrungen und völliges Chaos auf der Straße. Das Leben hier ist sehr gefährdet.

Nun also ziehen die Studenten alle wieder ein – im Mädelwohnheim sind im Moment 31 untergebracht. Und auch bei den Jungs füllen sich die beiden Häuser. Man sieht und hört endlich wieder auf dem Gelände Lachen, Quatschen und bis spät in die Nacht hinein das engagierte Geplapper. Gerade Christina freut sich darüber sehr. In den Ferien war es hier irgendwie leblos. Über den ganzen Tag sind nun die Menschen klein bis groß beim Brunnen, um das tägliche Wasser zu besorgen oder sitzen auf den Bänken unterm Mangobaum.

Grace Williams Hall

Für Christina ging es in der Vorlesungsfreien Zeit erstmal darum, die vielen Arbeiten ihrer Studierenden vom TECT und BTS durchzugehen und zu bewerten. Danach wollten die Vorlesungen für das neue Semester vorbereitet werden – davon wurden zwei komplett neu erarbeitet (Apocalypse und Discipleship Methods). Darüber hinaus standen Predigtdienste und Konferenzen an. Was nicht ruhte, waren die vielen Mentoringtreffen und Begegnungen. Mit den Externen / Ehemaligen laufen diese über Zoom oder Whatsapp, aber auch direkt und persönlich auf dem TECT Gelände.

Es vergeht kaum ein Tag, an dem Christina nicht ein solches Gespräch hat und in der Regel sind es mitunter bis zu fünf am Tag – in unterschiedlicher Länge. Zum einen ist Christina offen und zugewandt und vermittelt Kompetenz. Warum aber so viele? Das ist schon erstaunlich und wir vermuten, dass es in der hiesigen Kultur begründet liegt. Hier herrscht eben kein Miteinander auf Augenhöhe. Kaum Vertrauen, keine Teamarbeit.

Da Christina kein externes Büro hat, trifft sie sich hier am stillgelegten Brunnen mit den Studierenden – direkt bei uns hinterm Haus – geradeaus Grace Williams Hall

Wir nehmen immer wieder in Gesprächen wahr, dass wenig tiefgehende Beziehung besteht zwischen Studierenden und Dozenten, zwischen Ehepaaren, Eltern und Familien. Und das in einer Kultur, in der Beziehungen extrem wichtig sind! Was meinen wir damit? Es herrschen v.a. Abhängigkeiten – deshalb kann man sich nicht leisten, jemanden offen abzulehnen. Machtstrukturen dominieren. Da ist große Angst, verletzt zu werden. Angst, dass das Wissen um mein persönliches Leben von anderen missbraucht wird (durch Verwünschungen, Manipulation, Klatsch und Tratsch etc.) – und das ist durchaus realistisch. Deshalb kann natürlich kaum Offenheit entstehen. Wer wenig Angriffsfläche bietet, bleibt besser geschützt.

Bei unserer Ankunft eröffneten wir ein Bankkonto – ein gemeinsames sollte es sein (wir haben davon berichtet). Das brachte den Sachbearbeiter ins Schwitzen. Ein gemeinsames Konto? Eigentlich braucht doch jeder sein eigenes. Nein, wir wollen ein Konto auf unser beider Namen mit einer Zugangsberechtigung für jeden. Das heißt, jeder kann ohne den anderen und auch ohne dessen Unterschrift Geld abheben. Die Reaktion: Aber das geht doch nicht! So etwas gab es noch nie! Wie abenteuerlich!! Es war irritierend, was wir da so alles gehört und erlebt haben – mit Schmunzeln. Vertraust Du etwa Deinem Ehepartner?? Wie naiv!

Externe PC-Schulung der Staff

Eine verheiratete Pastorin erzählte uns nun sehr offen, dass ihr Mann und sie jeder sein eigenes Konto haben und sie ihrem Mann über ihr Konto nie die Bankvollmacht geben würde! Die Männer, so sie, würden einfach das Geld nehmen und wären weg damit.

So scheint uns also im Nachhinein die Sperrigkeit des Banksachbearbeiters ein Schutz für Christina aus dem hiesigen kulturellen Verstehen gewesen zu sein.

Die Vorbereitungen für das neue Semester waren wie immer holprig bis chaotisch – also normal. Eine Woche vor Semesterstart gab es keinen Stundenplan, keine Studierendenliste, nada. Zudem hat der Head of Department gewechselt und der Neue muss sich da erst einarbeiten. Zugegebenermaßen war der alte auch kein Talent in dieser Hinsicht.

So kann es gelingen – der Vorlesungsplan

Christina bot an zu unterstützen. So brauchte es zwei Stunden und ein neuer Stundenplan hing. Ihr kam zugute, dass sie früher in Großbritannien bei einem Schulleiter die Sommerferien verbracht hat, der vorzugsweise in seinem Wohnzimmer auf dem Boden den Stundenplan zusammenstellte. Sie hatte ihm oft genug über die Schulter geschaut… Also: Auslandsaufenthalte lohnen sich! Die Studenten und Dozenten wussten nun, welche Fächer sie wo wann haben werden. Naja fast eben.

In Christinas erstem Jahr hatte sie drei Kurse im Bereich Theologie. Im letzten Semester kam ein Samstagskurs für das Department of Christian Ministries dazu, eine Art Schnupperstudium für Interessierte und Gemeindemitarbeiter.

Sie signalisierte im Dezember ihrem Fachbereichsleiter, dass sie bereit ist, noch einen weiteren Kurs zu übernehmen. Ihr wurde die Apocalypse zugeteilt. Eine Woche vor Semesterbeginn erfuhr sie dann noch, dass auch wieder ein Kurs samstags für sie dazu kommt, diesmal Discipleship Methods. Und in der ersten Woche wurden daraus zwei Kurse, nun auch noch Old Testament Survey, ebenfalls samstags. Also hat sie jetzt 6 Kurse, die sie halten darf. Das macht Freude, allerdings muss sie zwei Kurse davon nun parallel zum Semester vorbereiten – eine Herausforderung! So hatte sie schon mit einer Vorlesung begonnen um nach der ersten Woche zu erfahren, diese nicht zu halten, dafür eine andere. Alles was kommt ist immer kurzfristig oder kommt hinterher oder gar nicht – also immer hübsch chaotisch mit Schleife.

Drei Abgänger die sich bei der Immatrikulation trafen – Emmanuel – Pius – Samuel – alle drei begleitet Christina weiter via Zoom oder Handy oder wenn sie in Jui sind

In der ersten Woche stellten die Dozenten fest, dass die Studierenden nicht kamen – wie jedes Semester. Dennoch ärgert und verwundert es die Dozenten ein ums andere Jahr. Es wäre wahrscheinlich geschickter, im Vorfeld dazu etwas zu unternehmen … aber das müsste natürlich bedacht werden. So würde es den Studierenden helfen, nicht erst eine Woche vorher das exakte Datum des Semesterstarts zu erfahren. Aber wir sind einfach zu deutsch…

So versucht Christina auch schon seit längerem herauszubekommen, in welchen Wochen in Lunsar das erste Blockseminar am Baptist Theological Seminar (BTS) stattfindet. Der BTS Rektor wartet auf Antwort des Präsidenten. Der muss die Zeit und sein OK dafür geben und festlegen. Doch der ist mit der 50 Jahrfeier des Baptistenbundes vollauf beschäftigt. So zog es sich hin und hin und hin.

Ende Februar stand der Termin dann endlich fest – ein Monat vor der großen Festwoche für die 50-jahr Feier auf demselben Gelände.

Die Festwoche im groben Detail

Zwei Tage später teilte der BTS Rektor Christina mit, dass sie in der Woche die einzige Dozentin sein wird … – ok – sonderbar – bisher waren es immer drei-vier …

Ach ja und, so fuhr der Direktor fort, sie soll statt der geplanten 3 Vorlesungen nur zwei halten. Dafür hat sie pro Tag ganze 2 Stunden Zeit! Wie bitte – wie soll das denn funktionieren? Die Einheiten sollen mit Morgenandacht von 7 – 10 Uhr gehen und dann?

Ja, ab dann sind die Studierenden aufgefordert, bei den Vorbereitungsmaßnahmen für die 50-Jahrfeier mitzuwirken. Der Tag wird also durch einen Arbeitseinsatz gefüllt.

Davon allerdings weiß bisher kein Studierender etwas und auch gibt es noch keine offiziellen Einladungen mit Ablauf. Also stell dir vor, du besuchst eine Fortbildung, um dich schulen zu lassen. Du zahlst die Reisekosten und lässt dich bei deinem Arbeitgeber entschuldigen. Dann erfährst du dort, dass die überwiegende Zeit ein Arbeitseinsatz auf dich wartet!? Nun, diesmal ist es die zweite Woche, in der Christina kommt. Diese Woche war schon immer eher praktisch, allerdings sollten Erfahrungen im Gemeindedienst gemacht werden: Evangelisation, Gemeindewoche, mit anderen Pastoren mitlaufen etc. Diesmal ist das anders. Alle Hände an Deck – macht den Compound schön. Immerhin ist die 50 Jahrfeier um die Ecke!

Das wirft ein paar Fragen auf. Wissen die Studierenden davon – wozu sie sich da angemeldet haben – wofür sie Zeit und Geld opfern

Im ersten Blockseminar waren damals 8 Teilnehmer dabei. Beim letzten Blockseminar im Dezember 2023 waren es fast 30 Teilnehmer – das sind schon eine Menge Bauhelfer.

Was macht Christina eigentlich in dieser Zeit? Immerhin lässt sie hierfür eine Woche Vorlesungen am TECT sausen. Es ist Ende März, die heißeste Zeit in Sierra Leone. An körperliche Arbeit tagsüber ist für sie nicht zu denken. Sie wird es an Gott abgeben und gespannt sein, was Er mit ihr in dieser Woche vorhat.

Ein Teil des letzten Kurses

Nur ein paar Wochen später findet dann die große – wunderbare – einzigartige Festwoche zum 50-jährigen Bestehen des Sierra Leonischen Baptistenbundes in Lunsar statt. Eine ganze Woche trifft sich die Welt am Mittelpunkt der baptistischen Kugel und feiert – Montag bis Sonntag.

Der Stoff (China) aus dem die Welt gemacht ist. Jeder kauft sich, was notwendig ist, bringt es zum Schneider und lässt sich ein Kleid oder Hemd / Hosen fertigen.

Mitten in der Vorlesungszeit. So war Christinas Überlegung und Bitte, dass sie erst ab Donnerstag dabei sein wird – damit nicht zu viel ihres Unterrichtes am TECT ausfällt. Zudem wird sie dort ja keine große Rolle spielen, so dachten wir.

Doch dem Präsident ist Christinas Anwesenheit für die ganze Woche ganz arg wichtig – alle Pastoren des Sierra Leonischen Bundes haben Anwesenheitspflicht.

So sind wir mal gespannt – und dankbar, wenn man sich vielleicht demnächst wieder auf typisch biblische Ziele konzentrieren kann – Sorge um die Menschen, Mission, Taufen, Jüngerschaft. Nun ja, wir merken, die Hoffnung stirbt zuletzt. Und das zumindest ist unsere Mission!

Alle Baptisten werden dann ungefähr so aussehen – schon jetzt bereiten sich die Gemeinden darauf vor. Also bei der nächsten Bundeskonferenz in Kassel tragen alle Baptisten dann eine Einheitskleidung – wäre das was?