Viele Wochen wurde auf diesen Tag hingearbeitet und hingewiesen – die Entpflichtung von Rev. Margaret Roberts als Pastorin der Peace Baptist Church und auch als Pastorin des Baptistenbundes.
Wenn ein Pastor oder Pastorin sich entscheidet, in Rente zu gehen, dann wird das hier groß gefeiert. Es ist nicht nur eine Entpflichtung, es ist ein großes Fest. Zu diesem kommen viele KollegInnen aus dem eigenen Bund und auch darüber hinaus und natürlich ist es auch für die gesamte Gemeinde ein besonderer Anlass.

Die Gemeinde, in welcher die Pastorin zuletzt ihren Dienst versah, ist aufgefordert, das Fest auszurichten. Das bedeutet zum einen für jeden der anwesenden Gäste etwas zu Essen und zu Trinken bereitzustellen und zum anderen entsprechende „Abschiedsgeschenke“ zu gewährleisten.
So wurde von jeder Gemeindegruppe gefordert, einen bestimmten Geldbetrag zu sammeln und der Pastorin zur Verfügung zu stellen. Die erwachsenen Gruppen jeweils 300 Euro und die jüngeren Gruppen jeweils 150 Euro. Dies wurde auf die jeweiligen Mitglieder der Gruppe umgerechnet. Hört sich nicht viel an, ist es aber! Es war nicht leicht, diese Summen zusammen zu bekommen – es ist eine arme Gemeinde mit unzähligen Kindern – vielen Jugendlichen und etlichen Frauen. Personen, die einen Job haben und oder die ein regelmäßiges Gehalt erhalten, gibt es kaum.
Dieses Geld soll auch dafür sein, um für das Essen und Trinken an diesem Tag zu sorgen. Bei einigen Gruppen und Personen kam die Frage auf, warum man das so machen muss. Wäre es nicht viel besser, das gesammelte Geld direkt an die Pastorin zu geben, anstatt alle Gäste zu verköstigen, die ohnehin zu den besser Situierten gehören?!?

Weiter wurde die Frage gestellt, wie das denn mit den Kindern und Jugendlichen gehen soll. Denn nicht die Kinder, sondern deren Eltern müssen das Geld aufbringen, zusätzlich zu ihrem eigenen Beitrag?!
Das waren exakt unsere Gedanken – doch die Leitung war nicht dazu zu bewegen – das sind die Statuten des Gemeindebundes und so machen wir es!
Dazu muss man auch wissen, dass es hier keine Rentenversicherung gibt, die auch nur ansatzweise mit der in Deutschland vergleichbar wäre. Es gibt zwar Versicherungen, in die man einzahlen kann, aber dazu muss man Geld übrig haben. Die Arbeitnehmer, Gelegenheitsarbeiter – Selbstständigen und Nichtverdiener können das zu über 90% nicht. Eine staatliche Versorgung – die so gering ist und nur bestimmten Gruppen zusteht, deckt kaum etwas ab.
Auch die Gemeindebünde haben kein funktionierendes Rentensystem.
Früher, als sich die Internationalen aus Europa darum gekümmert haben, hat es funktioniert. Damals gab es eine Altersabsicherung, von der zumindest die Pastoren leben konnten. Aber in der Umsetzung zur Eigenverantwortlichkeit wurde auch dieses System gekippt. Nun können die Pastoren an den Bund Gelder zur Altersversorgung geben, ob das aber am Ende auch dazu genutzt wurde, oder überhaupt etwas rauskommt, ist vielen hier zu unsicher. Deshalb kümmert sich wer kann, um sich selber.
Bei Quereinsteigern wie Rev. Margaret Roberts läuft das allerdings noch anders. Jede Gemeinde des Bundes ist gefordert, 500 (25 Euro) Leones bereitzustellen, jeder Hauptamtliche, 200 Leones (10 Euro) zu geben. Das wurde vom Bund gesammelt und ihr feierlich im Gottesdienst überreicht.
Nun mit über 65 Jahren geht sie aus gesundheitlichen Gründen in Rente und muss hoffen, dass, was sie gespart hat bzw. beim Entpflichtungsgottesdienst erhält, ausreicht. In diesem System hier müssen oder sollten die Kinder sich um ihre Eltern kümmern – aber das ist oft fragil.

Da mit vielen PastorInnen zu rechnen war, wurde der Gottesdienst auf 14 Uhr am Nachmittag gelegt. So kann jeder seinen Gottesdienst morgens wahrnehmen und ebenso am Nachmittag anwesend sein. Da hier wie in der katholischen Kirche ein Gottesdienst nicht einfach ausfallen darf, wurde beschlossen, an diesem Sonntag in der Peace Baptist zwei Gottesdienste zu haben. Der eine sollte schon früher um 9 Uhr beginnen und kürzer gehen, damit dann die Vorbereitungen laufen konnten und zum Gottesdienst um 14 Uhr alles fertig war.
An diesem Sonntag war Christina zum Predigen eingeteilt und nicht nur wir waren skeptisch, mit wie vielen Gottesdienstbesuchern am Morgen wirklich zu rechnen wäre. Diese Gedanken hatten wohl auch andere und so wurde im Vorfeld immer wieder betont, wie wichtig ein Besuch von beiden Gottesdiensten ist.
Nun ja, man kann ja wollen, aber Menschen haben dann doch überall ihre eigenen Überzeugungen. Der Gottesdienst am Morgen begann mit recht spärlichem Besuch – was ab 10 Uhr, als die Predigt begann, etwas voller wurde und gegen Ende – nach guten zwei Stunden waren dann doch eine ganze Reihe da und der Gottesdienst ging zu Ende. Christina hat einen richtig guten Job gemacht und das wurde auch von seiten der Gemeinde dankbar und fröhlich wahrgenommen.
Da Nathanael nicht mehr in die Gottesdienste mitkommt, machte sich Ralf auf den Rückweg und Christina blieb. Sie half bei den Vorbereitungen für das Essen am Nachmittag – das war eine spannende Angelegenheit. Es sollte für jeden Fischbrötchen und Getränke gereicht werden.
So saß Christina dann mit ein paar anderen Damen der Gemeinde in der „Pastorenküche“, um Fischgräten zu zupfen (eine Herausforderung für einen Fischallergiker), Brötchen zu schneiden, Zwiebeln zu schnippeln und und und.
Alle Zutaten wurden zu einem interessanten Mus gestampft und dann auf die Brötchen gestrichen – über 300 Stück. Sie hatten ausreichend Zeit, da der Gottesdienst auch erst gegen 14.45 Uhr seinen Start nahm und der Redner, Präsident der BCSL, erst zur Predigt gegen 16 Uhr eintrudelte – das ist hier so üblich, das eine, wie das andere.
Der Gottesdienst war sehr persönlich und die Predigt anschaulich und tiefgreifend. Der Gemeindegesang und Chor waren rund und der Entpflichtungsteil feierlich. Dann ging es an die Geschenke und es war schön zu erleben, dass Rev. Margaret von Seitens der BCSL fast 2.000 Euro erhielt. Vonseiten der Gemeinde gab es ebenfalls einen Beitrag.

So wird sie zuerst einmal über die Runden kommen und wie lange, wird man dann sehen. Niemand außer der eigenen Familie ist verpflichtet zu helfen. Aber mitunter helfen gelegentlich die Gemeinden, in der die PastorInnen zuletzt gedient haben. Das hat ihr Peace Baptist Church dann auch versprochen.

Christina ist im Anschluss von Gibrilla auf seinem Bike nach Jui gebracht worden, wo schon ein warmes Essen und die Chapel auf sie warteten.
Gibrilla ist ein Freund von Emmanuel, einem Pastor, der im Juni sein Studium am T.E.C.T. beendet hat. Er ist nach wie vor auf dem Campus, da die Vermittlung seitens seines Bundes bis Ende Oktober gedauert hat. Dann wusste er zwar, wohin er gehen soll mit seiner Frau Nenneh, die im Dezember ihr erstes Kind erwartet. Da sie auch zu studieren begonnen hat, hoffen wir, dass sie ihr Semester im Dezember erfolgreich abschließen kann und erst dann das Kind kommt. Seit Juni haben sie keinerlei finanzielle Unterstützung mehr erhalten, das ist eine blöde Tatsache im Übergang von Studium zur Anstellung. So konnten wir Nenneh in diesem Jahr einen Teil der Studiumgebühren finanzieren.

Bis Ende November hat Emmanuel am T.E.C.T. mit Hab und Gut wohnen dürfen – jetzt musste alles raus und er wohnt nun noch bis zur Graduierung im leeren Haus – nichts zu Essen, keine Decke usw. – für Mum Christina geht das gar nicht und so versorgen wir ihn täglich mit Essen und weiterem – so ist das hier eben. Eine aus Deutschland mitgebrachte Sportmatte dient ihm nun als Bett, wofür er extrem dankbar ist.
Nenneh wohnt in der Zwischenzeit bei seiner Familie, macht dort ihr Studium und wartet dann auf die Niederkunft. Anschließend hoffen sie, in eine Wohnung am Einsatzort ziehen zu können.
Emmanuel wurde nun auch eine Wohnung zugeteilt – ein winziges Schlafzimmer und Wohnzimmer, kleine Veranda und Bad, von dem sie nicht wissen, ob sie es allein nutzen dürfen. Das ist schon ein herber Schlag für eine vierköpfige Familie plus Baby und zudem noch sehr abenteuerlich, was den Wohnraum betrifft. Aber selbst sein Vorgesetzter und Kollege wohnt mit acht Personen in einer Wohnung mit zwei Schlafzimmern und Wohnzimmer – mehr können sich die Pastoren dort einfach nicht leisten. Emanuel erhält als Pastor 300 Leones / Monat (ca. 15 Euro). Davon werden obligatorisch 10% als Gemeindebeitrag und 10 Leones als Pastorenbeitrag abgezogen. Was übrig bleibt, reicht nicht einmal für einen kleinen Sack Reis. Wer sich entscheidet, hier in den Provinzen als Pastor zu arbeiten, muss sich auf Armut einlassen, trotz eines vierjährigen Studiums. Ihm ist klar, dass der Anbau von Gemüse nötig sein wird, um zu überleben.

Gibrilla, sein Freund, wohnt in Calaba Town, wo auch die Peace Baptist Gemeinde lokalisiert ist. Er hatte mal was mit Christsein zu tun, aber durch etliche Rückschläge – er ist Taxifahrer mit Bike – hat er das aus den Augen und Herz verloren. Über Emmanuel hat er Christina kennengelernt, die regelmäßig für seine schwierige Situation betet. Da wir ihn gelegentlich unterstützt haben, wollte er gerne die Peace Baptist besuchen, was er zusammen mit seinem kleinen Sohn machte.
Es gefiel ihm recht gut und so wollte er wiederkommen, wenn Christina predigt, kam mit Sohn und kleinem Bruder und war dann sogar für die Entpflichtungsfeier der alten Pastorin wieder da. Ihm gefällt es und tut ihm gut und er möchte gerne Teil der Peace Baptist Family werden – das ist doch schön – Danke Gott.
Abends waren wir noch in der Chapel und so endete ein intensiver, anstrengender, aber lohnender Tag.

Nachtrag: Warum Nathanael nicht mit in die Gottesdienste hier gehen will (2-3 Stunden auf Krio) und auch kaum raus an die Öffentlichkeit, hat uns zunächst verunsichert und natürlich auch traurig gemacht. Für Eltern, die Zeit ihres Lebens viel Liebe in die Glaubensentwicklung von Jugendlichen gesteckt haben, ist das nicht leicht. Aber er ist nun eben kein Kind mehr und so müssen wir das auch akzeptieren. Wir laden ein und beten. Wie sagte jemand mal so treffend: Wenn die Kinder klein sind, kannst du mit ihnen über Gott reden. Wenn die Kinder groß sind, kannst du mit Gott über die Kinder reden!
Ein Highlight allerdings war, als Nathanael Anfang des Jahres mitteilte, warum das so ist. Es hatte mit unserer Anreise hier zu tun. Als wir aus dem Flugzeug stiegen und am alten Flughafengebäude ankamen, wurden wir immer wieder von vielen fremden Menschen angesprochen und umlagert.
Als wir aus dem Flughafengelände traten, wo uns Menschen des Baptistenbundes abholen wollten, standen wir für gute 20 Minuten dort und wurden in dieser Zeit von Einheimischen umlagert und bestürmt, die uns Ratschläge, Hilfe und ihre Dienste anboten – laut – aufdringlich und in der hiesigen Art und Weise, die uns eher an Streit erinnert. Nathanael erlebte auch uns Eltern in dieser Situation eher hilflos und ausgeliefert. All das hat seinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Wir konnten damit umgehen, er eher weniger, was wir nun erfahren haben. Wir sind dankbar, dass er das nun aussprechen konnte und legen es Gott hin. Wir beten, dass er damit seinen Frieden findet und ganz andere und positive Erfahrungen machen kann. Einer davon ist eben in der Schule! Ein anderer, dass viele uns im Gebet begleiten – Danke!
Einige junge Männer vom Campus versuchen immer wieder, Kontakte zu ihm zu knüpfen. Inzwischen klappt die Kommunikation auf Englisch gut und so freuen wir uns über kleine Schritte in die richtige Richtung. Ein weiterer Versuch, ihn zu integrieren, wird das diesjährige Weihnachtskonzert des Chores sein, das an Nikolaus auf dem Gelände des T.E.C.T. stattfinden wird.
