Immer wieder Sonntag´s

An diesem Sonntag war Christina von einem ihrer Studenten eingeladen in seiner Gemeinde zu predigen. Es ist eine kleine evangelikale Gemeinde in Hastings direkt neben dem Ort Jui – also gleich um die Ecke. Dort ist Jeremiah Pastor.

Nun säumt auch eine schöne Balustrade das Amphitheater – sehr festlich und ein Ort an dem nun noch viel lieber Hochzeiten gefeiert werden – direkt bei uns nebenan.

Am Abend vorher fand auf dem T.E.C.T. Gelände die erste Hochzeitsfeier dieser Saison statt. Musik, Reden und Feiern gingen bis gegen Mitternacht. Die Fenster dämpfen den Lärm etwas – die Bässe jedoch gehen durch – aber mit Ohropax ist es dann erträglich – auch das Wissen hilft, dass die Feiern auf dem T.E.C.T. Gelände bis max. 24 Uhr gehen. Und ja die Festival Season hat Mitte November begonnen und das können wir hören.

Bevor es ans Schlafen ging, war Ralf noch mal im Bad, da nahm er Wasserplätschern wahr – dachte aber, einer der Partygäste hatte neben dem Haus ein Plätzchen für ein Geschäftchen gefunden – kommt immer wieder vor – da kennen die hier nichts.

Unser 2.000 Liter Tank – linke Seite fliesst das Wasser aus dem Brunnen rein – rechte Seite fliesst das Wasser aus dem Tank ins Haus.

Nun gut, um 3.30 Uhr haben ältere Herrschaften schon mal das Bedürfnis, das Bad aufzusuchen und nach Betätigung der Spülung wurde aus dem Händewaschen ….. nichts mehr. Es kam kein Wasser … na super – was heißt denn das nun?

Wieder im Bett kreisten die Gedanken. Der 3.000 Liter Wassertank hatte ohnehin ein Leck, aus dem es seit längerem tropfte. Unsere Hinweise darauf haben jedoch nichts bewirkt. Nun gut, als es die letzten Tage doch mehr tropfte und die Trockenzeit bevorsteht und bevor Wasser knapp werden kann, wollte Ralf in der kommenden Woche den Klempner um Überprüfung und Reparatur bitten.

War nun alles zu spät? War aus dem kleinen Leck mit einem Mal ein großes Loch geworden – der gesamte Tank leer und kaputt??

Was machen wir nun wie? Geplant war heute am Sonntag mit einem der Studenten zur Gemeinde zu fahren, die wir noch nicht kennen, um dort den Gottesdienst zu besuchen und Christina zu predigen. Ralf dachte sich, das sollte nun Christina alleine machen und er wollte schauen, wie das Problem mit dem Wasser …-tank zu lösen wäre. Es ist schon erstaunlich, dass solche Dinge immer am Wochenende passieren, wo nicht klar ist, ob dem abgeholfen werden kann.

Nach unserem letzten „Wasserschaden“ (Rohrbruch) haben wir vorgesorgt und zwei große 20 Liter Trinkwasserkanister besorgt – just in Case – nun ist dieser eingetreten.

Freetown in den frühen Morgenstunden

Reicht zum Spülen, Hände und Haare waschen – Katzenwäsche – Kaffee und Kochen – also bis abends zum Duschen haben wir hoffentlich eine Lösung gefunden!?!

Also haben wir morgens dann abgesprochen es so zu machen. Aber wie das so ist, manchmal kommt es anders als man denkt und plant. Ralf hatte gerade gegen 8 Uhr den Manager of Facilities angerufen und ihm unser Problem erklärt, als Christina meinte, wir bleiben heute Zuhause!?!

Im Gefängnis, wie die Zellen geöffnet werden

Über alle Kanäle (Whatsapp) kamen die Nachrichten, dass seit den frühen Morgenstunden in Freetown geschossen wird. Ein Waffenarsenal einer großen Kaserne wurde ausgeraubt, der Präsidentenpalast angegriffen ebenso wie ein Gefängnis, in welchem 2019 ca. 2.000 Inhaftiert sind (heute sind es mit Sicherheit viel mehr) und nun Hunderte von Gefangenen befreit. Mehrere Polizeistationen wurden ebenfalls angegriffen und die dortigen Gefangenen befreit. Im Nachgang zu den Wahlen waren auch einige hohe Militärs gefangen genommen worden – ob zu Recht oder Unrecht ist unklar und so scheinen die Befreiung dieser Personen auch eines der Ziele des Aufstands gewesen zu sein.

Die Gefangenen auf der Flucht

Die Polizei reagierte umgehend. Der Präsident und das Parlament wurden geschützt. Eine landesweite Ausgangssperre besteht nun und alle sollen zu Hause bleiben. Nach und nach trudelten Bilder, Filmchen und Nachrichten ein, die sich verdichteten. Es war ein Putschversuch mit Angehörigen des Militärs in den frühen Morgenstunden. Er wird von regierungstreuen Polizisten und Soldaten bekämpft. Etliche von ihnen ließen heute ihr Leben.

Auch im Umfeld des Präsidentenpalastes kam es zu heftigen Schusswechseln. Dem Präsident gehe es gut und er würde sich später an die Bevölkerung wenden.

Damit war klar: wir bleiben wo wir sind und verlassen heute das T.E.C.T. Gelände nicht!

Dann kamen die zwei Amadus, um sich das Problem mit dem Tank anzuschauen. Sie wollten lokalisieren, was los ist und dies dann dem Plumber erläutern. Dabei kam heraus, dass das Problem nicht am Tank lag, sondern ein Stück vom Wasserrohr zum Haus verschoben und undicht geworden war. Da das alles geklebt ist, kann das schon vorkommen. Zudem sind das auch die Plätze, an denen die wilden Hunde gerne mal ein Schlafpäuschen machen – so führte vielleicht eins zum anderen. Es wurde ein elastisches Band geholt, die Rohre erneut befestigt und der Tank mit Wasser befüllt.

Amado beim „Reparieren“ der Rohrleitung – der Wassertank steht noch aus. Aber wir sind sehr dankbar, erstmal wieder Wasser zu haben.

Dann nutzen wir die Zeit und halfen bei den Aufräumarbeiten auf dem Feiergelände. Nach jeder Feier (Hochzeit etc.) liegen Berge von Müll übers Gelände verteilt. Das ist schlimm und eine der großen kulturellen Unarten. Wo man steht und geht wird einfach der ganze Müll hingeworfen und liegen gelassen. Auf dem T.E.C.T. Gelände dürfen dann am nächsten Tag die Studenten oder Gärtner aufräumen – wir halfen mit. So war es schnell vorbei und wir dann wieder in den eigenen vier Wänden.

Ab Mittag waren dann plötzlich Schüsse zu hören, erst etwas entfernt – wohl beim Eingang nach Jui in Höhe des Militär Checkpoints. Bisher hatten wir über Whatsapp die Szenen aus Freetown gesehen, nun hörten wir selber das Schießen.

Und während wir noch darüber nachdenken, bricht ein wahres Stakkato von Gewehrsalven, direkt hinter der Mauer vom T.E.C.T. Gelände aus. Direkt in der Nähe des Studentinnen Unterkunft (Doorm).

„Grace Williams“ die Unterkunft der Studentinnen

Die waren völlig aus dem Häuschen – Panik – Schreien und Weinen. Der Rektor hatte bereits angewiesen, sämtliche Tore und Türen zu schließen und zu sichern, so dass keiner mehr von außen auf das Gelände kommen kann. Wie gut, dass die Mauer nun rund ums Gelände in diesem Sommer fertig gestellt werden konnte – Gott sei´s gedankt. Wenn man da so drin steckt, kann einem schon mulmig werden …. Nach einiger Zeit ebbte das Schießen ab und verlagerte sich wieder in Richtung Junction.

In einer Rede an die Bevölkerung erklärte der Präsident, dass es einen bewaffneten Putschversuch unter teilweiser Beteiligung des Militärs gegeben hat. Die Lage ist unter Kontrolle, Putschisten und entflohene Gefangenen werden gejagt, gefangen genommen oder erschossen und die Sicherheit wieder hergestellt. Alle sollen solange ihre Häuser nicht verlassen und sämtliche Verkehrsmittel, Geschäfte, Märkte etc. bleiben geschlossen.

Die Lage ist unter Kontrolle – so wird stets betont. Es scheint jedoch noch etliche Straßenkämpfe zu geben. Die Putschisten und entflohenen Gefängnisinsassen wurden, so wurde gesagt, aus Freetown hinaus und in die Vororte getrieben werden (nach Jui) – hier sollten sie dann festgesetzt werden. Da Jui eine Landzunge ist, hofft man wohl, hier könnte eine Gefangennahme einfacher werden. Hier hören wir bis nachts noch Schüße, doch die sind viel weiter weg und kommen aus den anderen Vororten.

Eine nationale Ausgangssperre besteht

Wie das nun morgen wird, wenn die Woche wieder losgeht, kann noch keiner sagen. Vielleicht wird die Ausgangssperre verlängert – oder der Alltag nimmt wieder seinen gewohnten Lauf – unsicher bleibt es ohnehin. Die Menschen hier haben Angst, gerade die Extern Lebenden berichten davon.

Gegen 20 Uhr ließ die Schule von Nathanael über Whatsapp verkünden, dass sie morgen geschlossen bleibt. Viele Einrichtungen zogen nach. Aber was ist mit der Ausgangssperre …. bleibt die bestehen – wie lange – was machen die Menschen, die von der Hand in den Mund leben …. – Fragen über Fragen?!

Gegen 23.30 Uhr ging eine offizielle Verlautbarung viral, das für den nächsten Tag in der Zeit von 21 – 6 Uhr eine nationale Ausgangssperre für unbestimmt besteht. Also von 6 Uhr morgens bis 21 Uhr Abends soll es einen geregelten Ablauf geben. Und immer wieder wird betont, die Lage sei unter Kontrolle.

Über 1.800 Gefangene sind geflohen – zwei Hände voll, wieder gefasst, oder haben sich freiwillig gestellt – die Polizei bieten Gelder für Hinweise die zur Ergreifung von Flüchtigen und Putschisten führen. Klingt nicht so unter Kontrolle – eher wie Wild West.

Es sind so manche Kuriositäten. Bei dem Gefängnis handelt es sich um jenes, in welchem Gboko inhaftiert ist – gehört er zu den Flüchtigen oder war er weise und ist geblieben?

Es ist gut, in den verschiedenen Whatsapp Gruppen zu sein, da wir so sehr gut und frühzeitig informiert werden. Die amerikanische Botschaft hat sich bereits früh an ihre Landsleute gewandt, die britische kam etwas später und zu guter Letzt mit den wenigsten Fakten und Hinweisen kam das Auswärtige Amt hinzu. Wir sind dankbar für die internationalen Kontakte und einheimischen Sozialen Medien. Dadurch wissen wir einfach mehr und unterstützen einander.

Auch die Ansprache des Präsidenten gab nur wenig an Hintergrundinformationen. Es scheint nicht schwer Schlüsse zu ziehen. Wahlen die auch von Internationalen als intransparent und fragwürdig beanstandet wurden. Etliche Festnahmen (hochrangige Militärs) nach den Wahlen. Ein Präsident der nicht transparent ist und die Wahlunterlagen offen legen will. Der nicht abdanken will oder Neuwahlen zustimmt. Ein Land das Hungert, leidet und sich kaum jemand um die Ärmsten der Armen kümmert. Eine Wirtschaft die kurz vor dem Bankrott steht – Korruption – Betrug und Machtmissbrauch. Wir denken es hat mit den Wahlen und der Regierung zu tun und haben ja schon vor einiger Zeit gesagt, das ein Funke reicht. Das dies nicht der richtige Weg ist, ist klar – aber die Hintergründe liegen eben auch auf der Hand.

Viel Wut – viel Gewalt – viel Zerstörung

Am späten Nachmittag ist Christina rüber zur Studentinnenunterkunft gegangen, um die Mädchen zu beruhigen und jeder einen Lolli zu überreichen (Ralfs Idee!). In Deutschland lockt das keinen Hund hinterm Ofen hervor, aber hier ist es etwas ganz Besonderes. Die Süßigkeiten und das anschließende Gebet waren natürlich der Hit und entspannten die Atmosphäre – sie hatten wirklich Angst, fühlten sich hilflos und ausgeliefert. Später kamen etliche Nachrichten, die ausdrückten, wie dankbar sie waren. Für einen Lolli und ein Gebet – wow.

Ein Single Student des Campus postete in seinem Whatsapp Status, dass er kein Essen hat und sein Magen knurrt, er aber mit Wasser vorlieb nehmen muss. Also bot ihm Christina Gari mit Gemüsekonserven und Brühwürfeln an. Als er das dankbar abholte, kam heraus, dass seine ganze Jonah Hall ohne Essen ist. 10 Leute – au Mann, wir wissen nicht, ob das Gari für sie alle reicht!

Dann erfuhr Christina von ihren anderen Studenten, dass ebenfalls die Studenten in der Woolsey Hall schon länger nichts zu Essen hatten/haben. Also unseren letzten Reis, braune Bohnen, Zwiebeln und Brühwürfel rausgegeben. Wird es reichen? Keine Ahnung, aber sie sind trotzdem sehr dankbar.

Wir erfuhren dann auch, dass heute keine Chapel (Abendgottesdienst) stattfindet. Ausgangssperre ist eben Ausgangssperre.

Die Nationale Ausgangssperre von 21 – 6 Uhr

Die große Frage ist, ob sie auf die nächsten Tage ausgeweitet wird – wir bleiben gespannt.

Am Montag also wollten wir ein paar Sachen besorgen und verliessen mit dem Auto das Gelände in Richtung Jui Market. Das Leben geht weiter, auch wenn weniger, waren dennoch eine Menge an Menschen und Bikes unterwegs. Doch eine Vielzahl von Menschen blieb einfach zu Hause – auch auf dem Markt war deutlich weniger los.

Als wir aus Jui rausfuhren, gab es etliche Straßensperren und das Militär kontrollierte die Autos und Taxis, nach Waffen, entflohenen Sträflingen und Putschisten. Aber ansonsten war es um Jui rum ruhig. Gelegentlich hören wir von Schüssen in anderen Ortschaften – noch ist es nicht vorbei. Morgen sind wir dann gespannt, wie das mit der Schule nach Freetown rein und raus wird.

Zurück auf den Markt. Wir hatten uns vorgenommen, die drei Studierenden Unterkünfte mit Reis – Maggie und Öl zu versorgen. Eigentlich wäre das erst wieder Anfang Dezember dran, aber alle, wirklich alle haben schon länger nichts mehr zum Essen gehabt.

Als wir dem Torwächter Mr. Komba einen Laib Brot überreichten, sagte auch dieser, dass er echt Hunger habe, da länger nichts gegessen. Es ist schwer damit umzugehen – weil wir merken, es wird für die Menschen hier immer schwieriger.

Umso größer die Freude und der Dank, wenn sie Essen erhalten!

Geben macht Freude