Ein Ausflug

Nach dem kurzen Stopp im Paradies oder am Strand machte Ralf sich auf, um in die Provinzen zu fahren.

Ein befreundeter US-Arzt (Geoffrey Moses), der mit seiner Familie in Jui wohnt und mit der christlichen Organisation „Frontiers“ zusammenarbeitet, hatte ihn gefragt, ob er ihn bei einem Vorbereitungstrip begleiten möchte. Ralf hatte mal angedeutet, dass er durchaus an so etwas Interesse hätte. So sollte es also am Donnerstag um 6 Uhr morgens losgehen. Eine Tagesfahrt sozusagen.

Dr. Geoffrey Moses – wo auch immer wir hinkamen – Kinder

Insgesamt mit vier Personen wollten Sie über Port Loko im Norden Sierra Leones um dann weiter ins Landes Innere zu fahren, um sich in einem der Dörfer mit Pastor Philipp zu treffen.

Pastor Philipp hatte bei einem Kirchenbund als Missionar begonnen, um in den unerreichten Regionen christliche Veranstaltungen durchzuführen und Gemeinden zu gründen. Sein Kirchenbund fand das super – ohne ihn groß zu unterstützen.

Irgendwann erhielt er einen Anruf von einer deutschen Organisation, die ihn über seinen Dienst und Tun ausfragten. Auch über seine Finanzierung, wie viel Geld er denn von seinem Kirchenbund erhalte für die Arbeit und Mission bzw. Schulen und Gemeinden, die er mitgegründet hatte.

Bei Pastor Philipp Zuhause – Geoffrey – Dennis – Moses sein Sohn

Das war schnell erzählt. Nach einiger Zeit erhielt er vom Präsidenten seines Kirchenbundes einen verärgerten Anruf und sollte sich erklären, ob er etwa mit einer ausländischen Organisation geredet hatte und was denn bitte?!

Er berichtete von dem Telefonat, den Fragen und seinen Antworten. Er hatte gedacht, dass es von Seiten seines Bundes abgesprochen war und deshalb offen und wahrheitsgemäß Rede und Antwort gegeben. Dem war offensichtlich nicht so! Wie er denn dazu käme, überhaupt mit dieser Organisation zu reden und etwas selbstständig weiter zu geben? Dazu sei er gar nicht befugt gewesen!

Bis Port Loko – asphaltierte Straßen – dann diese Route (relativ gut zu fahren) und dann ….

Nun ja, er bekam nun ein Bild, was da gelaufen war. Der Kirchenbund hatte bei dieser Organisation jährlich Gelder für ihn und seine Mission beantragt und erhalten. Nun wollte die Organisation das prüfen und siehe da, von dem budgetierten Geld scheint für diesen Zweck nichts angekommen zu sein. Da Pastor Philipp nicht klein beigeben wollte – er hatte ja weder manipuliert noch die Unwahrheit gesagt und würde auch nicht, wie gefordert, sich entschuldigen und die Kosten tragen. Denn fortan wurden die Förderungen für ihn eingestellt.

Pastor Philipp vertraute sich Gott an und verließ den besagten Kirchbund. Ein Bund, dessen Leitung derart mit Menschen und Mission umging, konnte nicht sein geistliches Zuhause bleiben.

Langsam, langsam

Für ihn hat sich seitdem nicht viel geändert. Er lebt sehr bescheiden und tut, was Gott ihm aufs Herz legt. Sie bauen Obst und Gemüse an, um zu überleben – verbreiten Evangelium – bauen Schulen – unterrichten und gründen Gemeinden.

Unter anderem arbeitet er jetzt mit der Organisation „Frontiers“ zusammen. Frontiers arbeitet in überwiegend muslimischen Gegenden – bauen dort Kontakte auf – bieten Schulungen und helfen in medizinischen und sozialen Bereich.

Unter der Leitung von Dr. Moses schicken sie immer wieder Teams aus den USA nach Sierra Leone, um für ein paar Tage in den Provinzen mobile „Artzpraxen“ aufzubauen und kostenlos ärztliche Versorgung anzubieten.

In den Provinzen ist die Bevölkerung deutlich über 90 % muslimisch

Sie tun das dort, wo kein Krankenhaus oder Arzt in der Nähe ist und Menschen noch nie in ihrem Leben bei einem Arzt waren. Diese Teams kommen für 5-7 Tage in ein Dorf und die Menschen aus Dorf und Umland kommen zu ihnen, um untersucht und behandelt zu werden. Alle arbeiten ehrenamtlich und tragen zum Teil selber die Kosten, für diesen Einsatz. Natürlich machen die Teams nur, was sie vor Ort auch tatsächlich tun und verantworten können.

Im Dorf – mitten auf der „Straße“, wird Reis zum trocknen ausgelegt

Bei den Begegnungen bietet das medizinische Personal auch Gebet an. Wenn sie von den Patienten gefragt werden, warum sie das machen, erzählen sie von ihrem Glauben. Daneben gibt es weitere christliche Angebote – Literatur, Bibelstunden – den Jesus-Film und manches mehr.

So durfte Ralf also das Dorf sehen, in dem ein Team im letzten Jahr gewirkt hat. Die Überlegung war, ob sie den Einsatz erneut in diesem Dorf oder in einem etwas weiter entfernteren Dorf (noch mal 40 Minuten mit dem Auto weiter) durchführen sollten?!

Im Gespräch mit den Dorfältesten

Denn beim letzten Mal hatten sie die Dorfälteste (Bürgermeisterin) des anderen Ortes kennen gelernt und diese war sehr offen für ihren Besuch. Aber würde das überhaupt in diesem Dorf gehen, gibt es für solch eine mobile Praxis die Infrastruktur?

Ralf wurde auch schon gefragt, ob er nicht mal bei einem solchen Einsatz teilnehmen wollte? Helfer werden immer benötigt (auch aus Deutschland!) – auch wenn man nicht vom Fach ist, gibt es hier viele, viele Aufgaben!

Aber für uns gibt es da eben noch ein paar notwendige Fragen, die zuvor zu klären werden. So auch im Vorfeld für Christinas mehrtägige Konferenz oder unserem Trip Ende Januar zu AOOP und Arunas Schule – alles Abseits der größeren Ortschaften – im Busch.

In dieser Schule wurden die Besprechungs- und Behandlungsräume eingerichtet.

Wo und wie werden wir schlafen? Wie sehen die hygienischen Zustände aus – bzw. wie verhält es sich mit den Toiletten – oder ist es wie bei der Bundeswehr – ein Spatengang?

Ein Klassenraum – wird ganz normal für Schule genutzt

Für die Einheimischen ist das kein Thema – hinter den nächsten Busch oder zur Hausecke – zieh blank – lass laufen. Wasser aus dem Fluss oder Brunnen – aber keine Dusche – sondern nackig mit Waschlappen?

Da sind wir dann doch etwas mehr schambehaftet und auch anfälliger.

Deshalb wollte Ralf gerne mal einen Tagestrip mitmachen und sehen, wie was ist.

Links die Toilette – rechts die Duschkabine

In dem Dorf, in dem die mobile Praxis bereits letztes Jahr war, waren zum Teil noch die Baumaßnahmen von damals zu sehen. Für das Wohnen und Schlafen werden Zelte aufgebaut und das Gelände mit Bambusstangen und –blättern blickdicht eingezäunt. Für Toiletten werden Löcher ausgehoben – bis auf ein kleines Loch zu zementiert. Eine Stange wird quergespannt – daran kann man sich dann festhalten, während man stehend loslässt, was raus muss. Danach kommt über das Loch wieder ein Brett – so bleibt es … geruchs- und ungezieferneutral – jedenfalls für gewisse Zeit. Dieser ganze Teil wird auch mit Bambusstangen und –blättern blickdicht abgeschirmt. Ebenso mit dem Duschen – große Tonnen mit Wasser gefüllt mit kleinen Schöpfkellen oder mit einer solarbetriebenen Wasserpumpe. Da es aber keine Türen zum abschließen geht, sollte man immer zu zweit diesen Weg gehen – einer hält Wache. Erinnert Ralf kolossal ans „Greenbelt“ 1988 (ja so alt ist er schon!) – ein Open Air Musikfestival in England.

Es ist schon spannend, was man alles tun kann, damit auch Internationale ihre grundlegenden Bedürfnisse nach Hygiene und Privatsphäre gewährleistet bekommen.

Hier werden dann die Zelte für die Mitarbeiter aufgebaut

Die Fahrt war wirklich lang und länger. Beim ersten Abschnitt bis nach Port Loko (ca. 2,5 Std) war die Straße gut ausgebaut und es ging zügig voran, nur unterbrochen von den unzähligen Checkpoints und ihren sinnentleerten Stopps.

Geoffrey hat Sierra-Leonische Wurzeln: sein Vater kommt von dort (Mutter ist Kanadierin) und so ist er ein beziehungsorientierter Mensch – sehr. Deshalb dauerte jeder Checkpoint seine Zeit. Jedem Hallo sagen, fragen wie er / sie heißt, immer und überall ein Schwätzchen – wow, das ist anstrengend.

Auch die Begegnungen in den Dörfern sind unheimlich zeitaufwendig. Immer freundlich, nett – aber eben auch ausdauernd über Stöckchen und Steinchen, bis jeder etwas gesagt oder sich mitgeteilt hat. Irgendwann hat Ralf gefragt, wann wir uns auf den Rückweg machen müssen, um noch im Hellen in Jui anzukommen – was unsere Absprache war. Damit war das Signal zum Aufbruch gegeben. Wie gut, letztendlich haben wir es gerade so geschafft, bevor die Sonne unterging.

Auch eine Entscheidung ist gefallen: Sie werden Ende Februar die mobile Praxis im selben Dorf an gleicher Stelle aufbauen und manches aus der Erfahrung verändern. Das Gespräch mit dem Bürgermeister und allen, die dabei sein wollten, hat gute zwei Stunden gedauert.

Bis zum Dorf von Pastor Philipp dauerte es über Schotterwege und Schlaglöcher gute 1,5 Std. und in die beiden Dörfer jeweils noch mal überwiegend im Schritttempo 1 Std. – das zog sich unglaublich zuckelnd und ruckelnd hin. Am Abend deutet der Kopf an, das es reichlich an Rollercoaster war.

Hier geht´s weiter – immer weiter …

Insgesamt war diese Tour eine durchaus gute, interessante und abenteuerliche Erfahrung – die Menschen – die Straßen – das Umland und die Verhältnisse, in denen sie leben, kennen zu lernen. Trotz der Armut, vielen Entbehrungen und Leid sind es unglaublich dankbare, freundliche Menschen, die gerne lachen, höflich sind und friedvoll und vertrauensvoll nach vorne schauen.

Dennis und sein Sohn Moses

Im Auto waren auch Denis, ein einheimischer Christ, und sein Sohn. So haben wir uns bei den Checkpoints auch über die neuesten politischen Entwicklungen austauschen können.

Die Checkpoints nehmen wieder zu. Vermutlich liegt das daran, dass der ehemalige Präsident gerade schuldig gesprochen wurde. Er ist verurteilt, einer der Drahtzieher für den Putschversuch vergangenen November zu sein, so die offizielle Lesart und Verlautbarungen.

Der afrikanische Zusammenschluss „ECOWAS“ war mit seinen Repräsentanten beim Präsidenten von Sierra Leone und hat mit ihm beraten. Es wurde Unterstützung angeboten. Die umliegenden Länder nehmen die Entwicklung in Sierra Leone wahr und scheinen über die Tendenzen besorgt.

Der afrikanische Zusammenschluß ECOWAS bemüht sich ……

So haben sie in einem offiziellen Gespräch der Sierra-Leonischen Regierung angeboten, den ehemaligen Präsidenten ins Ausland, nach Nigeria zu übergeben und ihn hier unter „Arrest“ zu stellen. Die Regierung SL hat abgelehnt und kurz darauf den Ex-Präsidenten verurteilt. Bis zur Vollstreckung der Gefängnisstrafe steht er unter Hausarrest – wie so manch anderer der ehemaligen Regierung – auch die Tochter des Expräsidenten steht unter Anklage.

Die Stimmung ist aufgeheizt und man fragt sich, warum wird so vorgegangen – vor allem, weil es kaum oder keine Beweise für die Anklage und Beschuldigungen gibt – also warum?

Warum wird die Hilfe aus dem Ausland nicht angenommen – was wird bezweckt?

Wieso werden Checkpoints wieder vermehrt besetzt und dennoch gibt es keine Personenkontrollen? Auf Ralfs Frage, was sie eigentlich suchen, erhält er stets die Bestätigung, dass es überwiegend um Waffen geht, die konfisziert werden sollen. Also geht es nicht um die verloren gegangenen Gefangenen, sondern um Material, welches Vorteile verschaffen kann.

Mal schauen, was sie sich noch alles ausdenken ….

Die Lage in den vergangen Wochen wird nicht entspannter, gerade auch was die Kosten für das Leben angeht. Alles wird teurer – Wasser – Strom – Lebensmittel – Transportkosten. Gerade werden auch die Internationalen erneut kräftig zur Kasse gebeten. Neben anderen steigenden Kosten muss jetzt zusätzlich jede Person eine Gebühr von 100 Dollar sowohl bei der Ein- wie auch Ausreise zahlen. Das wird natürlich alles über die Ticketpreise verrechnet und so ist es kaum verwunderlich, wenn man überall anders hin, günstiger fliegen kann!?! Warum also nicht in ein schönes und sicheres Paradies?!

Das Internationalen finanziell besondere Aufmerksamkeit zukommt, ist eines – aber fast scheint es, daß diese im Moment auch gar nicht so recht willkommen sind … Der Tourismus hat eh schon deutlich abgenommen – was wir von den Einheimischen hören.

Man könnte den Eindruck gewinnen, dass bewußt eine Eskalation gewünscht wird, um mit Militärgewalt, diese Lage dann wieder unter Kontrolle zu bekommen. Und auch hierzu wären Internationale, die eh nur stören – hinderlich. Und wenn keine störenden (ausländischen) Faktoren mehr anwesend sind, es weniger unangenehme Fragen gibt.

Das ist die christliche Kirche in dem Dorf das nun von Pastor Philipp betreut wird.

Gerüchte, Gerüchte – Wahrnehmungen – doch wer weiß schon, was das letztendlich wirklich alles zu bedeuten hat?! Wir wissen uns nach wie vor in Gottes Hand, beten um Erneuerung und Veränderung zum Guten und Besten für das Land und für die wirklich willige und einfache Bevölkerung.