Wubangea

Am Dienstag sollte es um 4.30 Uhr nach Wubangea losgehen. Für die drei Touren ins Inland nach Wubangea und Lunsar hatten wir bereits letztes Jahr nach einem Leihfahrzeug gesucht … und gefunden. In Sierra Leone werden Autos nur mit Fahrer verliehen – wahrscheinlich würde man die Fahrzeuge sonst nicht wiedersehen.

Der Leihwagen mit Fahrer

Wir bestellten ein Fahrzeug für sieben Personen zuzüglich Platz für Gepäck. Wir nannten Tag und Abfahrzeit 4.30 Uhr. Außerdem teilten wir mit, dass der Fahrer Unterkunft und Verpflegung erhält!

Eine Woche vor dem Trip wollte Ralf noch mal sicher gehen, ob auch alles klappt. Das JA kam etwas zögerlich, aber dann vollmundig.

Inzwischen haben wir unsere Erfahrungen mit Sierra Leone gemacht. Deshalb ein Tag vor Abfahrt lieber noch mal anrufen und siehe da, es war gut. Denn nun hieß es: Wir können auf gar keinen Fall um 4.30 Uhr losfahren! Wir gewährleisten erst Fahrten ab 7.30 Uhr – ist jetzt nicht euer Ernst, oder??? Nun ja nicht ärgern, nur wundern.

Wir wollten so früh los, damit wir im Laufe des Vormittags bei der Schule sind. Maiah und Solomon hatten ein Programm entworfen, das ein frühes Eintreffen nötig machte. Nur so ist gewährleistet, dass Schüler und Lehrer noch vor Ort sind.

Schließlich ließ sich der Autoverleih auf 5.30 Uhr ein. Gegen 6 Uhr waren sie wirklich da und wir machten uns auf den Weg – zweimal Dengel – einmal Döhring und drei Mitglieder von AOOP – mit Gepäck.

Zwei der Studenten mussten ganz hinten im Kofferraum auf Notsitzen Platz nehmen. Das ist für die Einheimischen nicht ganz so tragisch – es kommt allerdings auf die Strecke und den Fahrstil des Fahrers an, wie er Bodenwellen und Löcher meistert … Soviel vorweg: alle sind heile hin und zurückgekommen, wenn auch manche Köpfe schmerzhaft den Himmel (des Fahrzeuges) erkundet haben.

Als der Fahrer mit Fahrzeug und Logistiker ankam, stellten wir erstmal fest, es handelt sich um ein … älteres Fahrzeug (mindestens 30 Jahre alt) – aber gut, auch das ist ja an sich nichts Ungewöhnliches hier – solange es sicher fährt.

Also aufladen, aufsitzen und ab geht die Post. Der Fahrer legte ein gutes Tempo vor und so breitete sich die Hoffnung aus, doch noch am Vormittag am Zielort anzukommen.

Das Fahrzeug machte dies nicht einfach. Immer wieder gab es Probleme beim Schalten und schließlich ging dann gar nichts mehr. Mitten auf der Strecke – irgendwo im Nirgendwo – so schien es, blieb der Wagen liegen. Wir Internationalen waren erstmal … ratlos und sahen unsere Pläne scheitern. Denn wir wurden erwartet – Schule, Lehrer, über 200 Personen – war´s das nun?!

Während wir im Staub stehen, beratschlagen und beten, hat der Fahrer etwas getrickst und den Wagen noch einmal anbekommen. Nun galt es, ohne anzuhalten bis zur nächsten Ortschaft zu kommen. Dort hielten wir an einem Bike-Treff, wo eine ganze Reihe an Personen herumsaß. Sie schauen, rufen jemanden, der sich auskennt, und siehe da – der Dschungeldoktor hat Hand angelegt. Das Fahrzeug konnte nach einer halben Stunde weiter seinen Dienst leisten. Es ist erstaunlich, mit welch schlichten Mitteln sie hier arbeiten und Probleme lösen. Das alles geschieht für `n Appel und en Ei. Wir waren dankbar und tatsächlich kamen wir noch am Vormittag an. Was wir dann erlebten, war krass.

Jeder von uns hatte ja schon Staatsempfänge im Fernsehen gesehen – wir waren nun mitten drin und zwar wegen uns – es war unglaublich.

Der Empfang oder Einzug ….

Das Auto musste bereits an der Landstraße vor dem Dorf anhalten und die Gäste aussteigen lassen, denn rechts und links waren die 200 Schüler aufgestellt. Sie winkten, sangen und begrüßten uns – hießen uns herzlich willkommen. Doch nicht „nur“ die Schüler und Lehrer, sondern das ganze Dorf hatte sich versammelt und empfing die Weißen, die sich extra auf den Weg zu ihnen gemacht hatten. Auch ein strohernes „Monster“, eine Schreckgestalt, tanzte vor uns her, um uns nach alter Tradition zu begrüßen. Es ist eine große Ehre, so etwas als Ausländer sehen zu dürfen.

Dann setzte sich der gesamte Tross in Bewegung und lief Richtung Schule. Wir wurden auf die Tribüne geleitet, die von einem eigens für diesen Tag errichteten Palmendach vor den heißen Sonnenstrahlen geschützt war.  Wir durften Hände schütteln und Dankesworte entgegennehmen.

Willkommen

Nachdem wir Platz genommen hatten, ging das eigentliche Programm los und das hatte es in sich. Schülerdarbietungen, Lehrerberichte, Kleinkunst und Akrobatik sowie Darbietungen der Dorfgemeinschaft (Tänze, Gesänge, Geschichten)- Sogar die hiesigen „Geheimbünde“ der Frauen und Männer begrüßten uns mit einem Beitrag ihrer „Maskottchen“ – oder Buschdämonen. Eigentlich sind diese secret societies gesetzlich verboten. Daran hält sich jedoch niemand. Die Gebräuche und Sitten sind nach wie vor überall im Land, vor allem jedoch in den Provinzen, sehr lebendig.

Das Maskottchen

Es war unglaublich zu sehen, was die Menschen alles aufboten, um ihrer Freude und Dank Ausdruck zu verleihen. Natürlich waren mit unserem Besuch auch Hoffnungen verbunden. Es hat eine große Bedeutung für sie, Besuch von Menschen weißer Hautfarbe zu bekommen. Das rechnen sie sehr hoch an. Viele hatten in ihrem ganzen Leben noch keinen Weißen gesehen. Aber auch die Erwartung, dass nun alles gut wird und sie eine Zukunft haben, steht im Raum. Das ist dann auch für uns nicht leicht – damit umzugehen. Dass auch Deutsche ihre Grenzen haben, ist vielen in Sierra Leone nicht klar.

Auch das „Maskottchen“ zog mit ein

Es wurde gefeiert, getanzt, gelacht und viel geredet, gegessen und ausgetauscht. Während der Führung durch das Schulgebäude und das Gelände der Schule wurde die Zeit genutzt, um noch mehr voneinander zu erfahren.

Irgendwann war dann auch gut. Wir machten uns auf den Weg zum Kinderhilfswerk in der Nachbarschaft. Dort waren Maiah und Solomon vor vielen Jahren aufgewachsen und sind dort Christen geworden. Auf dem Gelände haben sie ein Gästehaus, in welchem alle untergebracht und versorgt wurden. Maiah hatte das organisiert.

Beim Abendessen fand eine Mitarbeitersitzung mit AOOP statt. Nicht nur der Vorstand, sondern auch weitere Mitarbeiter wollten die Deutschen kennenlernen. Es ging um Ziele, Vorhaben und die künftige Ausrichtung von AOOP. Dann fiel jeder müde und erfüllt ins Bett. Das Gästehaus war sehr ordentlich, liebevoll eingerichtet und blitzeblank. Davon könnte sich manche Organisation vor Ort eine Scheibe abschneiden.

Nach einem kurzen Frühstück ging es am nächsten Morgen zurück ins Dorf, um mit den Dorfchiefs und Verantwortlichen eine Führung durch das Dorf zu machen. Diese hatten darum gebeten.

So wurde die Zeit auch genutzt, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Im Anschluss fand eine offizielle Veranstaltung statt, in der noch einmal offiziell bestätigt wurde, dass die Schule an AOOP übergeben worden war: das Schulgebäude, das Grundstück und zudem ein weiteres Areal, welches am Rand des Dorfes liegt – sofern man über einen kompletten Neubau nachdenken will.

Ein Rundgang durch das Dorf

AOOP hat große Ziele – natürlich, weil auch die Erwartungen der Dorfgemeinschaft groß sind. Die Schule muss renoviert werden. Die Klassenräume benötigen neue Tische und Stühle für die Schüler. Ein Anbau wäre nötig, um für jede Klasse einen eigenen Raum zu haben. Sicherung der Lehrergehälter wäre von höchster Priorität. Schulverpflegung, Material und neue Uniformen, da ja nun ein neuer Träger stolz und sichtbar nach außen dargestellt sein will.

Zu guter Letzt wollen nun viele weitere Eltern ihre Kinder an dieser Schule anmelden, doch der Platz reicht einfach nicht aus. Sie träumen zudem von einer weiterführenden Schule und sogar einem College als Ergänzung zur bestehenden Grundschule. Also small small – Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut. Gerade junge Menschen brauchen hier Geduld und Lernfähigkeit!

Abwechslung für alle

Was sind eigentlich die Wünsche und Ziele von Euch Eltern und Dorfältesten?, fragten wir. Die Gewährleistung der Lehrergehälter – das war ihr wichtigster und vordringlicher Wunsch!

Denn genau das hatten sie erlebt, Lehrer wurden nicht bezahlt, diese verließen Schule und Dorf, die Schule lag brach und die Zukunft ihrer Kinder schien sich in Luft aufzulösen.

Mit dieser intensiven Begegnung im Gepäck fahren nun alle nach Jui zurück. Beeindruckende Bilder, Armut, Not – aber eben auch fröhliche und dankbare Hoffnung – und ein Dorf, das Kopf stand!

Natürlich wurden wir auch wieder reich beschenkt – Obst – Gemüse – Hängematte und …. zwei Ziegenböcke. Alles wurde auf dem Dach transportiert …. – unglaublich

Auch wenn das Fahrzeug nicht leicht zu bändigen war und immer mal wieder eine Pause brauchte, kamen wir letztlich wohlbehalten am frühen Abend am T.E.C.T. an.

Da wir am nächsten Morgen nach Lunsar fahren wollten, riefen wir vorsichtshalber noch mal die Verleihfirma an, um auf die Fahrzeugprobleme hinzuweisen. Ein anderes Fahrzeug wäre gut! Keine Sorge, das Fahrzeug würde über Nacht repariert und steht am nächsten Morgen dann da wie eine Eins!

Die Ziegen übernachteten in unserer Garage und wurden am nächsten Tag weitergereicht – eine an Dennis und seine Familie und die andere an Pastor Abu mit seiner Familie

Und tatsächlich kam am nächsten Morgen das selbe Auto (repariert) pünktlich um 7 Uhr und funktionierte auch anstandslos hin und zurück. Wir staunten.

Familie Dennis bei der Abholung der Ziege – not amused

Diesmal sahen wir eine viel kleinere Schule in Lunsar. Auch dort war bei Verantwortlichen und Eltern das wichtigste Thema die Lehrergehälter – diese gewährleisten zu können. So haben Simone und Bernd Dengel die Idee, Patenschaften für Lehrer aufzubauen. Wir finden das ist eine super – hilfreiche und nachhaltige Möglichkeit konkreter Hilfe.

Familie von Pastor Abu Koroma bei der Anlieferung der Ziege

Ehepaar Dengel „we give a Hand e.v.“ – ausgestattet bei AOOP

Apropos – wir brauchen noch einen Namen für ein drittes Klassenzimmer in Lunsar – wie wär´s mit …?