Im Dezember war Christina von einem ihrer Studenten zu einer evangelistischen Konferenz nach Kono (nördliche Provinzen) eingeladen worden. Da die leitende Organisatorin unmittelbar vorher bei einem Unfall ums Leben kam, wurde die Konferenz kurzfristig auf Mitte Januar verschoben.
Nun also war es soweit und es konnte losgehen. Im Grunde waren es zwei verschiedenen Veranstaltungen, die sich aber dennoch überlappten.

Das eine waren evangelistische Abendveranstaltungen, die über fünf Tage immer gegen 19 Uhr stattfanden. Hierfür war ein Sprecher eingeladen – auch einer von Christinas Studenten – Pastor John Maxwell. Wie alle Theologiestudierenden arbeitet auch Maxwell neben seinem Studium auf Bachelor als Assistant Pastor einer größeren Gemeinde in Freetown – der Mount Zion Gemeinde.
Ralf nimmt ihn gelegentlich bei seiner Fahrt nach Freetown mit, lässt ihn bei Mount Zion raus und fährt weiter zur BIS, um Nathanael einzusammeln. Maxwell ist ein interessanter junger Mann mit viel Charisma. Das Auffälligste an ihm ist seine sonore und tiefe Stimme – sehr beeindruckend für einen Pastor!
Pastor Maxwell war der Sprecher bei den Abendveranstaltungen und hat dort seine Aufgabe richtig gut gemacht. Daneben fanden donnerstags und freitags vormittags Schulungen für Pastoren und Leiter statt. Für diese Einheiten war Christina eingeladen und verantwortlich.
Sie hat sich sehr gründlich vorbereitet und hatte den Ehrgeiz, die Vorträge auf Krio zu halten. Einer der Gründe war der Tatsache geschuldet, dass in den Provinzen die meisten Leute kein Englisch können. So hat sie die Referate erarbeitet und dann mit ihrem Krio Lehrer Samuel – ein ehemaliger Student von ihr – übersetzt.

Während an den Abenden Open Air bis zu 300 Besucher da waren und die Veranstaltungen durch Predigt – Lobpreis – Aufrufen und Segenszeiten geprägt waren, kamen zur Konferenz 20-30 Personen – allerdings hier auch ausschließlich Pastoren und LeiterInnen. Christina sollte zum Thema Jüngerschaft referieren. Die Einheiten waren mit Referat – Rückfragen und Gespräch ausgefüllt und sehr intensiv. Was ist Jüngerschaft, welches Umfeld brauchen wir, um geistlich zu wachsen, was ist Gottes Rolle und was unsere Verantwortung? Ein Teil ging um Mentoring: Andere zu einem Leben in Jüngerschaft anleiten.
„Was denkst Du dazu?“, wurde Christina aus dem Kreis der Zuhörer gefragt. „Uns wird geraten: Übernehmt, was eure Leiter predigen, aber was sie leben, sollt ihr ignorieren!“

Das hören wir nicht zum ersten Mal – ja was antwortet man darauf? Offensichtlich ist es genau einer der Punkte, an dem es beim Thema Leiterschaft krankt. Gute Vorbilder müssen erst gefunden werden.
Also was sagt die Bibel – was sehen wir bei Jesus – was nehmen die Menschen bei ihren Leitern wahr und wie geht man dann damit um?
In diesem Kulturkreis ist ein Leiter unantastbar – darf nicht hinterfragt werden und hat grundsätzlich recht.
Die Palette der Verwunderungen ist riesig, wie wir von den jungen Leitern zeugnishaft erzählt bekommen – was sie im Leben ihrer Leiter vorfinden.

Auffällig scheint uns, dass dies oft mit „das ist eben unsere Kultur“ beschrieben wird – also nicht hinterfragbar. Es ist halt so – und wird ja auch über Jahrzehnte so weiter gegeben. Selbst jene, die das am Anfang in Frage stellten, leben, wenn sie in den entsprechenden Positionen sind, genauso – was ja auch kaum verwunderlich dünkt. Denn Vorbilder gibt es kaum, die anders leben.
Es ist kaum möglich, mit aktuellen Leitern über diese Themen ins Gespräch zu kommen – weil es generell als unangemessen und angriffig gilt und auch unsere Position das in keiner Weise hergibt.

Wir haben uns entschieden, in die Begleitung von jungen Leiterinnen und Leitern zu investieren – auf dass sie diese „Kultur“ oder besser das Verhalten hinterfragen, an der Bibel oder Jesus prüfen, um dann anders zu leben, wenn sie dann selbst einmal in Verantwortung sind. Ein ehemaliger Student von Christina berichtet freudestrahlend, dass er jeden Morgen seiner Frau bei der Hausarbeit hilft, um der Familie vorzuleben, was dienende Leitung ist. Das ist hier äußerst ungewöhnlich.
Gerade als Leiter prägen wir Menschen – die Frage ist immer ob im Sinne Jesu oder eben als ein Spiegelbild unser selbst. Im Grunde ist das nicht anders als Kindererziehung. Die Perspektive ist klar.

Insofern hat es Christina große Freude gemacht, diese Tage mit jener Personengruppe zu verbringen, aber auch abends als Teilnehmerin die Evangelisationseinheiten mitzuerleben. Manch neue Erfahrung wurde gemacht und Gott erlebt – ermutigend.
Abenteuerlich war der Hin- und Rückweg. Da mittlerweile die Schule wieder begonnen hat, konnte Ralf nicht fahren und sie auch nicht das Auto nutzen. Ein Auto ausleihen kam für sie partout nicht in Frage, die „Öffentlichen“ tun es doch auch. Na klar doch, zumindest billig sind die – aber dann kommen schon die fraglicheren Themen.

Sie würde gute sechs – acht Stunden unterwegs sein – ein Bike schied also schon mal aus! Es sollte einer der großen „Linienbusse“ werden. Diese fahren die längeren Strecken und die größeren „Provinzstädte“ fast direkt an. Also nicht gar so viele Haltestopps. Zudem sind sie sicherer als kleine PKW, die oft waghalsige Überholmanöver eingehen.
Diese Linienbusse sind ähnlich zu denen, wie wir diese kennen – also wie es sie bei uns auch gibt – meist kommen sie ja auch von „uns“ – allerdings deutlich älter. Na und dann gibt es da auch noch so manche Feinheiten.

Während wir gewohnt sind, in einem Fahrzeug jeder seinen Sitzplatz zu haben, Mittelgang frei – Gepäck klar umrissen und im Bauch des Busses verstaut. So ist Sitzen hier dehnbar. Wo bei uns auf dem Beifahrersitz eine Person passt, sind es hier zwei Personen, die sich den Sitz teilen.
Auf eine Sitzreihe in einem 9-Sitzer lassen wir drei Personen ihren Platz finden – hier sind es mind. fünf, mitunter auch sechs Personen.
Wie also ist es in den Linienbussen??? Da hat jeder seinen eigenen Platz, meinte Josef, ein Student von Christina. Er würde Christina die ganze Strecke hin und zurück begleiten. Christina allein unterwegs, wollten wir dann doch nicht – weiß – weiblich – Wildnis ….

Also jeder hat seinen Sitzplatz – zwei rechts, zwei links des Mittelganges. Das ist gut. Aber da gibt es dann eben noch das Brett dazwischen! Also wenn es rechts und links eine Reihe gibt, dann kann man dazwischen Bretter legen und darauf passen auch noch mal ein – zwei Personen – sechs Stunden – keine Rückenlehne – ambitioniert.
Der Bus sollte um fünf Uhr morgens in Freetown losfahren und so machten sie sich um vier zur „Abfahrhaltestelle“ auf den Weg. Da es noch dunkel war, brachte Amadu sie dorthin – Ralf machte sich dann gegen sieben Uhr mit Nathanael auf den Weg zur Schule.

Und was soll man sagen – die Abfahrt verzögerte sich auf 8 Uhr, bis sie dann wirklich losfuhren. Aber dann ging es auch wirklich los …. das Abenteuer. Sie hatten eigene Sitzplätze und auch der Preis blieb der wie für alle anderen. Allerdings musste Josef mächtig intervenieren, da der Busfahrer seine ganz eigene Vorstellung vom Gepäckaufschlag für eine Weiße hatte.
Wie wir es schon des Öfteren auf den Fahrten in die Provinzen wahrgenommen hatten, waren die Checkpoints Haltestellen für die Markttender. Die Busfahrer haben Arrangements mit fliegenden Händlern. Beim Halten stürmen diese an die Busse, um ihre Artikel an Frau/Mann zu bringen. Wenn alles zufrieden ist, geht’s weiter.
Alle Busse sind sogar mit Klimaanlage ausgestattet. Fenster und Türen bleiben während der Fahrt geöffnet und so ist für eine gute Durchlüftung gesorgt. Was nebenbei bemerkt auch durchaus vorteilhaft ist bei all den unterschiedlichen Gerüchen, die durch Enge und Hitze und manch andere Fahrgäste – Huhn und Co. Raum einnehmen. Auf dem Rückweg war es derart eng, dass Christina ihre Füße nicht bewegen konnte. Der Mann auf dem Brett links neben ihr saß dicht an dicht, aber war sehr vorsichtig. Seine Frau saß direkt neben ihm, ebenfalls auf dem Brett.

Im Grunde hat Hin- und Rückfahrt prima geklappt, auch wenn Ralf nicht weiß, ob er diese Art von Reisen gerne einmal ausprobieren möchte – dann lieber doch alleine mit dem Bike …. mal sehen.
Unterbringung und Verpflegung waren super – das Zimmer, in dem Christina untergebracht war, hatte sogar eine Klimaanlage. Es war ein christliches Gästehaus. Allerdings war oft kein Strom vorhanden. Das erleben wir gerade auch in Jui wieder extrem – wenn Strom mal für drei Stunden am Stück da ist, ist das sehr ungewöhnlich. Er glänzt dann aber auch wieder für Stunden und Tage mit Abwesenheit. Für PC – Handys und Ventilatoren sind wir dankbar für einen Generator, welchen wir dann für 2-3 Std. am Tag laufen lassen.

Um das Essen in Koidu kümmerte sich die Frau von Pastor Pious. Pious war der Student, der Christina zu dieser Konferenz eingeladen hatte und sich um alles für sie kümmerte – hat er sehr gut gemacht.
Am Samstag machten sich Christina und Joseph gegen fünf Uhr morgens wieder auf den Weg zum „Linienbus“ – ergatterten ihre Sitzplätze und der Bus fuhr relativ pünktlich ab. Diesmal war er mit deutlich mehr Menschen ++ gefüllt. Es wollen immer mehr Leute aus den Provinzen nach Freetown als umgekehrt. Da eben auch die Transportmittel aus den Provinzen deutlich weniger sind, sind diese dann dafür eben voller!

Jede Fahrt beginnt mit einem muslimischen Beter und einem christlichen Prediger, die nacheinander geistliche Worte zum Besten geben. Daneben dann die fliegenden Händler, die an den Haltestellen einströmten um ihre Waren anzupreisen – Christina fühlte sich mitunter wie auf einer Kaffeefahrt.

Gegen 16 Uhr nahm Ralf die Beiden in Jui Junction in Empfang und nach einem gemeinsamen Abendessen zog Joseph seiner Wege. Der Weg zur Dusche und zum Schlaf war zügig und wohltuend.
Eine gute Zeit für Christina und auch die Rückmeldungen zu dem was sie vorbereitet und abgeliefert hat – gerade auch in Krio – waren sehr positiv.
Sie möge doch bitte auch in diesem Jahr wieder dabei sein als Referentin im Dezember. Mal sehen.
