Ende Januar hatte sich Besuch aus Deutschland angesagt. Ehepaar Simone und Bernd Dengel machten sich für eine Woche von Deutschland auf den Weg nach Sierra Leone. Wir freuten uns auf eine intensive und spannende gemeinsame Zeit.

Kennen gelernt haben wir das Ehepaar auf unserem letzten Deutschlandbesuch. Sie haben den Verein „We give a Hand e.V.“, um Menschen in Not, vor allem Kindern, zu helfen. Den Verein gibt es noch gar nicht so lange. Dennoch konnten sie bei Projekten im Umfeld, aber auch im Ausland helfen.
Sie hatten von uns gehört – und Simone hatte von Gott den Eindruck, Kontakt aufnehmen zu sollen, um sich zu informieren. Sie überlegen, wo und wie sie Kindern und Schulen in Sierra Leone helfen können.
Parallel hatten wir mit den Projekten zweier Studenten zu tun: AOOP im Süden des Landes und Aruna in Lunsar samt deren Schulen. Christina betete schon lange für konkrete Hilfe – einen Verein, der diese Projekte unterstützen würde. Uns selbst ist dies nicht möglich.
So führte Gott also alles zusammen. Es kam zu Begegnungen per Videokonferenz. Schließlich fiel der Entschluss, sich vor Ort selbst ein Bild machen zu wollen.
Nun waren sie also da – trotz diverser Warnungen von mancher Seite: Ist das überhaupt alles echt? Gibt’s die Schulen wirklich? Die nutzen euch aus! Das ist zu gefährlich! … Nun ja, wie wir Menschen schon mal reagieren.
Doch die beiden ließen sich nicht entmutigen, erbrachten alles, was für einen Besuch in Sierra Leone erforderlich war: Visa, Impfungen etc. und kamen dann wunderbar mit allem, was sie mitnahmen, auch in Sierra Leone an.
Amadu und Ralf konnten sie Sonntagabend in Freetown an der Fähre in Empfang nehmen. Christina erwartete sie mit einem leichten Essen und gegen Mitternacht waren dann erstmal alle im Bett, um sich zu erholen. Es ist schon eine Umstellung, aus dem nasskalten Deutschland in das schwülwarme SL umzusteigen – dennoch hat es gut geklappt.

Nachdem Nathanael Montagmorgens zur Schule gebracht worden war, bot Ralf an, mit ihnen beiden einen Spaziergang durch die Hood (Jui) zu machen.
Um sich ab und an mal ein bisschen zu bewegen (abseits des Autos), versucht er, ein bis zweimal die Woche in Jui eine Runde über Stock und Stein und vorbei am „Hey Bossmann“ „Opoto“ (nein nicht Opossum sondern „Weißer“) – und ähnliches zu walken. Dabei kann er immer wieder Interessantes entdecken und nette Schwätzchen sind auch mit dabei. Gleichzeitig gilt es, fit für die Bergfreizeit im Sommer zu werden! By the way – ein paar wenige Plätze gibt es dafür noch!

Nun also zu dritt auf der Jui Piste – konzentiert den Blick auf den Boden gerichtet hintereinander laufen wegen der Bikes und Autos. Zart aber beständig umspült vom Wüstensand – dust – Richtung Hafen Jui unterwegs. Je weiter man nach hinten kommt umso weniger Verkehr. Irgendwann kann man gut nebeneinander auf der Straße laufen.
Kurz vor dem Hafen bzw. der Fischfabrik waren auf einmal jede Menge Schüler unterwegs – aufgeregt – laut – laufend. Irgendwas war da los. Wie eine aufgeschreckte Herde liefen sie mal hier, mal dort hin. Mit all dem Geschrei das dazugehört. Nicht nur wir wurden aufmerksam und wollten wissen, was denn da los sei? Da ist ein Kampf …. um Land – so verstanden wir?! Ja, aber warum sollen Schüler sich um Land streiten??

Nun ja – wer weiß schon, was das wirklich zu bedeuten hat. Also erstmal weiter zur Fischfabrik und auf das Gelände. Am Tor fragten wir, ob es ok wäre, das Gelände zu betreten. Der Torwächter bejahte. Auf das Gelände gelangen ohnehin sehr viele Menschen. Ein Kommen und Gehen, einfach durch und vorbei, ohne was zu sagen oder fragen. Also wir auch.
Nachdem wir auf dem Gelände Richtung Wasser gingen und uns umschauten, kamen nach kurzer Zeit zwei Personen auf uns zu – einer Zivil und einer vom Militär. Was wir hier denn machten?

Wir lernten: Man darf nicht einfach so das Gelände betreten – aus Sicherheitsgründen und schon gar nicht wenn man auffällt (weiß ist)!
So unterhielten wir uns ganz nett. Wenn wir später einmal eine Führung wollen, sollten wir doch vorher Bescheid geben und nachfragen. Warum nicht!? Es sind zwei große Fischfabriken ansässig – die eine für Sardinen, die andere für den Restfang. Der Hafen soll auch eindrücklich sein …. – also beim nächsten Mal.
So verließen wir wohlbehütet das Gelände und machten uns auf die Rückrunde, diesmal parallel zur Hauptroute durch die Dorfgemeinschaft. Das ist deutlich entspannter als auf der „Hauptstraße“.

Bis … nun ja, bis wir auf der Parallelroute auf Höhe der besagten Schule waren. Dort standen Militärfahrzeuge und Zivilisten – etliche Menschen liefen aufgeregt und wild diskutierend herum. Weiter vorne waren ganze Grüppchen unterwegs. Die Menge wogte nach rechts – links und andersherum, auf jeden Fall weg von den Sicherheitskräften.
Irgendwas war hier los. Nur was? Ist es ratsam stehen zu bleiben, oder weiter zu gehen? Ralf sprach einen der Herren darauf an, ob es gut und sicher wäre weiterzugehen oder wir erst mal abwarten sollten? Bleibt besser erstmal hier stehen und wartet ab!

Was ist denn los? Wir sind an einen der Dorfältesten geraten. Der erzählte, hier gibt es Schwierigkeiten mit Landrechten. Hier ist eine kleine Parzelle. Die Zementfirma nebenan beansprucht sie für sich, will bauen und Fakten schaffen. Doch die Schule sagt, es ist ihr Land und die Firma habe kein Recht dazu.
Die Schule gehört zu einer der ältesten Einrichtungen im Ort Jui und dies Land gehört zur Schule. Nun ist vor einiger Zeit eine Zementfabrik gekommen und hat Land gekauft – wohl auch das Stück, welches der Schule gehört. Leider geschah das nicht von der Schule, sondern von irgendjemand Dritten, der dazu gar kein Recht gehabt hatte.
Doch jetzt möchte die Firma Fakten schaffen und hat wohl Personen dazu angestiftet. Die Schule will das nicht stehen lassen. So kommt es zu Diskussionen – Gesprächen – Austausch von Handgreiflichkeiten – das war als wir auf der anderen Seite Richtung Fischfabrik unterwegs waren. Deshalb wurde das Militär gerufen, um die Usurpatoren mitzunehmen. Was diese natürlich für keine gute Idee hielten.
So wurde dann Verstecken gespielt – allerdings mit gewissen Einsatzmitteln. Ein wildes Rennen, Jagen, Laufen – die Menge wogte von rechts nach links – vor und zurück – also wir hätten nicht sagen können, wer hier nun wirklich wen jagt.

Coachee ein Zuständiger der Dorfgemeinschaft begleitete uns nach einiger Zeit auf die Hauptstraße zurück. Während wir so liefen, wurde neben uns mit Tränengas in die Menge geschossen. Wir immer weiter, wollten ja nicht gereizte Augen bekommen. Auf wen oder was da losgegangen wurde, war nicht zu erkennen, aber wir wollten ohnehin lieber ins ruhigere Fahrwasser und weg. Das war sicher ein interessanter erster Eindruck für Dengels!
Auf dem Rückweg zum T.E.C.T. trafen wir einige Bekannte und hatten reichlich auszutauschen. Es war das Gesprächsthema Nr. 1 in Jui für die nächsten Tage und wir mittendrin.
Im Grunde fühlten wir uns nicht wirklich bedroht. Wenngleich auch etwas aufgeregt, weil man in solchen Momenten einfach keine Ahnung hat, was alles und wie passiert.
In jedem Fall bekommt man was geboten, wenn man auf Besuch in Jui ist. Das ist schon mal klar.
